Angriffe auf Lenin – vor und nach seinem Tod

Geschichte
GEORGI MANAJEW
Lenin beerdigen oder nicht? Diese Frage beschäftigt die russische Gesellschaft und Presse seit Jahrzehnten. Lenins für die Ewigkeit präparierter Körper ist dabei immer wieder Ziel verschiedenster Attacken von allen Seiten.

Der leichtsinnige Führer

Für einen Staatschef eines so großen Landes wie der jungen Sowjetunion ging Wladimir Lenin mit seiner eigenen Sicherheit erstaunlich locker um: nu rein Leibwächter begleitete den Revolutionsführer regelmäßig. Hielt sich Lenin etwa für unangreifbar?

Zum ersten Mal wurde im Januar 1918 auf sein Auto geschossen. Später stellte sich heraus, dass Monarchisten den Mord in Auftrag gegeben hatten.

Kurze Zeit später gab es noch ein versuchtes Attentat, das jedoch vereitelt werden konnte.

Und dann kam es zu dem bis heute bekannten Bombenanschlag der Kommunistin Fanny Kaplan im August 1918, bei dem Lenin doch ernsthaft verletzt wurde, sich jedoch glücklicherweise noch schnell wieder erholen konnte.

Erst ein wirklich bizarrer Anschlagsversuch brachte Lenin dann dazu, sich doch einen größeren Security-Stab zuzulegen. 1919 wurde Lenins Auto in einem Moskauer Vorort von sechs bewaffneten Männern gestoppt. Die Banditen wollten erstaunlicherweise nur den Wagen klauen, um damit eine Bank überfallen zu können. Immerhin waren Autos allgemein, und erst recht solche noblen, wie sie die sowjetische Führung stets benutzte, damals noch sehr selten.

Als Lenin, seine Schwester und sein privater Fahrer dann aus dem Auto stiegen und er fragte: „Was ist hier los? Ich bin Lenin!“, überhörten die Gauner die Worte ihres Opfers und entwendeten sowohl das Auto als auch die Dokumente des Revolutionärs. Nach dieser Aktion scharte Lenin dann doch eine ganze Rund-um-die-Uhr-Wacheinheit um sich. Seitdem blieben dann auch die Anschlagversuche aus, wenigstens zu seinen Lebzeiten.

Die meistgehasste Leiche der Welt

Lenin starb am 21. Januar 1924. Kurze Zeit später schon wurde er dann in dem Mausoleum am Rande des Roten Platzes untergebracht, wo seine einbalsamierten Überreste bis heute liegen.

Die erste Attacke auf Lenins Leiche gab es dann zehn Jahre später, am 19. März. Ein bewaffneter Mann, der Bauer Mitrofan Nikitin, betrat das Mausoleum und versuchte in Lenins Körper zu schießen. Er verfehlte ihn aber und erschoss sich umgehend selbst. Nikitin war enttäuscht von Bestechung, Hunger und Korruption des jungen Sowjetstaates. Als Zeichen seines Protests wollte er Lenins Körper symbolisch noch einmal sterben lassen. Nikitins Abschiedsbrief, der dies alles erklärte, wurde direkt vor Ort bei dem Schützen gefunden, jedoch umgehend an Stalins Privatarchiv übergeben. Die Details jenes Überfalls wurden erst nach dem Zerfall der Sowjetunion bekannt, als in den 90er Jahren die Archive teilweise geöffnet wurden.

25 Jahre und genau einen Tag nach Nikitins Schändungsversuch, am 20. März 1959, versuchte jemand mit einem Hammer den Sarkophag mit Lenins Körper aufzuschlagen. Ohne Erfolg.

Erst im Juli 1960 gelang es einem gewissen Herrn Minibajew, auf den Sarkophag zu steigen und das Glas von oben einzutreten. Die Splitter bohrten sich in Lenins Hände und das Gesicht, wo sie die rechte Augenbraue beschädigten. Im Verhör räumte Minibajew ein, dass er seit über zehn Jahren den Plan gehegt habe, Lenins Leiche zu schänden. Die verursachten Schäden mussten dann in filigraner Kleinstarbeit wieder behoben werden. Das Sargglas wurde dann verstärkt. Und als dann 1966 ein 59-jähriger Rentner versuchte, es mit einem Vorschlaghammer einzuschlagen, scheiterte er kläglich.

Anonyme Attentäter

Leider gibt es wenig zugängliche Informationen zu denjenigen Leuten, die versuchten Lenins Körper im Moskauer Mausoleum anzugreifen. Es scheint fast so, als wären diese Menschen dann einfach verschwunden. So ist es auch mit der letzten bekannten Attacke auf Lenins Überreste, bei der auch unschuldige Menschen dem Attentäter zum Opfer fielen.

Am 1. September 1973 besuchten Schulklassen wie jedes Jahr zum “Tag des Wissens“ das Lenin-Mausoleum. Damals gab es noch keinerlei strenge Antiterrorvorkehrungen. Die Besucher gaben ihre Taschen beim Einlass kurz ab, wurden jedoch nicht weiter durchleuchtet. Und so konnte ein Mann inmitten der Kindermassen einfach durchgehen. Die Wachen hielten ihn für einen Lehrer. Als er aber bei Lenins Sarkophag ankommt, schiebt er seine Hand in seine Manteltasche – und plötzlich erschüttert eine heftige Explosion das Mausoleum. Ein Pärchen aus Astrachan, das direkt neben dem Attentäter stand, wurde sofort getötet. Die Lenin-Wächter sowie vier Kinder trugen schwere Verletzungen davon.

Der Angreifer selbst war natürlich auch im die Luft geflogen und sofort tot. Offiziellen Angaben zufolge wurden der Schädel und Teile der Arme in einigen Meter Entfernung gefunden. Inoffiziell behaupten jedoch Experten, dass der Angreifer gefasst und dann zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde. Bestätigen lässt sich gegenwärtig keine der beiden Versionen. Klar ist jedoch eines: Lenins Sarkophag und er selbst überstanden den Angriff völlig unbeschadet. 

Dies war die letzte schwere Attacke auf Lenins Überreste. Seit dem Ende der Sowjetunion gab es nur noch einige Einzelfälle, in denen das Mausoleum verdreckt wurde. 2010 forderte ein Besucher dann plötzlich lautstark, dass Lenin doch endlich beerdigt werden solle. Später stellte sich heraus, dass er wegen Diebstahl gesucht wurde.

Noch im selben Jahr war jemand eine abgerollte Rolle Toilettenpapier und eine Broschüre ins Büro der Mausoleums-Direktion. 2015 besprenkelten Aktivisten das Mausoleum mit Weihwasser und riefen: „Steh auf und geh weg!“. Die Securities schicken solche Störenfriede heute einfach weg.

Und Lenin? Ja, Lenin der ist auch immer noch da.

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