Die schlimmsten Fälle von Lebensmittelbetrügereien im zaristischen Russland

МАММ/МDF/Russia in photo, Freepik
Sie denken, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel das schlimmste sind, was es gibt? In früheren Zeiten waren Lebensmittelbetrüger sehr einfallsreich und brauten so manche Scheußlichkeit zusammen.

Im 18. Jahrhundert gab es unter Peter dem Großen die ersten Dekrete, um Händler zu kontrollieren, damit diese kein faules Fleisch verkaufen konnten. Doch das Problem konnte auch durch eine verstärkte Überwachung nicht gelöst werden. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde daher eine Reihe von Strafgesetzen eingeführt. Im Jahr 1855 stand eine Geldstrafe von 100 Rubel oder eine einmonatige Gefängnisstrafe auf „Vorbereitung zum Verkauf von gesundheitsschädlichen oder verdorbenen Lebensmitteln oder Getränken".  

Die Dekrete wurden in der Regel nach Massenvergiftungen oder Beschwerden von Angehörigen der privilegierten Klassen erlassen. Sie sollten Lebensmittelfälschung verhindern, die zu dieser Zeit vor allem Brot, Fleisch, Honig, Zucker und Muttermilch-Surrogate betraf. Üblicherweise setzten die Betrüger der Milch Kalk zu oder Zucker blauen Farbstoff, um seine Farbe besser wirken zu lassen. Olivenöl bestand nicht aus Oliven, sondern aus Sesam- und Leinöl. Essig wurde für einen extra sauren Geschmack mit Salz- oder Schwefelsäure versetzt, Kaviar wurde für mehr Volumen in Wasser oder Bier getränkt.

Welche Fälle von Lebensmittelbetrug machten damals Schlagzeilen?  

1. Die Gebrüder Popow und der falsche Tee

Tee kam aus China nach Russland. Von den sibirischen Städten nahe der chinesischen Grenze aus wurde er im Land verteilt. Zar Alexander I erlaubte 1821 den Ausschank von Tee in Tavernen und Restaurants. In Moskau und den anderen großen Städten setzte daraufhin ein wahrer Tee-Boom ein. Einige Kaufleute machten damit ihr Vermögen und schreckten auch nicht vor fiesen Tricks zurück, um noch mehr Geld zu verdienen. Dem Tee wurden Äste und Blätter zugefügt, auch die anderer Pflanzen wie Birke und Eberesche. Diese Mischung wurde als original chinesischer Tee verkauft. Auch sollen einige Händler gebrauchte Teeblätter in Tavernen eingesammelt und wiederaufbereitet haben. Sie wurden getrocknet und mit Kupfer, Graphit oder Ruß und frischen Teeblättern gemischt und wieder verkauft. Damit er mehr wog, wurde der Tee nass gemacht oder sogar mit Bleispänen versetzt.  

Im späten 19. Jahrhundert sorgte der Fall Popow für Aufsehen. Die Brüder Alexander und Iwan Popow, beides Händler, verkauften gefälschten Tee mit Etiketten, die denen der damals renommierten Teehändler Gebrüder K. und S. Popow zum Verwechseln ähnlich sahen. Im Prozess um den Etikettenschwindel nahm Alexander alle Schuld auf sich. Er kam in sibirische Verbannung. Sein Bruder wurde freigesprochen.

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2. Kaffeebohnen aus Gips

Kaffeebohnen waren ein Luxus und bei Gourmets und Betrügern gleichermaßen gefragt. Im Sankt Petersburg des späten 19. Jahrhunderts kannte die Phantasie bei der Fälschung von Kaffeebohnen keine Grenzen. Einige Betrüger bastelten sie aus Ton und Gips. Für den typischen Duft wurden die Säcke, in denen die gefälschten Bohnen verkauft wurden, zuvor in Kaffee gebadet.

In einem Gesllschaftsraum in Moskau von Boris Kustodijew

Der Polizei gingen ganze Landstreicherbanden ins Netz, die unter unhygienischen Bedingungen Kaffeebohnen aus Weizen-, Gersten-, Bohnen- und Maisteig herstellten und in Melasse rösteten. Ein weiterer fragwürdiger Standard bei der Herstellung von Instantkaffee war die Zugabe von gesiebtem Straßenstaub, der 30 bis 70 Prozent des Produkts ausmachen konnte. Andere Hersteller fügten ihrem Kaffee auch Chicorée, Gerste oder Eicheln hinzu.

3. Giftige grüne Erbsen

Grüne Erbsen kamen Anfang des 18. Jahrhunderts durch Ausländer nach Russland. Schnell wurden sie beliebt und teuer. In den späten 1880er Jahren gab es in Sankt Petersburg einige Fälle von Massenvergiftungen, teils mit tödlichem Ausgang. Ursache waren Dosenerbsen, denen giftiges Kupfersulfat zugesetzt worden war. Dadurch sollten Mängel im Produktionsprozess verschleiert werden und den Erbsen zudem die typische grüne Farbe verliehen werden. Bis zu 1 000 Menschen wurden Opfer dieser giftigen Methode. Schnell waren die Verursacher identifiziert. Sie kamen für 15 Jahre ins Gefängnis.

Die Polizei auf dem Sucharewski-Markt

4. Butter und Margarine mit Karottengeschmack

Butter war ein teures Produkt und so wurde sie von skrupellosen Händlern mit Schweine- oder Rinderfett oder sogar mit Stärke, Seifenwasser oder Fischleim gestreckt. Als Ersatz für Butter entstand 1902 aus einer Mischung von tierischen und pflanzlichen Fetten ein günstigeres Produkt – Margarine, doch auch die rückte bald ins Visier der Lebensmittelfälscher. Einige Hersteller setzten ranziger Ware Karottensaft zu, damit diese eine schöne Farbe hatte. Doch schon bald erhielt das Ministerium Hinweise auf die ranzige Ware und umfangreiche Inspektionen folgten. Dabei stellte sich heraus, dass nur die Hälfte der getesteten Margarinen unverfälscht war.

5. Bier

„Wenn Bier sauer wird, geben sie Kalk hinein. Wie Sie sehen können, mein Herr, kommen der Geruch und die Optik beim Kunden sehr gut an”, zitiert der Chronist Jewgeni Iwanow in seinem 1903 erschienen Buch „Moskau Bon Mot” einen Wirt. In Proben aus abgefülltem Bier in Moskau und Sankt Petersburg wurden giftige Zusätze gefunden: Salicylsäure und Borsäure und Calciumsulfat. Schwefelsäure wurde verwendet, um Bier heller zu machen, während Glycerin merkwürdigen Geschmack verdecken und für die üppige Schaumkrone sorgen sollte. Billigere Biersorten enthielten zudem auch Bleichmittel, Wermut und Aloe. Viele Kunden überlebten den Genuss der so gepanschten Biere nicht.  

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