Dreh- und Angelpunkt: Die bewegte Geschichte vom Roten Platz in Moskau

Pixabay; Archivfoto
Einst hieß der weltberühmte Platz einfach nur „Der Markt“ oder auch „Feuersbrunst“. Später gab es hier Löwen und eine Straßenbahnlinie. Heute steht hier eine historische Shoppingmall gegenüber einem Friedhof für die sowjetische Elite.

Viele glauben, dass der Rote Platz seinen Namen der Farbe seiner Gebäude verdankt. Andere bringen den Namen sogar in Verbindung mit dem Kommunismus. Eine dritte weitverbreitete Theorie geht davon aus, dass der Name „Roter Platz“ (russisch Krasnaja Ploschtschad) aus der altrussischen Bezeichnung für „Schöner Platz“ (Krasiwaja Ploschtschad) entstanden ist. Doch auch diese Theorie ist falsch.

Wie entstand der Platz?

Der Rote Platz in der Zeit von Iwan dem Schrecklichen

Moskau ist eine alte Festungsstadt. Entsprechend ist es nicht verwunderlich, dass eines der ersten Gebäude die Festung auf dem Borowitski-Hügel war. Aus dieser Festung entstand später der Kreml. Östlich des Baulandes, also dort wo heute der Rote Platz ist, befand sich damals ein riesiger Acker. Über die Jahre wurde die Festung – und mit ihr die Stadt – bedeutender und reicher. Auch außerhalb der Festungsmauern entstanden Gebäude. Diese Siedlungen nannte man im alten Russland „Possad“.

Im Falle eines Krieges konnten sich die Bewohner dieses Possads ins Innere der Festung retten. Daher waren diese Siedlungen sehr beliebt und auch das Moskauer Possad bekam immer mehr Einwohner. Die Festungsstadt war inzwischen so stark gewachsen, dass sie einen Marktplatz benötigte. Idealerweise gab es eine freie Fläche ganz in der Nähe des Kremls und der Moskwa (letzteres vereinfachte den Transport von Gütern erheblich): Den heutigen Roten Platz. In der Anfangsphase nannte man diesen allerdings noch „Torg“ (russisch für Markt).

Alewis-Graben und der Nikolskaja-Turm

Urkundlich nachweisbar ist der Platz mindestens seit dem Jahr 1434. Historiker streiten sich darüber, ob der Platz in irgendeiner Art und Weise „gewollt entstanden“ ist oder ob er sich ganz natürlich zum Marktplatz und Treffpunkt entwickelte. Am wahrscheinlichsten gilt die zweite These.

Ein weiterer verbreiteter Name für den Platz war „Poschar“ (Feuersbrunst). Dieser ungewöhnliche Name entstand jedoch nicht dadurch, dass der Platz regelmäßig brannte. Vor dem 16.-17. Jahrhundert standen auf dem Moskauer Hauptplatz meistens nur die Zelte der Verkäufer und keine großen Gebäude, die "brennen" konnten. Der Name kann sich aber auf die Hektik eines Marktplatzes beziehen.

Bereits zu Beginn des 16. Jahrhunderts fungierte der Platz als Zentrum der Stadt. Hier wurden Nachrichten und Tratsch ausgetauscht und große Politik gemacht. Wer wissen wollte, was sich aktuell in der Stadt abspielte, begab sich zum Roten Platz. 1508 wurde der Platz vergrößert – im Auftrag von Iwan dem Großen baute der italienische Architekt Aloisio der Neue den sogenannten Alewis-Burggraben. Dieser war über 30 Meter breit, 206 Meter lang und 12-13 Meter tief. Durch den Graben wurde der Kreml eine Insel, begrenzt durch die Moskwa, die (heute unterirdisch verlaufende) Neglinnaja und den neuen Burggraben.

Der Rote Platz in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts

Ein Teil des Grabens in der Nähe des Woskressenski-Tores wurde später zu einer Stallung der besonderen Art. Der Zar hielt hier Tiger und Löwen, die er von Herrschern aus dem Osten geschenkt bekommen hatte. Auch ein Gehege für die Elefanten des Zaren befand sich dort.

