Russland und Luxemburg: Die Wirtschaft im Zeichen der Sanktionen

Reuters
Seit einigen Wochen erbebt die Wirtschaft in Russland. Doch die luxemburgische Geschäftswelt hat Möglichkeiten entwickelt, sich aus der Affäre zu ziehen.

Anlässlich der Gala der Belgisch-­Luxemburgischen Handelskammer in Russland war der Saal der Russischen Industrie- und Handelskammer in Moskau am 21. April brechend voll. Das zeigt, dass die Geschäftswelt die Sanktionen gegen Russland zur Kenntnis ­genommen hat, sich den Turbulenzen anpasst und nun auf gute Geschäfte hofft.

Und trotz Sanktionen stehen manche Wirtschaftsbereiche wider Erwarten gut da. „Wir haben viele russische Kunden, die ihr Vermögen oder ihre Aktivitäten auf Luxemburg ausrichten, in dieser Hinsicht haben die Sanktionen die Geschäfte nicht beeinträchtigt“, merkt Max Kremer an, Teilhaber ­
der Anwaltskanzlei Arendt & Medernach SA.

Die EU sollte ihre Sanktionen nicht ausweiten

Durch ihren Kontakt zu luxemburgischen Anwälten, die sich in Russland niedergelassen haben, hat Arendt & Medernach SA von der schwierigen Situation profitiert und ihre Strategie für die Moskauer Zweigstelle überdacht. So fiel die Entscheidung, die Aktivitäten in Russland, aber auch in anderen GUS-Staaten und insbesondere in Kasachstan und Usbekistanauszuweiten und verstärkt auf die Klienten zuzugehen.

Und der Erfolg gibt ihnen recht. „Viele russische Klienten konsultieren uns, um zu erfahren, wie sie ihre Geschäfts­felder ausbauen können, ohne die Sanktionen zu verletzen, und das ist auch in umgekehrter Richtung der Fall“, ­erklärt Max Kremer. Nicht zuletzt deshalb, weil durch den Absturz des Rubels die russischen Produkte von einen Tag auf den anderen äußerst konkurrenzfähig geworden sind.

Obwohl Kanada vor Kurzem die Sanktionen gegen einige Russen und mehrere russische Finanzinstitute verschärft hat, herrscht in der luxemburgischen Gemeinde in Moskau das Gefühl vor, die EU werde nicht nachziehen, was allerdings nicht heißen soll, dass die Sanktionen kurzfristig aufgehoben ­werden, doch Kremer gibt sich entschieden optimistisch:„Innerhalb von zwei Jahren wird all das vergessen sein.“ 

Schwierigkeiten steigern den Ein­fallsreichtum

Inzwischen übt sich die Geschäftswelt in Geduld – und wie Oleg Prosorow, Leiter der belgisch-luxemburgischen Handelskammer in Russland betont: „Die Leute haben sich daran gewöhnt und versuchen weiterhin, Geschäfte zu machen.“ Als Beweis führt er an, dass trotz der beiden vergangenen schwierigen Jahre die Geschäftsaktivitäten der Belgisch-Luxemburgischen Handelskammer in Russland fortgesetzt worden sind.

Doch das ist nicht überall so. Bei der Astron, Produzent von Metallkonstruktionen und Industriegebäuden, hat sich die Anzahl der Projekte in diesen beiden Jahren um 50 bis 70 Prozent reduziert. „Die Sanktionen betreffen uns auch heute, doch die Schwierigkeiten haben uns motiviert, andere Lösungen zu finden“, betont Marc Buchheimer, Direktor von Astron in Russland.

Statt Fabrikanlagen entwirft das Unternehmen nun Schulgebäude, Sportanlagen und Logistikzentren. „Die Zahlen sind positiv und seit einigen Wochen kommen wieder Anfragen herein. Der Markt bebt natürlich aufgrund des leichten Anstiegs des Benzinpreises und der Wiedererstarkung des Rubels, doch noch ist nichts entschieden“, erläutert der Direktor. Astron bleibt zuversichtlich und wartet auf die Rückkehr der ausländischen Investoren, denn auf lange Sicht bleibt das Potenzial des russischen Marktes verlockend. Reichhaltige Rohstoff­ressourcen, die Notwendigkeit zur ­Modernisierung der Industrie und der Binnenmarkt mit fast 150 Millionen Einwohnern machen ihn äußerst attraktiv. Doch aktuell sei es ausgesprochen wichtig, die gewinnträchtigen Bereiche zu erkunden.

Die Logistik hält momentan interessante­ Perspektiven bereit, sodass im Februar Repräsentanten von Luxembourg Freeport nach Russland gekommen sind. „Sie wollten ihr Expertenwissen im Rahmen eines Bauprojekts für den Freihafen Wladiwostok einbringen, der für die ­Lagerung von Luxusgütern ausgebaut werden soll“, erklärt Oleg Prosorow. Doch das ist noch nicht alles. „Die Russen sind erfahrene Internetnutzer und kaufen viele Dinge online. In Luxemburg ansässige Unternehmen sind dabei, ein Logistikzentrum in Moskau auf­zubauen, um dort ihre Kunden zu betreuen“, fährt er fort. Und im Gegenzug wurde Jewgenij Kaspersky, der Entwickler von Antiviren-Software, kürzlich vom luxemburgischen Wirtschaftsminister empfangen, um über eine ­Zusammenarbeit im Bereich der Software-Entwicklung zu sprechen.

Diese Beispiele zeigen, dass der Dialog zwischen dem Großherzogtum und Russland weitergeführt wird und es trotz der schwierigen konjunkturellen Lage zur Kollaboration und zu konkreten Partnerschaften kommt. Oleg Prosorow ergänzt: Er wünsche sich, dass „sich Russland und die EU bald wieder als Nachbarn und Partner betrachten“.

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