Sechs Fakten über den bekanntesten Turm des Moskauer Kremls

Geschichte
KSENIA SUBATSCHJOWA
Der Erlöserturm ist heute eines der markantesten Wahrzeichen der russischen Hauptstadt. In seiner langen Geschichte war er schon eine kleine Festung, ein Prunkportal und ein Gefängnis.

1. Der Erlöserturm wurde 1491 vom italienischen Architekten Pietro Antonio Solari erbaut und gilt als Hauptturm des Kremls. Seine Tore waren der Bevölkerung heilig. Zu Zarenzeiten wurden dem Turm sogar magische Kräfte zugeschrieben. Ein jeder zollte ihm Respekt, stieg vom Pferd und nahm die Kopfbedeckung ab, bevor er durch die Tore schritt. Der Erlöserturm war das Prunkportal für Könige und Diplomaten. Hier begannen religiöse Prozessionen und von hier aus zogen die Soldaten in den Krieg. 

2. Der Turm hieß ursprünglich „Frolowskaja“, denn er befand sich in der Nähe der heute nicht mehr existierenden Kirche der Heiligen Frol und Lawr. Im April 1658 wurde er aufgrund eines Ukas (Anordnung) von Zar Alexei Michailowitsch in Erlöserturm umbenannt, zu Ehren der Ikone von Christus dem Erlöser aus Smolensk, die über dem Durchgangstor aufgestellt wurde. 

3. Wie die anderen Türme diente auch der Erlöserturm ursprünglich der Verteidigung. Er war eine Festung in der Festung. Wenn der Feind die ersten Mauern überwunden hatte und nun durch die Tore des Turms ins Innere des Kremls vordringen wollte, schlossen sich diese und der Feind saß fest. Die mehrstufige Bauweise, Katakomben und zahllose Schlupflöcher erlaubten es, vom Erlöserturm aus auch die anderen Türme zu verteidigen. Im 17. Jahrhundert, zur Zeit der Wirren, diente er auch als Gefängnis. 

4. Einer Legende nach wagte es Napoleon 1812, nach der Eroberung Moskaus, das Tor des Erlöserturms entgegen der Tradition mit seinem berühmten Dreispitz auf dem Kopf zu durchschreiten. Eine Windböe erfasste den Hut. Das sollte ein schlechtes Omen sein, wie sich später bewahrheitete. Als die Franzosen den Rückzug aus Moskau antraten, befahl Napoleon, den Erlöserturm zu sprengen. Doch die Don Kosaken waren rechtzeitig zur Stelle und löschten die bereits brennenden Lunten. 

>>> Warum Napoleon den Kreml nicht in die Luft sprengen konnte

5. Der Turm war früher deutlich niedriger. Ab 1625 wuchs er durch verschiedene Erweiterungen, die mit dem Bau eines mehrstufigen Daches ihren Anfang nahmen, in die Höhe. Architekt war der Russe Baschen Ogurzow. Der Engländer Christopher Galloway entwarf zur gleichen Zeit die erste Uhr des Turms. 

Gekrönt wurde der Turm mit dem Doppeladler, dem Wappen des Russischen Reiches. Dieser wurde 1935 durch den rubinroten Stern ersetzt. Mit Stern ist der Turm 71 Meter hoch. Er hat zehn Stockwerke. 

6. Der Erlöserturm und seine Uhr sind nicht nur ein Wahrzeichen des Moskauer Kremls. Auch bei den Feierlichkeiten zu Neujahr spielt er eine entscheidende Rolle. Erst, wenn die Uhr am Erlöserturm Mitternacht zeigt, beginnt für die Russen das neue Jahr. 

Die erste Uhr erhielt der Turm im 15. Jahrhundert. Spätere Modelle spielten von „Oh, Du lieber Augustin“ bis zur Internationale verschiedene Melodien. Von 1938 bis 1996 blieb die Uhr stumm. Heute hat sie neben der russischen Nationalhymne den Finalchor aus Glinkas Oper „Ein Leben für den Zaren“ im Repertoire. 

>>> Dreh- und Angelpunkt: Die bewegte Geschichte vom Roten Platz in Moskau