Kampf gegen die Skeptiker
Wladimir Hawkin oder Waldemar Haffkine, wie er außerhalb Russlands besser bekannt ist, entwickelte Impfstoffe gegen gefährliche Krankheiten, die Millionen Menschen das Leben gekostet haben. Zunächst befasste er sich mit der Cholera. Haffkine forschte am Pariser Pasteurinstitut an einem Impfstoff, als Asien und Europa von der fünften Cholera-Pandemie heimgesucht wurden. Allein in Indien starben zwischen 1877 und 1890 an der Krankheit mehr als eine Millionen Menschen.
Selbst die Wissenschaftsgemeinde glaubte damals nicht daran, dass es gelingen könnte, einen Impfstoff zu entwickeln und vertraute mehr auf Hygienemaßnahmen. Diese weitverbreitete Überzeugung unter seinen angesehenen Kollegen konnte den jungen Forscher aus Russland aber nicht von seinem Ansatz abbringen. 1892 riskierte er sogar sein Leben, indem er den Impfstoff an sich selbst testete. Es war ein Erfolg. Die Nachricht wurde jedoch mit großer Skepsis aufgenommen. Selbst der berühmte deutsche Bakteriologe Robert Koch sagte, es sei „zu schön, um wahr zu sein“.
Höchste Hingabe
Die britische Regierung hatte dennoch Interesse an den Forschungsergebnissen Haffkines. Sie wollte die Ausbreitung der Cholera in der indischen Kolonie verhindern. Die Briten schickten ihn nach Indien. Haffkine organisierte die Produktion des Impfstoffes und er selbst half mit bei der Impfung von mehr als 40 000 Menschen. Es gelang, die Sterberate um das Zehnfache zu senken.
Als wäre die Choleraepidemie nicht schon Tragödie genug, brach in Mumbai 1896 die Beulenpest aus und die Regierung fragte wieder bei Haffkine an. In nur drei Monaten entwickelte er einen neuen Impfstoff. Einige seiner Mitarbeiter konnten bei so viel harter Arbeit, so viel Hingabe und dem Druck nicht standhalten und kündigten. Haffkine spielte erneut selbst Versuchskaninchen, bevor er den Impfstoff den Hindus vorstellte. Der erste Impfstoff bot zwar keinen vollständigen Schutz gegen die Krankheit, reduzierte jedoch das Infektionsrisiko um die Hälfte. Es war der erste wirksame Impfstoff gegen die Pest. Als Zeichen der Anerkennung seiner Errungenschaften wurde Haffkine 1897 zum Ritter geschlagen.
Glaube und Revolution
Haffkines wissenschaftliche Aktivitäten waren unabhängig von Russland, obwohl er im russischen Reich, auf dem Gebiet der heutigen Ukraine, geboren wurde. Er studierte in Odessa, doch da er Jude war, deren Rechte vor der Revolution 1917 eingeschränkt waren, gab es dort Schwierigkeiten für ihn. Um eine akademische Laufbahn verfolgen zu können, mussten jüdische Studenten zum orthodoxen Christentum konvertieren. Haffkine war religiös und wollte seinen Glauben nicht aufgeben.
Es gab noch weitere Gründe. Er sympathisierte mit dem linken Untergrund und träumte von einer sozialistischen Revolution in Russland. Dafür wurde er verhaftet. Aber als die Aktivisten den Terror gegen die zaristische Regierung für sich entdeckten, nahm er Abstand.
Millionen von Leben gerettet
Haffkine musste sich bei seiner Arbeit nicht nur mit der Skepsis seiner Kollegen auseinandersetzen, sondern auch mit dem Unglauben der Menschen, deren Leben er retten wollte. Als der russische Gelehrte gemeinsam mit einigen indischen Kollegen in einem Dorf in der Nähe von Kalkutta ankam, um dort den Impfstoff gegen Cholera zu verteilen, wurden sie von einem wütenden Mob umzingelt. Die Dorfbewohner verweigerten die Impfung. Sie drohten und warfen mit Steinen. Doch anstatt den Rückzug anzutreten, zog Haffkine sein Hemd aus und ließ sich vor den Augen der Dorfbewohner eine Spritze verpassen. Das machte Eindruck. Mehr als 100 Menschen ließen sich impfen. Keiner von ihnen erkrankte an Cholera.
Haffkines Pestimpfstoff wurde 1909 acht Millionen Menschen und 1940 bei 35 Millionen Menschen injiziert. Im Laufe der Zeit wurde aus dem von Haffkine in Mumbai gegründeten kleinen Labor eine riesige Forschungseinrichtung für Bakteriologie und Epidemiologie. Im Jahr 1925 wurde das Institut nach Haffkine benannt. Einer der Leiter des Instituts schrieb: „ Menschen in Indien haben sehr wohl erkannt (rus), dass Haffkine sie vor dem Tode gerettet hat und somit vor den schrecklichen Pestepidemien.“