Wie die Schokofabrik "Abrikosow" die Revolution und den Zweiten Weltkrieg überstand

Courtesy of Dmitry Abrikosov
Wer hätte gedacht, dass das, was mit kleinen Leckereien begann, die ein Leibeigener für seine Hausherrin zubereitete, sich zu einer der größten Süßwarenfabriken Russlands entwickeln würde. Russia Beyond ist der Geschichte auf den Grund gegangen.

Die „A. I. Abrikosov & Sons Company“ ist ein bedeutendes Süßwarenunternehmen, das eine lange Geschichte und eine der größten Fabriken in Moskau besitzt. Andere große Fabriken sind unter anderem „Einem“ („Der Rote Oktober“), das „Lenowych Handelshaus“ („RotFront“), „Siu“ und „К°“ („Bolschewik“). Allerdings wissen nur wenige, dass die Geschichte dieses Unternehmens mit kleinen, einfachen Leckereien begann, die ein Leibeigener namens Stepan aus einem kleinen Dorf im Gouvernement Pensa für seine Hausherrin zubereitet hatte.

Gouvernement Pensa

Dazu benutzte er Lebensmittel, die im eigenen Bauerngarten wuchsen. Vor allem seine Aprikosenmarmelade und -süßigkeiten kamen besonders gut an. Wie es bei Leibeigenen üblich war, hatte Stepan keinen Nachnamen, wurde jedoch aufgrund seiner Fähigkeit, Aprikosendesserts zuzubereiten, mit der Zeit Abrikosow genannt, so dass seine Nachkommen „Abrikosow“ offiziell als Familiennamen annahmen.

Einige Zeit später schickte ihn die Hausherrin nach Moskau, wo er sein eigenes Geschäft eröffnen konnte und ihr den Leitzins in jährlichen Raten zurückzahlte. Sein Geschäft war so erfolgreich, dass er nach einigen Jahren genug Geld hatte, um für sich und seine Familie die Freiheit zu erkaufen. Im Jahr 1804 zog Abrikosow mit seiner Familie endgültig nach Moskau.

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Ein Familienunternehmen

Die Familie Abrikosow bestand aus Stepan, seiner Frau Fjokla sowie den gemeinsamen Kindern Iwan, Wassilij und Daria. Die Familie belieferte wichtige Empfänge und Hochzeiten von Kaufleuten, sodass ihr Ruhm und Vermögen stetig zunahmen und Stepan einen eigenen Lebensmittelladen, der Obst und Süßigkeiten verkaufte, eröffnete.

Nach Stepans Tod übernahm sein Sohn Iwan Stepanowitsch und später sein Enkel Aleksej Iwanowitsch Abrikosow die Leitung des Geschäfts. Da das Unternehmen weiter wuchs, musste die Produktion ausgebaut und mechanisiert werden. Die Fabrik verwendete zuerst Maschinen, um die Mandeln raspeln und die „Montpensier“-Bonbons herstellen zu können. Zu diesem Zeitpunkt arbeiteten dort 24 Personen, während Aleksej Iwanowitsch weiterhin persönlich die Beeren und Früchte für seine Süßigkeiten einkaufte.

Auch das Produktionsvolumen stieg stetig an. Im Jahr 1871 betrug die jährliche Produktion der Fabrik 445 Tonnen, in 1872 bereits 512 Tonnen und machte sie neben „Einem“, „Siu“ und „K°“ zu einer der größten Süßwarenproduzenten Russlands.

Der Wettbewerb auf dem Süßwarenmarkt zwang die Familie Abrikosow, ihre Produktionsmethoden stetig zu verbessern. Im Jahr 1873 kaufte das Unternehmen eine Dampfmaschine, die die Produktion in verschiedene Werkteile aufteilte. In den 1880er Jahren wurde die Firma zum größten Süßwarenunternehmen in Moskau und zu einem der fünf führenden Unternehmen in Russland, die 50 Prozent aller Süßwaren im Land produzierte.

Die Geheimnisse des Erfolgs

Um den Verkauf zu steigern, machten sie aktiv Werbung, platzierten Anzeigen in Zeitungen, ließen Plakate an Gebäudefassaden anbringen und verteilten Taschenkalender, die das Firmenlogo enthielten. Der größte Stolz des Unternehmens war jedoch die Verpackung.

(v.l.n.r): Aleksej Abrikosow, Brüder Aleksej und Nikolai, Iwan Abrikosow (Sohn von Aleksej)

Die vielseitigen Kartons und Dosen aus Metall, Pappe und Holz mit Originalzeichnungen eigneten sich nicht nur, um die Süßigkeiten aufzubewahren, sondern wurden von Kunden oft als Münzsammelbehälter oder einfach als Dekorationsgegenstand im Haus benutzt.  