1561 entstand eines der russischen Wahrzeichen schlechthin: Die Basilius-Kathedrale. Seitdem dominiert die in Gedenken an den Sieg über das Khanat von Kasan errichtete Kirche die Architektur des Platzes.

Woher kommt der Name?

Facettenpalast (Granowitaja Palata)

Der Name „Roter Platz“ tauchte erstmals Mitte des 17. Jahrhunderts in zivilen Dokumenten auf. 1658 befahl Zar Alexis, der Vater von Peter dem Großen, zahlreiche Straßen und Plätze in Moskau umzubenennen. Dennoch wurde der Rote Platz 1659 auch in offiziellen Dokumenten noch unter dem Namen „Poschar“ erwähnt. Erst ab 1661 setzte sich die Bezeichnung „Roter Platz“ durch.

Es wird angenommen, dass der Name von der sogenannten Roten Treppe stammt, die zum Facettenpalast, in dem die Moskauer Zaren ihre Empfänge abhielten, gehörte. Die Farbe Rot war ein traditionelles Symbol für die Zarenmacht, selbst die Wände im Schlafzimmer des Herrschers waren rot. Bei religiösen und politischen Feiern schritt der Zar von der Roten Treppe hinab und redete zum Volk. So kam es, dass auch der Platz gegenüber der Roten Treppe als Roter Platz bekannt wurde.

Das Woskressenski-Tor

Zu dieser Zeit war der Rote Platz immer noch ein riesiger Markt. Es gab Verkaufsbereiche für Kuchen, Honig, Kleidung, Metallwaren, Töpferware, Fleisch und vieles mehr. Doch der Trubel hatte auch seine Schattenseiten. Je mehr Läden und Zelte es gab, desto häufiger und schwerwiegender wurden die Brände. In den 1640er-Jahren entstand daher die erste steinerne Markthalle, genannt Gostiny Dwor. Von nun an zogen viele Händler in die neuen, weniger feueranfälligen Hallen. Schon Ende des 17. Jahrhunderts gab es keine hölzernen Gebäude mehr. Zudem bekam der Platz einen schönen Nordeingang: Das Woskressenski-Tor. 1698 verbot Peter der Große sämtliche Marktstände auf dem Platz.  

Der Rote Platz wird rechteckig

Trotzdem blieb der Rote Platz das Zentrum Moskaus. Neue Gesetze und Verordnungen wurden vom Lobnoje Mesto, einem Steinsockel in der Nähe der Basiliuskathedrale verkündet. Auch die berüchtigtsten Kriminellen wurden dort hingerichtet.

Anfang des 19. Jahrhunderts veränderte der Platz erneut sein Gesicht. Der Alewis-Graben wurde zugeschüttet und man pflasterte den Platz mit Kopfsteinpflaster. Zudem errichtete man wieder ein paar hölzerne Marktstände.

Das Staatliche Historische Museum auf dem Roten Platz

1875 wurden einige obsolet gewordene Gebäude in der Nähe des Woskressenski-Tores abgerissen, um an deren Stelle das neue Staatliche Historische Museum zu errichten. Das 1883 fertiggestellte Gebäude mit seiner pseudo-altrussischen Architektur und dem roten Klinker harmonierte perfekt mit den Mauern des Kremls und der Basiliuskathedrale. Zudem wurde der Rote Platz durch die neue „Begrenzung” erstmals rechteckig.

Anfang des 20. Jahrhunderts strahlte der Rote Platz dann mit elektrischer Beleuchtung, wurde um das damals neue Kaufhaus GUM  reicher und erhielt eine eigene Straßenbahnlinie.

Straßenbahn auf dem Roten Platz

Als 1917 die Bolschewiki an die Macht kamen, rissen sie das Woskressenski-Tor nieder, um Platz für ihre Militärparaden zu schaffen. Dort wo einst der Alewis-Graben war, entstand ein Friedhof für die Eliten der Revolution. Das Herzstück dieses Friedhofes ist das berühmte Lenin-Mausoleum an der Kremlmauer.

>>> Die sieben Wunder des Roten Platzes

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