Bär gegen Löwe: Fünf Vorfälle, die fast zum Krieg Russlands gegen Großbritannien geführt hätten

Legion Media, Nikolaj Karasin, Rosario Fiore/Flickr
Zwischen Russland und Großbritannien kam es im Laufe der Geschichte nur zweimal zu offenen militärischen Auseinandersetzungen. Doch es gab immer wieder Situationen, in denen sich Bär und Löwe gegenseitig an die Gurgel gegangen sind.

1. Russisch-Französische Kampagne in Indien (1801)

Im späten 18. Jahrhundert führte Frankeich zahllose Kriege gegen die Koalitionen europäischer Supermächte, innerhalb derer sich das russische und das britische Reich verbündeten.

Doch Zar Paul I. war unzufrieden mit dem Verlauf der militärischen Auseinandersetzungen. Er beklagte, dass die Briten Russland offenkundig nur benutzten, um ihre Ziele zu erreichen. Dabei würde sinnlos das Blut russischer Soldaten auf den europäischen Schlachtfeldern vergossen.

Im Jahr 1800 vollzog Paul I. einen radikalen Kurswechsel in der russischen Außenpolitik, indem er sich mit Frankreich verbündete und einen Krieg gegen die Briten vorbereitete.

Die Idee war, das „Reich, in dem die Sonne niemals unterging“ an der Wurzel seines Wohlstandes zu treffen – in Indien.

Nach dem Plan Napoleons sollte die 70 000 Mann starke russisch-französische Armee Indien von Südrussland aus über das Kaspische Meer und den Iran erreichen. Zudem sollten auch die Don Kosaken in großer Zahl beteiligt werden.

Die beiden Verbündeten hofften auf die Unterstützung der Paschtunen, Baluchis und anderer lokaler Stämme, die von den Briten unterdrückt wurden. Der Plan war, dass Nordindien unter russische Herrschaft gestellt werden sollte, während Frankreich den Süden für sich beanspruchen könnte.

Am 28. Februar setzten sich 25 000 Kosaken in Richtung der südlichen Grenzen Russlands in Bewegung. Doch elf Tage später wurde Paul I. von einer Gruppe Adeliger und Offiziere ermordet, mit der heimlichen Unterstützung der Briten. Die Kosaken wurden umgehend zurückbeordert und der Plan nie in die Tat umgesetzt.

2. Die Mission „Vixen“ (1886)

In den 1830er Jahren führte das russische Reich mehrere kräftezehrende Auseinandersetzungen gegen nordkaukasische Stämme. Die Aufständischen wurden von russischen und polnischen Emigranten unterstützt.

1836 griff ein russisches Patrouillenboot in der Nähe des Hafens von Sujuk-Qale im Schwarzen Meer die britische Korvette „Vixen“ an, die voll beladen war mit Munition für die Rebellen. Die Briten hatten bereits acht Kanonen, 28 800 Pfund Schwarzpulver und viele andere Waffen entladen.

Die Eroberung der „Vixen“ wurde von britischen Diplomaten und polnischen Emigranten in Konstantinopel geplant, um Spannungen zwischen den beiden Imperien zu provozieren. Das Schiff wurde beschlagnahmt und seine Besatzung unter dem Kapitän (und britischen Agenten) James Stanislaus Bell nach Konstantinopel verschleppt.  

Die Provokateure hatten ihr Ziel erreicht. In einem Anfall von Wut bereitete London sich auf einen Angriff vor. Doch die Briten fanden auf dem Kontinent keinen Verbündeten gegen Russland und die Auseinandersetzung war schnell vergessen.

3. Marsch auf Konstantinopel (1878)

Während des russisch-türkischen Krieges (1877-1878) war die russische Armee so erfolgreich, dass es ihr nach einigen herausragenden Siegen gelungen war, auf direktem Wege ins Herz des Osmanischen Reiches zu gelangen – nach Konstantinopel.

Der gefangene Osman Pascha, der die türkischen Truppen in Plewen befehligte, wird dem russischen Zaren Alexander II. vorgeführt.

Der Fall der osmanischen Hauptstadt war jedoch nicht im Interesse der Briten. Am 1. Februar eroberten die britischen Flotten unter Admiral Geoffrey Hornby die Dardanellen und das Parlament wurde gebeten, sechs Millionen Pfund bereitzustellen. Britannien bereitete sich auf einen Krieg vor.  

Die russische Armee hätte Konstantinopel einfach erobern können, doch Zar Alexander II. widerstand der Versuchung. „Konstantinopel wäre ein neuer Krieg“, sagte er. Die Russen waren ausgebrannt und nicht bereit für eine neue große Auseinandersetzung. So wurde ein Friedensvertrag mit den Osmanen geschlossen.

4. Der Panjdeh-Vorfall

Das Kräftemessen zwischen dem russischen und britischen Imperium um geopolitische Dominanz in Zentralasien spielte sich ohne nennenswerte Konflikte zwischen den beiden Supermächten ab. Erst durch den Panjdeh-Vorfall fanden sich beide Parteien am Rande einer militärischen Konfrontation wieder.

Im Jahr 1885 drangen russische Truppen in das Gebiet der Panjdeh-Siedlung des Emirats von Afghanistan ein, das sich damals unter dem britischen Protektorat befand. Diese zeigten sich über den Vormarsch der Russen in ihr Interessengebiet zutiefst besorgt und hielten den afghanischen Emir dazu an, die Russen zu vertreiben.

Die Schlacht endete mit einem fulminanten Sieg für die Russen. Die Briten zeigten sich daraufhin zwar bereit, einen Krieg zu beginnen, wurden aber von russischen Diplomaten davon abgehalten, da sie die Nachricht überbracht bekamen, dass das russische Reich seine Expansion in die Region stoppen würde.

5. Der Doggerbank-Zwischenfall (1905)

Russlands Krieg gegen Japan hätte noch weitaus schlimmer verlaufen können, als Großbritannien die Bereitschaft äußerte, für Japan Partei zu ergreifen.

Das geschah vor allem deshalb, weil das russische Marinegeschwader, nachdem es von der Ostsee in den Fernen Osten aufgebrochen war, beinahe einen Krieg mit den Briten begonnen hätte.

Die russischen Kriegsschiffe hatten, unweit der englischen Küste, lokale Fischdampfer beschossen, die sie bei Nacht und Nebel versehentlich für die japanische Flotte gehalten hatten. Infolgedessen kamen mehrere Fischer ums Leben; ein Fischdampfer wurde versenkt.

Britische Fischer in Paris, wo die Kommission tagte

Die empörten Briten bezeichneten das russische Marinegeschwader daraufhin als eine „Flotte von Wahnsinnigen“ und begannen, die ersten Kriegsmaßnahmen zu treffen. Glücklicherweise konnten die Russen jedoch mit einer Entschädigung der Fischer den Streit am Ende mit friedlichen Mitteln beilegen.

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