Nach Hause: Wie die Sowjetunion und Russland ihre Soldaten aus Osteuropa zurückholten

Juri Abramotschkin/Sputnik
Der Abzug sowjetischer Truppen aus Osteuropa nach dem Ende des Kalten Krieges war eine logistische Meisterleistung. Die Verlegung der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland war eine der größten Militäroperationen zu Friedenszeiten.

Die militärischen Kontingente, die die UdSSR Ende der 1980er Jahre in Osteuropa hatte, waren wirklich beeindruckend. Auf dem Territorium der DDR, Ungarns, Polens und der Tschechoslowakei befanden sich etwa eine halbe Million Soldaten (dazu Hunderttausende Zivilangestellte), über 9.000 Panzer, 5.800 Artilleriegeschütze, 12.000 Kampffahrzeuge, 1.700 Militärflugzeuge. 700 Hubschrauber sowie taktische Raketensysteme.

Die grundlegenden Veränderungen in der sowjetischen Politik und später auch in den  osteuropäischen Staaten blieben nicht ohne Auswirkungen auf die bis dahin etablierten Beziehungen zwischen Moskau und seinen Verbündeten des Warschauer Pakts und stellten die Existenzberechtigung der „sowjetischen Nato“ in Frage.  

Die sowjetische Führung, die im Geiste der Perestroika und einer Politik der Abrüstung und Annäherung an den Westen handelte, folgte den Forderungen ihrer damaligen Noch-Partner im Ostblock, ihre Truppen aus deren Gebieten abzuziehen. Von 1989 bis 1990 wurde mit jedem einzelnen Staat über das Prozedere verhandelt. 

Die ersten Einheiten der Südgruppe der Sowjetarmee (insgesamt 70.000 Soldaten) verließen Ungarn im Juni 1989. „Die Südgruppe war leicht zurückzuziehen“, erinnerte sich (rus) Generaloberst Matwei Burlakow. „Die Sowjetunion existierte noch. Die Ukraine war nicht weit, wir mussten nur bis zur Grenze und dahinter war die Heimat. Die Soldaten wollten natürlich so schnell wie möglich nach Hause. In der Sowjetunion zu dienen war leichter als in Ungarn. Sie mussten in der Kaserne bleiben, durften nur gelegentlich mal nach Budapest fahren. Sie waren starken Einschränkungen unterworfen. Wir fürchteten die Ungarn und wollten vermeiden, dass unsere Soldaten in Auseinandersetzungen gerieten. 

Der Abzug der Zentralgruppe der Sowjetarmee (92.000 Soldaten) aus der Tschechoslowakei begann am 26. Februar 1990 und durchlief drei Phasen über einen Zeitraum von 18 Monaten. Als die ersten sowjetischen Panzer aus der Stadt Frenštát in Nordmähren in Richtung UdSSR aufbrachen, versammelten sich dort Hunderte von Journalisten aus der ganzen Welt. „Sie dachten, die Tschechen würden die Besatzer mit Flüchen überschütten und faule Tomaten auf sie werfenerinnerte sich (rus) der pensionierte Oberst der tschechoslowakischen Armee Stanislaw Pogorsel. Stattdessen gab es eine rührende Kundgebung mit einem Banner, Blumen und wohlmeinenden Abschiedsworten.“

Der Abzug der Nordgruppe der Sowjetarmee aus Polen (45.000 Soldaten) begann am 8. April 1991 und endete im September 1993. Die letzten Personen, die das Land verließen, waren staatsrechtlich gesehen, bereits keine sowjetischen Soldaten mehr, sondern Russen. 

Die Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland war in Europa die zahlenmäßig größte und zugleich am besten ausgerüstete. 1990 bestand sie aus mehr als 300.000 Militärangehörigen, 200.000 Zivilisten, 5.000 Panzern und 1.700 Flugzeugen. Die Verlegung von Truppen und Hardware wurde zur größten militärischen Operation in der Geschichte, die in Friedenszeiten durchgeführt wurde.

Nachdem der Oberkommandierende, General Boris Snetkow, den Befehl zum Abzug der Truppen erhalten hatte, weigerte er sich (rus) zunächst, diesem nachzukommen: “Ich werde den Abzug nicht durchführen! Marschall Schukow hat die Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland begründet, die bekanntesten Heerführer bauten sie aus, und ich, der 15. Oberbefehlshaber, der unbekannte General Snetkow, soll das alles in Vergessenheit geraten lassen?! Das kann ich nicht tun!“ Diese Äußerung kostete ihn den Posten. Er wurde von Matwei Burlakow ersetzt, der zuvor die Südgruppe kommandiert hatte. 

Der Abzug der sowjetischen Truppen aus Deutschland wurde 1994 abgeschlossen. Am 31. August legten deutsche und russische Soldaten in Anwesenheit des russischen Präsidenten Boris Jelzin und des Bundeskanzlers Helmut Kohl, Kränze am sowjetischen Kriegsdenkmal im Treptower Park nieder, um diesen Moment zu würdigen. 

„In den 49 Jahren, in denen unsere Truppen in Deutschland präsent waren, haben wir niemanden eingeschüchtert und wir hatten nie Angst vor irgendjemandem. Als größte Gruppe der sowjetischen und russischen Streitkräfte hat die Westgruppe ihre historische Mission der Friedenssicherung erfüllt und für Stabilität in Europa gesorgt. Niemand weiß, wie die Nachkriegsweltordnung ausgesehen hätte, wenn es keine sowjetischen Truppen in Deutschland, der Tschechoslowakei, Ungarn und Polen gegeben hätte“, betonte Burlakow.

>>> Die sowjetische Antwort auf die NATO: Wie mächtig war der Warschauer Pakt?

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