Pest
Im Jahre 1939 brachte der Mikrobiologe Abram Berlin eine gefährliche Krankheit aus Saratow mit nach Moskau. In Saratow führte er Tierversuche mit dem Pesterreger durch. Für ihn galten strengste Quarantänevorschriften. Doch ein dringlicher Anruf aus Moskau führte ihn in die sowjetische Hauptstadt. Berlin brachte die Pest mit.
Er checkte im Hotel National ein, speiste dort und besuchte einen Friseur. Plötzlich fühlte er sich sehr krank und wurde mit dem Verdacht auf Lungenentzündung ins Krankenhaus eingeliefert. Eine Fehldiagnose, wie sich herausstellen sollte.
Es war der Verdienst des Mediziners Simon Gorelik vom Ersten Staatlichen Moskauer Medizinischen Institut, dass eine Epidemie verhindert werden konnte. Er diagnostizierte die Lungenpest bei Berlin und informierte umgehend seine Vorgesetzten. Er selbst isolierte sich und seinen Patienten.
Er wusste, dass sie beide zum Tode verurteilt waren, denn die Pest galt damals als unheilbar. Die Geheimpolizei lokalisierte alle Kontaktpersonen Berlins und stellte sie unter Quarantäne. Die Klinik, in der er lag, und das Hotel National wurden in einer Nacht- und Nebelaktion desinfiziert, so dass die Öffentlichkeit nichts mitbekam, denn man wollte Panik verhindern. Eine Pest-Epidemie wurde im Keim erstickt. Nur drei Menschen starben: Berlin, Gorelik und der unglückliche Friseur.
Pocken
Pocken kamen im Dezember 1959 zusammen mit dem Künstler Alexei Kokorekin nach seiner Rückkehr aus Indien in die sowjetische Hauptstadt. Er hatte sich während einer Einäscherungszeremonie mit der gefährlichen Krankheit angesteckt. Kokorekin litt unter Fieber, starkem Husten und Schmerzen am ganzen Körper und suchte medizinische Hilfe. Die Ärzte diagnostizierten fälschlicherweise eine Grippe, obwohl der Patient von einem ungewöhnlichen Ausschlag betroffen war.
Dieser Ausbruch der Pocken wurde erst zwei Wochen nach dem Tod des Künstlers bekannt, als bei mehreren Personen, die mit ihm in Kontakt standen, ähnliche Symptome auftraten. Als die Diagnose bestätigt wurde, wurden alle Moskauer medizinischen Dienste, Polizeidienststellen und der KGB eingesetzt, um gegen diese Bedrohung zu kämpfen. Die Polizei machte alle Kontaktpersonen ausfindig. Das Krankenhaus, in dem Kokorekin behandelt worden war, wurde geschlossen.
Die Regierung stellte ihren Kriegsvorrat an kostbarer Wäsche den Tausenden isolierten Arbeitern und Patienten zur Verfügung.
Die wichtigste Maßnahme war jedoch eine historisch beispiellose universelle Impfung aller Moskowiter und der Bewohner der Region Moskau. Die Ärzte arbeiteten rund um die Uhr und verabreichten binnen einer Woche mehr als neun Millionen Injektionen.
Infolgedessen brach die gefährliche Krankheit nur bei 45 Menschen in Moskau aus, drei starben. Neunzehn Tage nach der Entdeckung und dem Beginn der koordinierten Maßnahmen war der Pockenausbruch eingedämmt.
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Cholera
1970 kam die Cholera aus dem Iran an die sowjetische Schwarzmeerküste. Die Epidemie ereignete sich auf dem Höhepunkt der Ferienzeit, als die Küstenstädte voller Urlauber waren. Die Krankheit breitete sich allmählich im ganzen Land aus, einschließlich Moskau und Leningrad (St. Petersburg). Das war auch der Fehler der örtlichen Behörden, die am Strand den Ausbruch der Cholera durch Lautsprecher verkündet und die Urlauber aufgefordert hatten, nach Hause zu reisen.
Die Zentralregierung ihrerseits handelte schnell und entschlossen. Zusammen mit Tausenden von Ärzten waren Armee und Marine im Kampf gegen die Ausbreitung der Krankheit im Einsatz. Die Menschen durften erst nach einer gründlichen bakteriologischen Untersuchung wieder raus. Dutzende von Schiffen und Zügen wurden in mobile Labors umgewandelt und in die Städte geschickt.
Tausende gestrandete Touristen wurden von Panik erfasst. Viele versuchten, die Absperrungen durch das Militär zu umgehen oder sogar zu durchbrechen. Die Situation beruhigte sich erst, als der Ministerrat der UdSSR anordnete, dass die Gehälter weiterhin auch an alle gezahlt werden, die gezwungen waren, in Quarantäne zu bleiben.
Die Cholera-Epidemie wurde im November desselben Jahres endgültig besiegt. Die Behörden zogen die notwendigen Lehren, und der massenhafte Bau von Wasseraufbereitungsanlagen an der Schwarzmeerküste und in den Flusseinzugsgebieten der Wolga und des Ural begann.
Anthrax
Der Anthrax-Ausbruch im Ural im April 1979 ist nach wie vor die mysteriöseste Epidemie in der sowjetischen Geschichte. Nach verschiedenen Quellen starben dabei 60 bis 100 Menschen. Auf dem Höhepunkt kamen täglich fünf bis zehn Menschen in die Stadt Swerdlowsk (Jekaterinburg), die Symptome eines toxischen Schocks zeigten. Als Anthrax als Ursache bekannt war, wurde eine Spezialstation für die Betroffenen eingerichtet. Die Einwohner der Stadt wurden geimpft, das Stadtgebiet aus dem Hubschrauber heraus desinfiziert. Bis Juni war die Epidemie unter Kontrolle.
Nach der offiziellen sowjetischen Version wurde der Ausbruch durch infiziertes Vieh verursacht. Eine andere Theorie legt jedoch nahe, dass es möglicherweise auf eine versehentliche Freisetzung von Anthraxsporen aus einem militärbiologischen Labor in einem Vorort der Stadt zurückzuführen war. Ein Sabotageakt westlicher Geheimdienste, die die UdSSR am Vorabend der Olympischen Spiele 1980 in Moskau diskreditieren wollten, wurde ebenfalls diskutiert. Offizielle Informationen über die Tragödie bleiben geheim und werden erst 75 Jahre nach dem Vorfall veröffentlicht - im Jahr 2054.