Wenn man an Serienmörder denkt, fallen einem oft Männer ein. Doch die Geschichte kennt keinen Mangel an grausamen Frauen. Eine von ihnen war eine russische Adlige, die im 18. Jahrhundert lebte. Ihr Name war Darja Saltykowa (1730-1801), genannt Saltytschicha. Sie hatte einen bösartigen Charakter, der im kollektiven russischen Gedächtnis zum Mythos wurde.
Zwischen 1756 und 1762 konnte ihr die Ermordung von mindestens 38 ihrer Leibeigenen nachgewiesen werden. Die tatsächliche Zahl ihrer Opfer lag wahrscheinlich weitaus höher. Zeugen sprechen von 138 Todesfällen, doch der Saltytschicha konnte eine Tatbeteiligung nicht nachgewiesen werden. Ihre Opfer waren vor allem junge Frauen, die sie mit Peitschen, Keulen und Holzbalken schlug, ihnen die Haare ausriss, sie mit einem heißen Eisen verbrannte, sie verhungern und erfrieren ließ und sie ertränkte.
Schon zu Lebzeiten erzählte man sich Gruselgeschichten, dass sie im Blut ihrer Opfer bade und Babys verspeise. Wer war diese Frau und warum blieb sie so lange unbehelligt von den Behörden? Und vor allem: warum war sie besessen von Tod und Verstümmelung?
Saltytschicha
Pawel Kurdjumow, Iwan SytinSaltykowa wurde in eine wohlhabende Adelsfamilie geboren und war in ihrer Jugend als ziemlich gutaussehende Frau bekannt. Sie heiratete jung und gebar zwei Söhne. Ihr Mann stammte aus der berühmten und einflussreichen Familie Saltykow, starb jedoch früh an einer Krankheit und hinterließ seiner 26-jährigen Witwe ein großes Anwesen und Ländereien mit 800 Leibeigenen.
Nach dem Tod ihres Mannes begann Darja, ihren Sadismus auszuleben. Sie strafte ihre Angestellten für jeden Fehler, egal ob klein oder groß. Zuerst schlug sie selbst zu und befahl dann den männlichen Bediensteten, das Werk fortzusetzen. Ihre bevorzugten Opfer waren junge Frauen, aber manchmal mussten auch Männer leiden. Nachdem sie im Haus misshandelt worden waren, wurden sie in den Stall gebracht und ausgepeitscht bis sie starben. Die Saltykowa ließ es sich selten nehmen, dabei zuzusehen.
Angeblich hat sie eine schwangere Gouvernante gefoltert. Nach ihrem Tod schafften männliche Bedienstete den Sarg mit ihrem Leichnam nach draußen in die Kälte. Das neugeborene Kind legten sie zum Sterben obendrauf.
Eine andere Leibeigene wurde zum Teich geprügelt und musste dort bis zum Hals stundenlang im kalten Wasser ausharren, bis sie schließlich ertrank.
Einen Leibeigenen versehentlich zu töten oder zu verletzen war damals nicht strafbar. Doch Saltykowas Taten waren selbst angesichts dieser Tatsache zu viel. Einmal befahl sie ihren Angestellten auch die Ermordung eines Adeligen. Sie hatte eine Affäre mit Nikolai Tjuttschew, einem entfernten Verwandten (und Großvater des Dichters Fjodor Tjuttschew). Als dieser sie wegen einer jüngeren Frau verließ, die er heiratete, war sie rasend vor Wut und schwor Rache. Ihre Bediensteten sollten eine Bombe in Tjuttschews Haus zünden.
Während die Ermordung eines Leibeigenen keine große Sache für ihre Angestellten war, schreckten sie jedoch vor der Ermordung eines Adeligen zurück. Sie warnten den ehemaligen Liebhaber.
Nikolai Tjuttschew
ArchivfotoSpäter schmiedete die Saltytschicha einen anderen Plan. Sie wollte Tjuttschew und seine Frau in deren Kutsche angreifen lassen. Doch auch dieser Angriff fand nicht statt, weil einer der Diener erneut Skrupel bekam und Tjuttschew warnte.
Einige vermuten, dass es die Eifersucht war, die die junge Witwe zum Monster werden ließ. Doch schon vor der Affäre mit Tjuttschew hatten ihre Leibeigenen unter Saltykowas Grausamkeit zu leiden.
Was war der Grund für ihren Blutdurst? Darüber besteht bis heute kein Konsens. Einige glauben (rus), dass sie überfordert war. Die junge Witwe musste eine gute Mutter für zwei Söhne sein und zugleich einen großen Haushalt führen. An ihre noble Herkunft und viele Verpflichtungen gebunden, hasste sie dieses Leben von Tag zu Tag mehr und ließ es an den Leibeignen aus.
Andere halten (rus) sie für eine Psychopathin, die zu unmotivierten Aggressionen neigte, die schließlich zu den brutalsten und raffiniertesten Morden führten. Außerdem argumentieren sie, dass ihr besonderes Interesse an jungen Frauen ein Zeichen latenter Homosexualität gewesen sein könnte.
Bis 1762 schickten Saltykowas Leibeigene, die in ständiger Angst lebten, 21 Briefe an die Behörden, in denen sie über die Gräueltaten auf dem Anwesen berichteten, aber ohne Erfolg. Saltykowa entstammte einer einflussreichen Familie und hatte ausgezeichnete Verbindungen.
Zudem hatte es bis dato noch keinen Fall gegeben, bei dem Adelige für Unrecht, das sie gegenüber ihren Leibeigenen begangen hatten, zur Rechenschaft gezogen worden waren.
Erst als Katharina die Große den Thron bestieg, wendete sich das Blatt. Katharina wollte bessere Bedingungen schaffen, doch gegen den Adel zu kämpfen war nicht einfach.
Katharina II.
Tretjakow-GalerieDurch einen glücklichen Zufall gelang es zwei von Saltykowas Dienern (einer von ihnen verlor drei Frauen durch ihren Blutdurst), sich direkt an die neue Kaiserin zu wenden und sie auf die Angelegenheit aufmerksam zu machen. Im Jahr 1762 wurde die damals 32-jährige Saltykowa verhaftet, doch erst sechs Jahre später wurde sie offiziell verurteilt.
Warum dauerte es so lange? Saltytschicha hat nie ein Geständnis abgelegt und die Vernehmung der Zeugen nahm viel Zeit in Anspruch. Sie hatten Angst, auszusagen. Saltykowas gute Verbindungen zum Gericht sollen Einfluss auf die Ermittlungen gehabt haben und sie wurde zu einer milderen Strafe verurteilt, als sie wohl ohne diese Verbindungen bekommen hätte.
Die Gräber von Saltykowa und ihrem Sohn
Pawel Kusjakin/Wikimapia.orgIm Jahr 1768 erließ Katharina die Große ihr endgültiges Urteil, in dem sie die Saltytschicha als „menschliches Monster” bezeichnete. Sie nahm Saltykowa den Titel und den Besitz und sprach ihr das Frausein ab. Da, so die Kaiserin, eine Frau zu solcher Grausamkeit nicht fähig wäre, sollte Saltykowa nun nur noch mit „er“ angesprochen werden.
Als Strafe für ihre Sünden musste die Saltytschicha eine Stunde lang auf dem Roten Platz mit einem Plakat mit der Aufschrift „Folterer und Mörder“ am Pranger stehen, bevor sie für den Rest ihres Lebens im Keller eines Klosters eingesperrt wurde.
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