Knjas und Druschina
Ein Knjas (Fürst) war der erste Typ russischer Herrscher. Lange vor der tatarisch-mongolischen Invasion wurden Teile des Landes von Fürsten regiert, deren Einfluss lokal begrenzt war.
Ihre Hauptaufgabe für die Gesellschaft bestand darin, die Bevölkerung vor Invasoren und Eroberern sowie vor inländischen Schurken zu schützen. Der Knjas wurde von seiner Druschina, seiner Leibwache, geschützt und unterstützt. Für den Schutz durch den Fürsten leisteten die Bewohner des Fürstentums einen jährlichen Obolus. Auf sein Handeln hatten sie jedoch keinen Einfluss.
Tatarisch-Mongolischer Einfluss
Nachdem die tatarischen Mongolen die Rus geplündert und versklavt hatten, unterstanden auch die Fürsten den Tataren. Um als Fürst auf russischem Gebiet anerkannt zu werden, musste man der Goldenen Horde aufwändige Geschenke machen. Nur dann erhielt man eine Jarlig, eine Erlaubnis zu regieren. Die russischen Fürsten, die zu Hause anerkannt und geachtet waren, mussten sich oft erniedrigen für die Erlaubnis, so mussten sie etwa auf Knien zum Kahn gehen.
Die Goldene Horde hat das politische System schon früh beeinflusst. Das oft rücksichtslose und hinterhältige Vorgehen der tatarischen Khans wurde von den frühen Fürsten der Rus übernommen und im Feudalkrieg eingesetzt.
Doch das Land brauchte Einheit, um sich vom tatarischen Joch zu befreien. So gewannen nach und nach die Moskauer Fürsten an Einfluss. Großfürst Iwan der Große von Moskau gelang diese Einigung. Er nannte sich bereits Zar, ein Titel, den die Russen aus dem Osten übernommen hatten. Statt einer Druschina ließ sich der Zar von den Bojaren, wohlhabenden Grundbesitzern und Militärkommandeuren, unterstützen.
Die Zeit der Zaren
Der erste offizielle Zar Russlands, Iwan der Schreckliche, hatte erkannt, dass das riesige Territorium, das er kontrollierte, sehr vielfältig war und es unterschiedliche Ziele und Interessen gab. Um 1549 berief Iwan einen Semski Sobor, eine Ständeversammlung, in Moskau ein.
Russische Historiker halten dies für eine frühe Form der repräsentativen Demokratie. Zwar seien die Teilnehmer der Versammlung nicht gewählt worden, aber zumindest auserwählt gewesen. Von 1549 bis 1684 fanden etwa 60 solcher Versammlungen statt, auf denen wichtige Fragen den Staat betreffend diskutiert wurden.
Der Zar und die Bojaren waren zu weit weg von den Randgebieten des Landes und konnten nicht effektiv herrschen. So entstand im 17. Jahrhundert der russische Landadel. Er setzte sich aus Militärs zusammen, die dem Zaren und seinen Bojaren treu ergeben waren und im Austausch Land erhielten. Sie durften Leibeigene haben, die im Krieg wiederum zu Militärs wurden. Die Ständeversammlungen hatten keinen Nutzen mehr. Im ganzen Land diente nun der Adel dem Zaren und seinen Bojaren, die die ranghöchsten Adeligen waren. Sie hatten einen großen Einfluss auf die Politik und den Zaren. Die Interessen der Bevölkerung vertrat diese Elite jedoch selten.
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Kaiser und Hofstaat
Eine Regierung im europäischen Stil hat es in Russland unter Peter dem Großen gegeben. Er begrenzte den Einfluss der bis dahin übermächtigen Bojaren massiv. Nun gab es nur den Zaren - einen ultimativen Souverän. Alle anderen waren seine Untertanen. Peter verpflichtete alle Adligen beim Militär oder in der Verwaltung, dem Staat zu dienen. Er errichtete ein europäisch geprägtes Rechts- und Regierungssystem, mit staatlich kontrollierten Kollegien (Ministerien), dem Senat und der Kirche. Peter der Große schaffte die alten Eliten ab und erschuf eine neue. Er verschenkte großzügig Land und führte den Erbadel ein.
Während des größten Teils der 200-jährigen Geschichte des russischen Reiches war das Kräfteverhältnis wie folgt: Der Adel war abhängig von den Leibeigenen, die Nahrung und Güter produzierten. Der Staat war abhängig von dem Adel, der in der Armee kämpfte und Wirtschaft und Technologie vorantrieb. Das ohnehin immer etwas instabile Gleichgewicht brach zusammen, als die Leibeigenschaft in Russland abgeschafft wurde.
Sowjetzeit
Die russischen Bauern zahlten einen harten Preis für ihre Freiheit - sie mussten das Land, das sie nutzen wollten, vom Staat kaufen. Das führte zu noch mehr Armut in der Bevölkerung. Der Adel hatte seine Haupteinnahmequelle verloren und ging langsam unter.
Die bolschewistische Revolution hob die alte Ordnung auf, doch das sowjetische System war weitgehend eine Kopie des zaristischen. Die Kommunistische Partei wurde der neue Adel, der auf allen Ebenen mit dem Staatsapparat verschmolzen war. Offiziell wurden die Parteifunktionäre vom Volk gewählt, doch tatsächlich wurden sie vom Sowjetführer und seinen „Bojaren”, dem Politbüro, ernannt. Während im zaristischen Russland der Erbadel eine einmal erlangte Stellung über Generationen zementierte, war es in der Sowjetunion mit der besonderen Position schnell vorbei, wenn man aus der Partei geworfen wurde.
Auch die sowjetischen Beamten hatten nicht unbedingt das Wohl der Bevölkerung im Blick, sondern vor allem die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse, manchmal auch auf Kosten der Bevölkerung. Einige Beamte waren korrupt und bereicherten sich durch Bestechlichkeit und Diebstahl. Dieses System war zum Scheitern verurteilt.
Russische Föderation
Nach 1991 wurde die Russische Föderation eine Präsidialrepublik. Das Volk wählt die Legislative, das Parlament (die Föderationsversammlung mit Oberhaus und Unterhaus) und die Exekutive (den Präsidenten, der der vom Premierminister vorgeschlagenen Regierung zustimmen muss). Damit ein Gesetz verabschiedet werden kann, müssen sowohl Parlament als auch Präsident zustimmen. Die Machtzweige kontrollieren sich gegenseitig. Die Legislative, die allen Gesetzen zustimmen muss, kann der Regierung das Misstrauen aussprechen und Reformen fordern. Andererseits kann der Präsident die Staatsduma, das Unterhaus der Föderationsversammlung, jederzeit auflösen und der Föderationsrat (das Oberhaus) kann den Präsidenten anklagen.