Zu Beginn des Ersten Weltkriegs hatte das Russische Reich die größte Luftwaffe der Welt, bestehend aus 264 Flugzeugen und 14 Luftschiffen. In Russland wurde der erste mehrmotorige Bomber der Geschichte, die Ilja Muromez, konstruiert. Auf dieser Grundlage wurde auch ein einzigartiges Wasserflugzeug für die russische kaiserliche Marine gebaut. Im Dezember 1914 etablierte Nikolaus II. das erste Bombergeschwader in der Geschichte der Luftfahrt.
Dennoch schaffte es die kaiserliche russische Luftwaffe nicht an die Weltspitze. Zu groß waren die technischen Schwächen.
Russlands Flugzeugflotte, die im August 1914 hauptsächlich aus Eindecker-Flugzeugen des französischen Flugzeugbauers Nieuport bestand, war ziemlich heruntergekommen. Daher waren zu Beginn des Krieges die meisten Verluste (manchmal bis zu 90 Prozent) an Flugzeugen nicht auf Luftschlachten zurückzuführen, sondern auf Unfälle aufgrund technischer Probleme.
Das Russische Reich hatte keine eigene Produktion von Flugzeugmotoren. Einige wurden in einer Niederlassung des französischen Motorenherstellers Gnome et Rhône produziert, der Großteil wurde im Ausland zugekauft. Das führte 1916 zu schwerwiegenden Lieferengpässen. Die Alliierten benötigten die Triebwerke nach den schweren Verlusten in der Schlacht an der Somme selbst.
Ein weiteres ernstes Problem war die schlechte Ausbildung der Piloten. Sie dauerte lange und selbst auf dem Höhepunkt des Krieges mussten Piloten oft noch zur praktischen Ausbildung nach Frankreich geschickt werden. Ein Offizier berichtete: „Nur sehr wenige der Pilotenanwärter nutzten die Gelegenheit, den Technikern zuzusehen, um den Aufbau der Triebwerke und deren Wartung und Reparatur kennenzulernen. Die meisten hielten das für unnötig. Darüber hinaus war Russland das einzige Land im Ersten Weltkrieg, das keinen Plan zur Mobilisierung ziviler Piloten hatte.
Bei der Zahl erfolgreicher Luftduelle blieben selbst die besten russischen Piloten weit hinter dem berühmten „Roten Baron“ Manfred von Richthofen und anderen deutschen und britischen Fliegerassen zurück. Wenn es jedoch um Wagemut ging, übertrafen die Russen oft ihre westlichen Kollegen. Zum Beispiel waren es die russischen Piloten Pjotr Nesterow und Alexander Kasakow, die als erste in der Geschichte der Luftfahrt feindliche Flugzeuge rammten.
Das russische Kommando schaffte es nicht, die russische Luftwaffe effektiv einzusetzen und unterschätzte deren Potenzial. Die katastrophale Niederlage der russischen Truppen in der Schlacht von Tannenberg Ende August 1914 war teilweise das Ergebnis der Missachtung, die der Befehlshaber der 2. Armee, General Alexander Samsonow, den Luftaufklärungsberichten über die Bewegungen des 17. Korps von August von Mackensen entgegenbracht hatte.
Kurz vor dem Krieg entwickelte Gleb Kotelnikow den ersten Fallschirm der Welt. Der Leiter der kaiserlichen Luftflotte, Großherzog Alexander Michailowitsch, der viel für die Entwicklung der russischen Luftfahrt getan hat, erkannte jedoch nicht das Potenzial dieser wichtigen Erfindung: „Fallschirme in der Luftfahrt sind eine eher schädliche Sache. Bei der geringsten Gefahr, die der Feind für sie darstellt, werden die Piloten versuchen, mit dem Fallschirm abzuspringen. Das Flugzeug geht verloren. Flugzeuge sind wertvoller als Menschen. Wir importieren sie aus dem Ausland. Sie sollten gut behandelt werden. Menschen sind nie Mangelware!“ Fallschirme waren bald im Ausland weit verbreitet, jedoch nicht in Russland. Hastige Anstrengungen, die russischen Piloten mit ihnen zu versorgen, wurden erst unternommen, als der Krieg bereits in vollem Gange war.
Es gab jedoch auch Beispiele für eine positive Haltung gegenüber der Luftwaffe. Am 31. August 1914 appellierte der Befehlshaber der 8. Armee, General Aleksei Brusilow, an das Oberkommando: „Ich habe alle meine Flugzeuge verloren, die für die Aufklärung so wichtig sind. Das Kommando ist nun in einer extrem schwierigen Position… Ich bitte Ihre kaiserliche Hoheit demütig, die Armee mit Farman- und Nieuport-Flugzeugen zu unterstützen. Piloten sind für die Aufklärung unerlässlich.“
Bereits 1916, als Kommandeur der Südwestfront, nutzte Brusilow die Luftwaffe während der Lutsk- oder auch Brusilow-Offensive, einer der größten Operationen des Krieges. Flugzeuge spielten eine wichtige Rolle in der Erzurum-Offensive gegen die Türken (Anfang 1916), bei der Lokalisierung feindlicher U-Boote im Schwarzen Meer und bei der Bombardierung der Festung Przemysl, auf der die russischen Luftstreitkräfte über 200 Bomben abwarfen.
Als das Russische Reich nach der Februarrevolution von 1917 Geschichte wurde, verfügte die Luftwaffe des Landes über 1.039 Flugzeuge, von denen nur 590 auf dem Schlachtfeld im Einsatz waren. Während der vier Kriegsjahre blieb die Situation praktisch dieselbe: Ein erheblicher Teil der Flugzeugflotte bestand aus veralteten Modellen in einem unbefriedigenden technischen Zustand, von denen mehr als die Hälfte nicht in Luftschlachten verloren gingen oder von der feindlichen Luftverteidigung abgeschossen wurden. Sie wurden vielmehr ein Opfer der technischen Mängel. Nach wie vor konnte sich die russische Luftwaffe nicht auf ihre Flugzeuge verlassen, sondern nur auf das Können, die Ausdauer und den Heldenmut ihrer Piloten.
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