Ost-Ausschuss-Geschäftsführer Michael Harms (l.) und Pressesprecher Andreas Metz
Hubert ThielickeSeit Jahresbeginn verzeichnete der deutsche Ost-Handel einen regelrechten Boom. Das Handelsvolumen mit Osteuropa stieg um 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Erstmals nach einer langen Reihe von Krisenjahren gebe es wieder beträchtliche Zuwächse. Besonders erfreulich sei die derzeitige Entwicklung im Handel mit Russland, wie der Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft Harms betonte.
Der deutsche Import aus Russland sei um fast 35 Prozent gewachsen, der deutsche Export um mehr als 28 Prozent. Auch die russische Wirtschaft habe sich erholt. Für dieses Jahr werde mit einem Wachstum um ein bis zwei Prozent gerechnet. Russland habe den „Doppelschock" – gesunkene Weltmarktpreise für Öl und Gas sowie die westlichen Sanktionen – gut verkraftet. Die Politik der Importsubstitution und der Lokalisierung wie auch der niedrige Rubelkurs hätten sich günstig ausgewirkt. Beispielhaft dafür seien die Grundsteinlegung für das neue Mercedes-Werk bei Moskau wie auch die Aktivitäten vieler mittelständischer Unternehmen.
Das Auswärtige Amt beschäftige sich mit dem Vorfall und es werde konkrete Maßnahmen geben, beispielsweise Sanktionen gegen die verantwortlichen Personen. Siemens sei ein wichtiges Mitgliedsunternehmen des Ost-Ausschusses und werde auch weiterhin eine große Rolle im Russlandgeschäft spielen.
Nachdrücklich warnte er vor den im US-Kongress diskutierten neuen Sanktionen gegen Russland. Sie würden die Geschäfte deutscher und europäischer Firmen erschweren und vor allem US-Wirtschaftsinteressen dienen: die Energieexporte der USA nach Europa ankurbeln und Jobs in den USA schaffen.
Das neue Gesetz würde sich auch gegen alle internationalen Unternehmen wenden, die mit signifikanten Beträgen am Ausbau, der Modernisierung oder dem Erhalt russischer Exportpipelines beteiligt seien. „Dies wäre ein fundamentaler Eingriff in unsere europäische Energieversorgung und würde zu steigenden Energiepreisen und einer sinkenden Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft führen", erklärte Harms. Es gehe um rund 90 russische Exportpipelines in 13 Länder, mit denen viele europäische Partner und Arbeitsplätze verbunden seien.
Ausdrücklich verhindert werden solle durch die US-Politik das Pipelineprojekt Nordstream 2, an dem unter anderem Firmen aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden mitwirken. Nordstream 2 dürfe nicht politisiert, sondern müsse jetzt erst recht umgesetzt werden, da es das Angebot an Erdgas in Europa weiter verbessere und dabei helfe, die sinkende Förderung innerhalb der EU zu kompensieren.
Es könnten aber auch weitere Firmen ins Visier geraten. „Die Verunsicherung ist bereits jetzt mit Händen zu greifen, eines Tages Sanktionen oder zumindest Nachteile auf dem US-Markt zu erleiden", so Geschäftsführer Harms. Begrüßenswert sei deshalb die Ankündigung von EU-Kommissionspräsident Juncker, Gegenmaßnahmen zu beschließen, sollten europäische Interessen durch das US-Gesetz verletzt werden. Niemand könne jedoch einen Wirtschaftskonflikt zwischen der EU und den USA wünschen. Deshalb sei zu hoffen, dass eine exterritoriale Anwendung von US-Sanktionen auf die europäische Wirtschaft verhindert werden kann.
Aus Anlass des dritten Jahrestages der Sanktionen legte der Ost-Ausschuss ein Positionspapier vor, das die Auswirkungen der gegenseitigen Wirtschaftssanktionen zwischen der EU und Russland beleuchtet. Bei aller Schwierigkeit, die Sanktionsfolgen zu beziffern, wird darin festgestellt, dass die Gesamtlasten bisher „mindestens einen hohen zweistelligen, wenn nicht bereits einen dreistelligen Milliarden-Euro-Betrag erreicht haben". So gingen interne Schätzungen der EU-Kommission für 2014 und 2015 von sanktionsbedingten Belastungen in Höhe von insgesamt 90 Milliarden Euro für die EU-Wirtschaft aus, während die russische Regierung die jährlichen Verluste auf 25-40 Milliarden US-Dollar bezifferte.
Die Studie belässt es nicht bei einer Feststellung der schädlichen Sanktionsfolgen, sondern zieht auch Schlussfolgerungen für Politik und Wirtschaft. So wird betont, dass jedes Drehen an der Sanktionsschraube die Gefahr neuer Handelskriege und die Verunsicherung der Weltwirtschaft erhöhe. Statt neuerlicher Eskalation werde gerade jetzt auf allen Seiten der Wille zur Deeskalation und zu Lösungen am Verhandlungstisch gebraucht.
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