Am neunten November 1975 kam in Russland ein außergewöhnliches Ereignis zustande, das es seit über 50 Jahren nicht mehr gegeben hatte, einen Revolutionsversuch. Kapitän Waleri Sablin meuterte auf einer Anti-U-Boot-Fregatte, weil die sowjetische Führung nach seiner Ansicht nicht mehr der Doktrin von Wladimir Lenin folgte und somit das Land dringend einen radikalen Wandel benötigte.
Das Kriegsschiff der Rebellen verließ den Hafen von Riga und begann seine Reise nach Leningrad, von wo aus Sablin plante, eine große Revolution zu starten, die das ganze Land in seinen Grundfesten erschüttern sollte.
Was veranlasste Ihn dazu?
Waleri Sablin, Marineoffizier in der dritten Generation, war ein fleißiger Schüler an der Leningrader Marinehochschule, der oft von seinen Lehrern gelobt und von Klassenkameraden respektiert wurde, welchen sein ausgeprägter Sinn nach Gerechtigkeit auffiel.
Die Karriere eines Militäroffiziers, der blind Befehle befolgt, war jedoch nicht nach Sablins Geschmack. Er war gespannt darauf, die politischen Prozesse in seinem Land zu verstehen und zu analysieren. Und viele Dinge gefielen ihm nicht. Für Sablin stand fest, dass das Land einen radikalen Wandel brauchte.
Offizier Nikolaj Tscherkaschin, Sablins Kollege, erinnerte sich: „Er hat immer global gedacht und er versuchte, soziale Phänomene in ihrer Tiefe zu verstehen. Er war der geborene Politiker.“
Waleri Sablin hatte nie Angst, seine Meinung offen zu äußern. 1962, im Alter von nur 23 Jahren, schrieb er einen Brief an Nikita Chruschtschow mit der Bitte, „die Kommunistische Partei von Schmeichlern und korrupten Elementen zu befreien“. Seine ganze Karriere stand auf dem Spiel, aber Sablin hatte das Glück, nur einen Verweis zu erhalten.
Dieser Skandal hinderte ihn jedoch nicht daran, die Allgemeine Militärakademie der Russischen Streitkräfte zu besuchen. Anstatt ein Kriegsschiff zu befehligen, entschied sich Waleri Sablin, ein politischer Offizier zu werden, der für die politische Bildung des Personals verantwortlich war.
1973 wurde Kapitän Waleri Sablin als politischer Offizier auf der neuesten U-Boot-Fregatte der Burewestnik-Klasse, Storoschewoi, dem besten Schiff der sowjetischen Ostseeflotte, eingesetzt. Sablin entschied, dass dieses Kriegsschiff die perfekte Plattform wäre, seine Ideen mit dem Land zu teilen.
Leninistische Revolution
Während seines zweijährigen Dienstes auf der Storoschewoi sprach Waleri Sablin mit der Besatzung und teilte seine Gedanken mit ihnen auf der Suche nach Verbündeten. Im November 1975, als die Sowjetunion den 58. Jahrestag der Revolution feierte, entschied Sablin, dass die Zeit reif war.
Am achten November isolierte und sperrte Sablin den Kapitän des Schiffes ein, rief die Offiziere zusammen und hielt vor ihnen eine Rede. Er sagte, dass die sowjetische Führung aufgehört habe Lenins Idealen zu folgen und dass das Land in Korruption und Inkompetenz versunken sei.
„Das große Russland sollte der führende Staat der Welt sein, nicht ein hungriges Land unter Breschnew“, sagte er und fügte hinzu, dass das Land eine neue Revolution brauche.
Die Offiziere, die es ablehnten, Sablin beizutreten, wurden verhaftet und zusammen mit dem Kapitän eingesperrt. Danach hielt Sablin die gleiche Rede vor der Mannschaft.
„Es ist an der Zeit, Gerechtigkeit zurückzubringen. Unser Auftritt ist nur ein kleiner Impuls, der große Taten folgen lassen wird", sagte er.
Seemann Alexander Schein, der Sablins wichtigster Helfer wurde, sagte später aus: „Seine Rede hat uns enorm inspiriert. Alles, was wir heimlich unter uns diskutiert hatten, wurde plötzlich laut und offiziell ausgesprochen. Würde entstand in jedem von uns.“
Bald wurde das sowjetische Marinekommando über Sablins Forderungen informiert: die garantierte Integrität der Fregatte und der Besatzung, eine tägliche Gelegenheit, seine Meinung im Fernsehen und Radio zu äußern, und die Möglichkeit, persönliche Gespräche mit dem Volk zu führen.
Das Kriegsschiff verließ Riga und machte sich auf den Weg nach Leningrad, um neben dem Symbol der Russischen Revolution, dem Schlachtschiff Aurora zu ankern.
Als Leonid Breschnew erfuhr, was sich abspielte, gab er den Befehl, die Fregatte zu zerstören. Falls Sablin sein Schiff in schwedische Hoheitsgewässer navigieren würde, könnten streng geheime Waffen in die Hände westlicher Länder fallen. Dies konnte die sowjetische Führung nicht zulassen.
Ende des sowjetischen Don Quijote
Neun Schiffe der Ostseeflotte setzten die Segel, um Sablins Schiff abzufangen. Darüber hinaus tauchte bald eine Staffel von Yak-28-Bombern über der Fregatte auf. Es brauchte nur einen Angriff, um die Situation zu lösen.
Nachdem eine Bombe das Deck getroffen hatte, erkannte die Besatzung sofort, dass sie von einem auf den anderen Moment alle tot sein könnten. Die Matrosen verhafteten Sablin, befreiten den Kapitän, die anderen Gefangenen und informierten das Marinekommando, dass das Schiff unter ihrer Kontrolle stand.
Alexander Schein wurde zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Während Waleri Sablin auf sein Urteil wartete, malte er immer wieder ein und dieselbe Zeichnung: Don Quixote, der die Windmühlen bekämpfte.
Am dritten August 1976 wurde Waleri Sablin wegen Verrats an der Nation angeklagt und hingerichtet. 1994 wurde die Anklage in ein Kriegsverbrechen umgewandelt, aber ihm wurde eine postmortale Rehabilitation verweigert.
Offiziell war Sablins Reise ein Fluchtversuch nach Schweden und Tom Clancy wurde von eben dieser Geschichte für seines Buch Jagd auf Roten Oktober inspiriert.