Loch im Eisernen Vorhang: Wie amerikanischer Magnat 70 Jahre lang mit der Sowjetunion handelte

Geschichte
OLEG JEGOROW
Der berühmte Geschäftsmann Armand Hammer (1898-1990) führte trotz der Auseinandersetzungen zwischen den USA und der Sowjetunion im sozialistischen Staat jahrzehntelang erfolgreich sein Geschäft. Russia Beyond erzählt seine Geschichte.

In seinen Memoiren, die viele Jahre nach dem Treffen mit Wladimir Lenin 1921 verfasst wurden, erinnert sich Armand Hammer an das Charisma des Bolschewikenführers: „Wenn er mir befohlen hätte, aus dem Fenster zu springen, hätte ich es wahrscheinlich getan.“ Das klingt beeindruckend, insbesondere von jemandem, der ein eingefleischter Kapitalist war und ein Vermögen verdienen wollte.

Dennoch verstand es Hammer, hinter die ideologischen Feindseligkeiten zu schauen und für beide Seiten von Nutzen zu sein – während er sich selbst dabei bereicherte. Er blieb seiner Strategie in den 70 Jahren der sowjetischen Existenz treu, indem er als Vermittler, Geschäftsmann und Wohltäter tätig war und immer davon profitierte.

Im Sozialismus geboren

Obwohl Hammer kein Sozialist war, hielt sein Vater, Julius Hammer, ein jüdischer Emigrant aus Odessa, Arzt und Pharmazeut, eine Führungsposition in der Sozialistischen Arbeitspartei von Amerika, kurz SLP. Bei der Namensgebung inspirierte ihn das Symbol von "Hand und Hammer", welches als englisches "arm and hammer" die Parteiflagge der SLP zierte.

Hammer, der also seit seiner Geburt mit dem Sozialismus in Verbindung stand, widmete sich zunächst dem Pharmageschäft. Während der Prohibition waren Hammers Apotheken mit ihrem legalen Verkauf von alkoholischen Ingwerlösungen, die sich für die Herstellung verbotener Alkoholgetränke als nützlich erwiesen, überaus erfolgreich. Er arbeitete sehr geschickt am Rand der juristischen Legalität; etwas, das für immer sein Markenzeichen werden würde.

Liebesgrüße an Russland

1921 fuhr der 23 Jahre alte Hammer zum ersten Mal nach Russland. Offizielles Ziel seines Besuches war es, gezahlte Gelder für den Einkauf von Medikamenten, die während des Bürgerkriegs nach Russland verschifft worden waren, zurückzugeben. Nach seinem Treffen mit Lenin entschied sich der Unternehmer jedoch nicht aus dem Fenster zu springen, sondern das Bindeglied des neuen sozialistischen Staates und der amerikanischen Geschäftskreise zu sein.

Die Familie Hammer war mit Ludwig Martens, Lenins Repräsentanten in Amerika, vertraut. Es war für Armand Hammer also ein Leichtes, sich mit dem Revolutionsführer anzufreunden. Er begann, Getreide nach Russland zu verkaufen, das aufgrund der durch den Bürgerkrieg entstandenen Hungersnot dringend gebraucht wurde, und lieferte über eine Million Tonnen. Das war jedoch nur ein kleiner Ausschnitt seiner Geschäfte mit Russland.

Bleistifte rein, Fabergé raus

Nachdem er sich die Gunst der sowjetischen Führer in den frühen 1920er-Jahren gesichert hatte, zog Hammer für ein Jahrzehnt in die Sowjetunion und eröffnete dort dank der Konzessionsverträge mehrere Unternehmen. Sein größtes Unternehmen war eine Fabrik, die Kugelschreiber und Bleistifte produzierte – ein Amerikaner versorgte also im Grunde die Sowjetunion mit Schreibwaren!

Hammer arbeitete ferner als Mittelsmann in der UdSSR und repräsentierte große amerikanische Firmen, wie die Ford Motor Company und United States Rubber. Der kluge Geschäftsmann verwaltete zudem eine Asbestmine in Sibirien. Jedes Geschäft, das Geld brachte, war ein gutes Geschäft für Hammer.