Im Jahr 1899 gewann die „A.I. Abrikosov & Sons Company“ zum dritten Mal den ersten Platz auf der „Allrussischen Kunst- und Industrieausstellung“ und wurde mit dem Ehrentitel „der offizielle Lieferant des Zarenhofs“, ausgezeichnet. Dieser Titel erlaubte es, das Hauswappen der Romanows auf die Verpackung zu drucken. Um dieses Nutzungsrecht zu erwerben, musste das Unternehmen zehn Jahre lang für den Staat produzieren und durfte sich keine Fehler erlauben. So wurde das Unternehmenslogo zu einem Qualitätssymbol.

Die Fabrik bestand aus mehreren dreistöckigen Backsteingebäuden an der Ecke der Bolschoj- und Malyj-Uspenskij-Gasse. Im ersten Stock befanden sich die Schokoladen- und Apfelwerkstätten, im zweiten eine „Pastila“- und im dritten eine Karamell-Werkstätte. Nebenan wurden die Produkte verpackt, dort befand sich auch ein Schlafsaal für die Arbeiter. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts arbeiteten fast 2 000 Menschen in der Fabrik, die Süßigkeiten, Marmelade, Lebkuchen und andere Süßwaren herstellte.

Die Fabrik nach der Revolution

Die Oktoberrevolution von 1917 und der Bürgerkrieg unterbrachen die Aktivität der „A. I. Abrikosov & Sons Company“. Die Produktionszahlen gingen stark zurück, im Jahr 1918 wurde die Fabrik verstaatlicht und in „Staatliche Süßwarenfabrik Nummer zwei“ umbenannt. Im Jahr 1922 wurde die Fabrik anschließend von „Pjotr Akimowitsch Babaew“, dem Vorsitzenden des Exekutivkomitees des Bezirks Sokolniki, aufgenommen und wurde in die „P.A. Babajew Arbeiterfabrik“ umbenannt. Der Verpackung wurde jedoch die Aufschrift „ehemalige ‚Abrikosow‘-Fabrik“ hinzugefügt, um mit der Qualität der alten Marke zu werben und den Kundenstamm zu halten.

Im Jahr 1928 begannen die Moskauer Konditoreien, die Produktpalette des Unternehmens aufzuteilen. Schokolade wurde nun in der Fabrik „Der Rote Oktober“, die Kekse in „Bolschewik“-Fabrik und das Karamell in der „Babajew“-Fabrik hergestellt. Aus Deutschland wurden zudem Spezialapparate bestellt, um den Karamellsirup kochen zu können.

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Zweiter Weltkrieg

Zu Kriegsbeginn gingen viele Fabrikarbeiter an die Front. Die Produktion wurde an die Bedürfnisse der Armee angepasst und die Fabrik produzierte verschiedene Breiarten aus Hirse, Buchweizen und Reis in Briketts. Die Produktion von Süßigkeiten wurde erst nach dem Krieg wieder aufgenommen.

Die Süßwarenfabrik Babajewski ist in der ehemaligen Villa der Abrikossow-Dynastie in der Krasnosselskaja-Straße in Moskau untergebracht.

Als Kriegsreparationszahlung übergab Deutschland die Industrieausrüstung seiner Fabriken der Sowjetunion. Ein Teil dieser Ausrüstung wurde der „Babajew“-Fabrik übergeben, um wieder eine Schokoladenproduktion zu ermöglichen. Die Fabrik produzierte fortan eine Reihe von Süßwaren, deren Volumen und Typ vom Staat bestimmt wurden und wurde mit einer stetig wachsenden Schokoladenabteilung Anfang der 70er Jahre zu einer der größten Süßwarenfabriken des Landes.

Die Fabrik heute

Der Anfang der 1990er Jahre war eine schwierige Zeit für die Süßwarenfabrik. Durch den Zusammenbruch der Sowjetunion existierten die etablierten landwirtschaftlichen Beziehungen zwischen Unternehmen und den ehemaligen Sowjetrepubliken, die Rohstoffe lieferten, nicht mehr. Auch die Produktionsmenge ging zurück, dennoch setzte die Fabrik ihre Arbeit weiter fort, sodass Ende der 1990er Jahre die Babajew-Fabrik einen Wiederaufstieg schaffte, indem sie unter anderem Süßigkeiten der sowjetischen Marken wie „Alenka“ und „Wdochnowenije“ produzierte.

Im Jahr 1993 gründeten die Nachkommen Aleksej Iwanowitsch Abrikosows schließlich die „A. I. Abrikosov & Sons Company“.

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