Bilanz des Petersburger Wirtschaftsforums: Der Wind hat sich gedreht

Mikhail Metzel/TASS
Es bewegt sich wieder etwas: Rund dreimal so viele Verträge wie im vergangenen Jahr wurden auf dem diesjährigen Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg unterzeichnet. Und auch der russische Staat machte von sich reden: Er kündigte eine Innovationsoffensive in Kooperation mit internationalen Partnern an.

Auf dem diesjährigen Internationalen Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg (SPIEF) wurden Verträge im Gesamtwert von rund 14,5 Milliarden Euro unterzeichnet, so die vorläufige Bilanz von Anton Kobjakow, Referent des Organisationskomitees. Die offizielle Bekanntgabe des Ergebnisses soll in Kürze folgen, berichtet die Nachrichtenagentur RIA Nowosti.

Insgesamt wurden im Rahmen des Forums 332 Vereinbarungen geschlossen, die keinem Geschäftsgeheimnis unterliegen. Zum Vergleich: 2015 waren es 205 Verträge im Wert von rund vier Milliarden Euro – rund ein Drittel des diesjährigen Vertragsvolumens. Allein die Vereinbarungen zwischen Russland und Italien, dem diesjährigen Gastland des Forums, belaufen sich auf 1,2 Milliarden Euro.

Wegweisende Kooperationen

„Vergangenes Jahr waren ausländische Partner über die Zukunft der russischen Wirtschaft besorgt. Heute ist klar, dass sie sich an das neue Umfeld angepasst hat“, erklärt Wladimir Pankratow, Direktor der Vermögensverwaltung bei der staatlichen Bank VTB, den Anstieg an Investitionen. „In diesem Jahr sagen die Forumsteilnehmer direkt: Lasst uns etwas machen“, betont er.

Unternehmen aus dem Westen als auch aus Fernost waren in Sankt Petersburg vertreten, darunter die Chefs der US-amerikanischen ExxonMobil und italienischen Eni. Der Alibaba-Gründer Jack Ma war zum zweiten Mal dabei. Auch ranghohe Politiker besuchten das Forum, unter anderem der Präsident der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker, der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, der italienische Premier Matteo Renzi und der Präsident Kasachstans Nursultan Nasarbajew.

Im vergangenen Jahr war der griechische Premier Alexis Tsipras noch der ranghöchste westliche Politiker gewesen. Und dieser kam auch nur, um einen Kredit mit Russland zu vereinbaren. Westliche Beobachter sprachen von einem Boykott des Forums wegen der im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise gegen Russland verhängten Sanktionen.

Doch in den vergangenen Monaten hat sich der Wind gedreht. Innovationen waren nun das zentrale Thema des diesjährigen Forums – um sie drehte sich die Ansprache Wladimir Putins auf der Plenarsitzung des Forums als auch zahlreiche Panelgespräche.

Die Integration von Innovation werde Wirtschaftswachstum bewirken, unabhängig des politischen Führungsmodells, betonte Herman Gref, Sberbank-Chef und ehemaliger Minister für wirtschaftliche Entwicklung, in dem Diskussionspanel „Evolve or Die“. In jedem politischen System könne man auf Produktivitätssteigerungen und Managementoptimierung setzen, sagte der Banken-Chef.

Yandex, Russlands größter IT-Dienstleister, geht mit bestem Beispiel voran. Das Unternehmen modernisiere bereits russische Stahlwerke, wie Yandex-Gründer Arkadi Wolosch anmerkte. Laut einer Studie von McKinsey können Stahlproduzenten durch den Einsatz innovativer Technologien jährlich rund 105 Milliarden Euro einsparen, davon 18 bis 36 Milliarden durch Produktivitätssteigerungen und weitere 13,6 Milliarden durch Ressourceneffizienz.

Staat kündigt tiefgreifende Reformen an

Um eine möglichst tiefgreifende Integration innovativer Technologien zu gewährleisten, werden in Russland neue staatliche Strukturen eingerichtet, hieß es auf dem Forum. Die Agentur für technologische Entwicklung soll sich auf Technologietransfer – die Übernahme von Good-Practice-Lösungen in Russland – konzentrieren. So wird der Einsatz modernster umweltverträglicher Technologien für Großunternehmen zur Pflicht.

Die neue Agentur wird russischen Firmen bei der Gründung von Joint-Ventures mit ausländischen Partnern zur Seite stehen. Deutsche Unternehmen übernehmen dabei die Vorreiterrolle, wie es in einem deutsch-russischen Panel im Rahmen des Wirtschaftsforums hieß. So arbeitet etwa SAP bereits mit dem Gasriesen Gazprom zusammen und plant Kooperationen mit russischen Start-ups.

Die zweite neue Institution ist der Präsidentenrat zur strategischen Entwicklung – eine Art Projektbüro für tiefgreifende Reformen. Wladimir Putin persönlich wird dem neuen Rat vorstehen. Stellvertretender Ratspräsident wird Dmitrij Medwedjew. Wie der Staatschef auf dem Forum erklärte, sollen die Steigerung der Produktivität in unterschiedlichen Wirtschaftsbranchen zur Kernkompetenz des Rates werden.

Die Einrichtung einer solchen Institution geht auf einen Vorschlag von Herman Gref und des britischen Ex-Premiers Tony Blair auf dem Petersburger Wirtschaftsforum im letzten Jahr zurück. Den Ratsvorsitz lehnte Gref auf Nachfrage von Journalisten jedoch ab. Wie die russische Wirtschaftszeitung „RBC Daily“ berichtet, kann die Institution angesichts der 2018 anstehenden Präsidentschaftswahlen zu einer Wahlkampfplattform für Wladimir Putin werden. Immerhin waren die Nationalen Projekte in den vier prioritären Bereichen – Wohnungsbau, Gesundheitsfürsorge, Bildung und Landwirtschaft – 2008 eine ähnliche Plattform für Dmitrij Medwedjew.

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