Zur selben Zeit besaß Hammer ein Interesse für Kunst, auch im kommerziellen Sinne. Er nutzte die politischen Unruhen und das Chaos der 1920er-Jahre dazu, sich viele Kunstschätze aus den russischen Staatsmuseen zu günstigen Preisen zu sichern, mehrere Fabergé-Eier mit eingeschlossen, um sie dann für teures Geld im Westen zu verkaufen. Es gab jedoch auch eine dunkle Seite bei diesem Kunsthandel: Neben echten Kunstwerken verkaufte er Berichten zufolge auch Kopien und unverhohlene Fälschungen. Später organisierte er Kunstausstellungen in Russland, die ebenso einen recht undurchsichtigen Eindruck machten.

„Als er Kunstausstellungen von unschätzbarem Wert nach Moskau brachte, zeigten sich die Kunsthistoriker verwirrt. Niemand konnte sagen, ob es sich dabei um Originale oder Fälschungen handelte“, schreibt die russische Zeitschrift „Sowerschenno Sekretno“.

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Zurück in der Sowjetunion

Als Stalin an die Macht kam, waren selbst freundlich gesinnte Ausländer wie Hammer in der Sowjetunion nicht mehr willkommen. Hammer zog deshalb in den 1930er-Jahren zurück in die USA und gab die meisten seiner sowjetischen Unternehmen auf. Doch auch wenn er zuhause genug zu tun hatte, blieb er immer mit der UdSSR in Kontakt und nahm seine Tätigkeiten dort nach Stalins Tod wieder auf.

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Er traf sich mit Nikita Chruschtschow und Leonid Breschnew und erwarb sich in den 1970er-Jahren die Gunst des letzteren. Sein erstes großes Vorhaben war der Bau eines erstklassigen Bürozentrums in der Sowjetunion, das heute als internationales Handelszentrum bekannt ist. Als er des Weiteren den Sowjets dabei half, 100 Millionen Dollar von amerikanischen Banken zu leihen, war er umsichtig genug, sich einen Teil davon abzuschöpfen, indem er um eine Transaktionsgebühr in Höhe mehrerer Millionen US-Dollar bat.

Das war zu jener Zeit jedoch nicht der einzige Triumph Hammers. Er half ebenso, die größte Stickstoffanlage in der Sowjetunion zu bauen, und wurde dafür gelobt, der Ermitage das angeblich erste Gemälde von Goya geschenkt zu haben. Heute wird von den meisten Experten vermutet, dass es sich dabei um eine Fälschung handelte. Damals aber bot dem tollkühnen Geschäftsmann eine gute Möglichkeit, sich in der Öffentlichkeit zu profilieren.

War Hammer ein Spion?

So umstritten er auch war, verband Hammer doch seine Credo „das Geschäft kommt zuerst“ auch mit Wohltätigkeitsarbeit und sponserte zum Beispiel die medizinische Versorgung der sowjetischen Bürger, die bei der Tschernobyl-Katastrophe 1986 zu Schaden kamen. Nicht zuletzt war er zwischen den USA und der Sowjetunion immer ein wichtiges Bindeglied.

„Ich war bei dem Versuch behilflich, zwischen Ost und West Frieden zu schaffen, und bekam von Präsidenten Dank ausgesprochen für das, was ich dazu beitrug“, pflegte Hammer zu sagen.

Parallel dazu wird immer noch darüber gestritten, ob Hammer als sowjetischer Spion tätig war. Edward Jay Epstein, der Autor des Buches „Dossiers: Die geheime Gesichte von Armand Hammer“, behauptet, dass dieser mit Sicherheit ein Spion gewesen sei, der für Moskau Geldwäsche betrieb und die kommunistischen Spionageaktionen finanzierte. Der sowjetische Sicherheitsdienst äußerte diesbezüglich jedoch seine Zweifel.

Laut einem sowjetischen General, dessen Name in der russischen Zeitung „Kommersant“ ungenannt bleibt, zeigte sich Hammer immer gesprächsbereit, aber die meisten Informationen, die er lieferte, konnten unmöglich überprüft werden. „Hammer arbeitete nur für sich selbst“, schlussfolgert daraus der General.

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