Russische Hochschulen: Liegt die Zukunft im Online-Studium?

Getty Images
Die Hochschule für Wirtschaft in Moskau, eine der innovativsten Universitäten Russlands, plant laut ihrem Dekan Jaroslaw Kusminow, sich komplett auf den Onlinebetrieb umzustellen. Ist dies die Zukunft für alle russischen Universitäten?

Nur noch 15 bis 17 Prozent der russischen Studenten gehen laut Kusminow zu Vorlesungen. Deshalb sei er der Meinung, dass sich die Hochschule für Wirtschaft, kurz HSE, innerhalb der nächsten fünf Jahre auf Onlinebildung umstellen sollte. Doch ist der neue Ansatz in der Lage, die Qualität der Bildung im Land zu verbessern?

In den letzten Jahrzehnten haben die russischen Universitäten zunehmend Schwierigkeiten gehabt, im globalen Vergleich gut abzuschneiden. Nichtsdestotrotz ist die russische Bildung mit einem hohen Qualitätsanspruch verbunden. Das trifft insbesondere auf die Bereiche Wissenschaft, Technologie, Ingenieurwesen und Mathematik zu und wird durch die Zahl jener Absolventen belegt, die inzwischen für Silicon Valley-Unternehmen arbeiten.

Das Fehlen von Publikationen in englischsprachigen wissenschaftlichen Zeitschriften sowie die Trennung von Forschung und Lehre waren jedoch oft ein Hindernis für bedeutende Durchbrüche.

Das ambitionierte, von der Regierung finanzierte Projekt „5-100“ schaffte es jedoch, die Situation ein wenig zu verbessern. In den letzten Jahren haben einige russische Universitäten im globalen Vergleich ein paar Plätze wettgemacht. Diese reichen allerdings immer noch nicht aus, um mit den Spitzeninstitutionen in den Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritannien zu konkurrieren.

„Pädagogischer Testlauf“

Onlinebildung soll auch ausländischen Studenten helfen, die hohe Qualität der russischen Bildung zu erleben. „Onlinekurse können die Wettbewerbsfähigkeit und das Ansehen russischer Universitäten auf dem globalen Bildungsmarkt erhöhen“, erklärt ein Vertreter des Projekts „5-100“.

Sogar die besten amerikanischen Universitäten nutzen Onlinebildung, um ihre Popularität zu steigern. Zum Beispiel entwickelte sich „Psyc 157: Psychologie und das gute Leben“, welches auf der Onlineplattform „Coursera“ angeboten wurde, an der Yale-Universität in den 316 Jahren Universitätsgeschichte zum beliebtesten Kurs aller Zeiten.

Aber auch einige russische Universitäten haben laut dem Projekt „5-100“ die Zahl der internationalen Bewerber dank ihrer Onlinepräsenz bereits erhöht. So heißt die Nationale Universität für Wissenschaft und Technologie „MISiS“ mittlerweile Studierende aus 69 Ländern willkommen. Die Universität hat zudem vor kurzem zwei Kurse – in Materialwissenschaft und -Technik (eng) und komplexer Analyse mit physikalischen Anwendungen (eng) – für ihre edX-Lernplattform entwickelt.

Massiv. Online. Offen.

Die Idee für MOOC ("massive online open courses") stammt bereits aus dem Jahr 2001, als das Massachusetts Institut für Technologie seine Bildungsressourcen digitalisierte. Dieses Programm bietet überwiegend in der Hochschul- und Erwachsenenbildung Onlinekurse an. Infolgedessen schlossen sich andere weltweit führende Universitäten „Coursera“ an, um so die Weiterentwicklung des Onlineunterrichts zu fördern.

Parallel dazu sind in Russland Onlineplattformen wie „Open Education“ (rus), „Universarium“ (rus) und „Lektorium“ (rus) entstanden. Doch auch einige der weltweit besten E-Learning-Startups, wie zum Beispiel „Coursmos“ (eng), „Easy Ten“ (eng), „Preply“ (eng) und „iSpring Solutions“ (eng) wurden von russischsprachigen Gründern ins Leben gerufen.  

Im Jahr 2018 waren unter anderem jene Kurse auf „Coursera“ besonders beliebt, die vom Moskauer Institut für Physik und Technologie (MIPT) entwickelt wurden, wie beispielsweise Kurse zur Python-Programmierung oder die Einführung in Blockchain.

Der weltweite „EdTech“-Markt hat laut dem Projekt „5-100“ mittlerweile nicht nur einen Marktwert von fast 145 Milliarden Euro, sondern zählt auch in Osteuropa und vor allem Russland zu den am schnellsten wachsenden Bereichen. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate für den russischen Onlinelernmarkt könnte für die nächsten fünf Jahre pro Jahr 20 Prozent betragen.

Eine schwierige Entscheidung

Werden sich die russischen Universitäten also bald vollständig auf den Onlinebetrieb umstellen? Der Minister für Wissenschaft und Hochschulwesen, Michail Kotjukow, ist der Ansicht, dass der Prozess schrittweise erfolgt und gut durchdacht sein sollte. „All die geplanten Schritte sollten äußerst vernünftig und sorgfältig vorgenommen werden und zwar dort, wo sie einen besseren Zugang und eine bessere Bildungsqualität garantieren“, erklärte er.

Laut dem Projekt „5-100“ arbeiten viele russische Universitäten zurzeit verstärkt daran, ihre Onlinepräsenz zu verbessern. In den letzten vier Jahren hat die HSE mehr als 80 Kurse in russischer und englischer Sprache auf „Coursera“ angeboten und mehr als 1,2 Millionen Studenten aus der ganzen Welt angezogen.

Die Universität machte laut „CourseBurg.ru“ (rus) darüber hinaus 22 Prozent der aus Russland kommenden Onlinekurse aus. Die Plattform war im akademischen Jahr 2016/2017 für die Analyse von 420 Kursen zuständig, die von russischen Universitäten angeboten wurden und in verschiedenen Sprachen auf „Coursera“, „Open Education“, „Universarium“, „Uniweb“, „Universalität“ und „Lectorium“ verfügbar sind.

Zu den landesweit besten Institutionen gehörten dabei die Polytechnische Universität Sankt Petersburg, die ITMO-Universität in Sankt Petersburg, die Föderale Universität Ural, die Staatliche Universität Tomsk sowie die Fernöstliche Föderale Universität.

Auch die Nationale Forschungs-Nuklear-Universität MEPhI in Moskau, die Staatliche Universität von Nowosibirsk sowie die Baltische Föderale Universität fanden heraus, dass sich „MOOC“ durchaus lohnt und setzen verstärkt auf Digitalisierung, wie das Projekt „5-100“ belegt. Sie stellen nunmehr Kurse online zur Verfügung und machen somit die Bildung in Russland Studenten aus der ganzen Welt zugänglich.

>>> Warum immer Russen gewinnen: Geheimnisse der hiesigen IT-Ausbildung

>>> Hochschulranking: Die zehn atemberaubendsten Universitäten Russlands

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung ausschließlich unter Angabe der Quelle und aktiven Hyperlinks auf das Ausgangsmaterial gestattet.

Weiterlesen

Diese Webseite benutzt Cookies. Mehr Informationen finden Sie hier! Weiterlesen!

OK!