Russland verbietet Agrarimporte aus der Ukraine

Senf und Meerrettich der ukrainischen Firma Veres stehen im Regal eines Moskauer Supermarktes.

Senf und Meerrettich der ukrainischen Firma Veres stehen im Regal eines Moskauer Supermarktes.

Ria Novosti/Kirill Kallinikov
Ab dem 1. Januar 2016 soll die Einfuhr ukrainischer Agrarprodukte in die Russische Föderation verboten werden. Damit will Russland verhindern, dass über die Ukraine europäische Waren, für die seit 2014 ein Embargo gilt, ins Land gelangen. Ukrainische Produzenten müssen mit Umsatzeinbußen rechnen.

Zum 1. Januar 2016 tritt in Russland ein Einfuhrverbot für Lebensmittel aus der Ukraine in Kraft. Das teilte der russische Minister für wirtschaftliche Entwicklung Alexej Uljukaew mit, wie die Wirtschaftszeitung „Kommersant“ berichtete. Russland reagiert damit auf das Inkrafttreten des wirtschaftlichen Teils des Assoziierungsabkommens zwischen der Ukraine und der Europäischen Union. Das Abkommen sieht unter anderem den zollfreien Import europäischer Produkte in die Ukraine vor.

„Wir werden unseren Markt einseitig von unkontrolliertem Warenstrom aus Drittländern, vorrangig aus der EU, über das ukrainische Zollgebiet schützen müssen“, begründete Uljukaew das Embargo. Russland fürchtet, dass ohne diese Maßnahme EU-Waren über den Umweg Ukraine ins Land gelangen könnten. Seit August 2014 gilt ein Importverbot für bestimmte Lebensmittel aus der EU und weiteren westlichen Ländern. Russland hatte dieses als Reaktion auf die Sanktionen des Westens eingeführt. Sergej Iljin, Analyst bei der Investmentgesellschaft Premier, hält das Einfuhrverbot für sinnvoll: „Es wäre absurd, den freien Warenverkehr mit einem Land zu erlauben, das seinerseits freien Handel mit Ländern betreibt, gegen die Russland ein Embargo verhängt hat.“

Schweinefleisch, Rindfleisch und andere Nebenprodukte sowie Gemüse, Butter, Quark, Milch, Käse, Obst und Nüsse aus der Ukraine dürfen ab dem 1. Januar 2016 nicht mehr nach Russland eingeführt werden.

Betroffen sind also nicht nur teure Produkte wie beim Lebensmittel-Embargo gegen die Europäische Union, sondern auch Massenwaren, die jeder im Kühlschrank hat.

Massive Handelseinbrüche

Nach Angaben des Föderalen Zolldienstes (FAS) sind die Importe aus der Ukraine in den vergangenen neun Monaten des laufenden Jahres bereits um das Doppelte auf rund 3,8 Milliarden Euro gefallen und betragen inzwischen nur noch 3,2 Prozent der russischen Gesamtimporte. Russlands Exporte beliefen sich im selben Zeitraum auf sechs Milliarden Euro. Der ukrainische Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk erklärte, dass ukrainische Produzenten aufgrund der Restriktionen mit einem Minus von bis zu 545 Millionen Euro rechnen müssten.  

„Im Moment stellen wir fest, dass die bilateralen Handelsströme abrupt zurückgegangen sind“, sagt Georgij Waschtschenko, Fondsmanager bei der Investmentfirma Freedom Finance. Die Struktur russischer Importe sei wesentlich von Industriegütern bestimmt: Ausrüstung, Fahrzeuge, chemische Erzeugnisse, Metalle.

Nachteile auf beiden Seiten

„Mit rund 2,17 Milliarden Euro fiel die russische Handelsbilanz mit der Ukraine für den Zeitraum Januar bis September dieses Jahres positiv aus. Russland exportierte mehr, als es einführte“, sagt Timur Nigmatullin, Finanzanalyst bei der Investmentholding Finam. Seinen Schätzungen zufolge wird das Importverbot auf Agrarprodukte und Lebensmittel aus der Ukraine zu deutlichen Überschüssen in der russischen Handelsbilanz führen und sich positiv auf die BIP-Entwicklung auswirken. Dennoch gibt es laut dem Experten eines zu bedenken: Langfristig würden beide Volkswirtschaften Folgeschäden davontragen, weil die außenhandelsorientierten Wirtschaftszweige an Fahrt verlieren werden.

„Die Ukraine wird die Folgen deutlicher zu spüren bekommen, weil der ukrainische Russland-Handel insgesamt größer ist als das russische Ukraine-Geschäft“, sagt Sergej Iljin. Timur Nigmatullin stimmt dem zu: Vor allem die Agrarriesen im ukrainischen Nordosten würden infolge des Embargos Verluste einfahren. „Sie werden ihre Produkte zum Selbstkostenpreis auf dem heimischen Markt absetzen müssen“, meint Nigmatullin.

Makroökonomisch betrachtet könne sich das für die ukrainische Wirtschaft aber auch vorteilhaft entwickeln, wie der Experte einräumt, etwa durch Inflationsdrosselung bei Verbraucherpreisen. Er sieht jedoch ein Problem: „Die ukrainischen Produkte sind an die Anforderungen des russischen Markts angepasst – und sei es nur durch die russischsprachige Verpackung. Daher werden die ukrainischen Firmen auf andere Märkte nicht ausweichen können und vom Markt verschwinden.“ Bleiben andere Faktoren konstant, wird das Importverbot auf die ukrainischen Agrarprodukte die Verbraucherpreisinflation in Russland auf das Jahr gerechnet leicht anheizen, schätzt Nigmatullin.

Was folgt?

Der ukrainische Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk kündigte am vergangenen Montag während einer Sondersitzung der ukrainischen Regierung bereits Gegenmaßnahmen an.

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