Supermarkt oder Museum: Wie die Russen mit Lenins Mausoleum umgehen

Geschichte
RUSSIA BEYOND
Architekten wollen ein Museum daraus machen. Die Frage, was aus Lenins Grab werden soll, wurde schon immer heiß diskutiert in Russland.

Das erste hölzerne Mausoleum erschien 1924 auf dem Roten Platz, unmittelbar nach dem Tod von Wladimir Lenin. Bis 1930 wurde das heute bekannte steinerne Mausoleum errichtet. Der Körper Lenins wurde einbalsamiert und liegt seitdem dort aufgebahrt. Ständig wird an ihm gearbeitet, um ihn in einem guten Zustand zu erhalten. 

Laut verschiedenen Umfragen sind 40 bis 80 Prozent der Russen nicht zufrieden mit der Tatsache, dass die Leiche immer noch auf dem Roten Platz ausgestellt wird. Viele Leute schlagen vor, Lenin neben den Mauern des Kremls zu begraben, wo viele andere verdiente sowjetische Beamte und Generäle in Frieden ruhen, einschließlich Stalin, der für eine Weile Lenins Nachbar im Mausoleum gewesen ist. 

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Architekturwettbewerb 

Im September 2020 kündigte die Union der Architekten Russlands einen Wettbewerb für die bestmögliche Wiederverwendung des Mausoleums an. Die Sprecher der Union versicherten, dass der Wettbewerb nur darauf abziele, einen Ideen-Pool zu schaffen, und keine politische Motivation hat. Es löste jedoch einen enormen Sturm öffentlicher Reaktionen aus: von negativen Kommentaren und sogar Drohungen gegen den Präsidenten der Union bis hin zu Memes und Witzen in den sozialen Medien.

Einer der beliebtesten Witze war die Eröffnung einer nostalgischen Rjumotschnaja (Wodka-Bar) im sowjetischen Stil im Mausoleum. Solche Bars gab es früher überall in der Stadt. Andere schlugen vor, das Mausoleum in einen Supermarkt, ein Lebensmittel- oder Alkoholgeschäft zu verwandeln, das im Moskauer Stadtzentrum fehlt. 

Der bekannte Filmkritiker und Blogger Anton Dolin ist der Meinung (rus), dass das Mausoleum so bleiben solle, wie es ist, doch dass es zum Museum werden sollte, also ohne Ehrengarde. Stattdessen sollte dort nur ein Sicherheitsdienst für Ordnung sorgen, eine Babuschka die Aufsicht führen und am Ausgang ein Souvenirladen eingerichtet werden. 

Der russische Komiker Denis Nikolin schlug vor (rus), in Moskau ein „Leninland“ zu bauen. Er glaubt, dass es Millionen von Touristen anziehen würde, da unser Land immer noch ziemlich stark mit der Sowjetunion verbunden ist.

„Wir schlagen nicht vor, Lenins Leiche umzubetten, wir schlagen nicht vor, das Mausoleum wieder aufzubauen, wir schlagen nur vor, eine Lösung für die weitere Verwendung dieses großartigen Stücks sowjetischer Architektur zu finden“, betont (rus) Nikolai Schumakow, Präsident der Architekturunion. 

Die Wettbewerbskoordinatorin Irina Korobyina glaubt, dass früher oder später die Frage über den Verbleib von Lenins Leichnam entschieden sein wird und es frühzeitig einen Plan für die Wiederverwendung des Mausoleums geben sollte, damit daraus kein jahrelanger langwieriger Prozess wird. 

Trotz aller Erklärungen der Architekten zu den Gründen für diesen Wettbewerb musste die Union ihn drei Tage nach seiner Ankündigung absagen. Es ist jedoch nicht das erste Mal, dass solche Ideen offen diskutiert werden.

Was wird aus Lenins Leichnam? 

Vor der Perestroika war niemand mutig genug, in die glorreiche kommunistische Vergangenheit einzudringen und die Frage nach Lenins Beerdigung zu stellen. Am Vorabend des Zusammenbruchs der UdSSR kam es zu Auseinandersetzungen rund um Lenins Mausoleum. 1989 schlug der Abgeordnete Juri Karjakin auf dem Kongress des Obersten Sowjets der UdSSR, dem höchsten Legislativorgan des Landes, vor, die Leiche unter die Erde zu bringen und erinnerte die Abgeordneten daran, dass es Lenins persönlicher Wille gewesen sei, neben seiner Mutter beerdigt zu werden. 

Nach Karjakins erster Rede begann das Land offen zu diskutieren, dass die Ausstellung der Mumie dem Christentum und der Orthodoxie widerspreche. Und Lenins Beerdigung wurde in den 1990er Jahren zu einem der heißesten Themen, da die neuen nichtkommunistischen Behörden alle sowjetischen Relikte so schnell wie möglich loswerden wollten. In diesen turbulenten Zeiten konzentrierten sich die Behörden jedoch auf relevantere und dringlichere Fragen. Am Ende seiner Präsidentschaft drückte Boris Jelzin die Bereitschaft aus, die „Lenin-Frage“ lösen zu wollen, doch bevor es dazu kam, trat er zurück. 

2017 sagte die damalige Präsidentschaftskandidatin Xenia Sobtschak, dass Lenins Beerdigung einer der Punkte auf ihrer Tagesordnung sei, und schlug vor, ein Referendum zu arrangieren, damit die Russen entscheiden könnten, was mit Lenins Leichnam geschehen solle. 

Im Jahr 2020 schlug der exzentrische Politiker Wladimir Schirinowski vor, Lenins „Mumie“ zu verkaufen. Kommunistische Staaten hätten womöglich Interesse …  

Was soll aus dem Mausoleum werden? 

Der frühere Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche, Alexi II., schlug vor, einen Ort außerhalb des Roten Platzes zu wählen und eine Nekropole für alle sowjetischen Revolutionäre und sowjetischen Führer zu errichten und ihre sterblichen Überreste dorthin zu bringen.

2019 schlug ein anderer exzentrischer Abgeordneter, Witali Milonow, vor, das Mausoleum abzureißen, weil es die Menschen daran hindere, auf dem jährlichen Winter-Weihnachtsmarkt, der direkt davor stattfindet, Schlittschuh zu laufen.

Die Vorsitzende des Föderationsrates, Walentina Matwejenko, ist der Ansicht, dass diese Frage erst gestellt werden sollte, wenn das russische Volk dazu bereit sei, nicht jetzt. Sie schlug auch vor, ein Museum mit Lenins Grab zu errichten, vergleichbar dem Invalidendom in Paris. 

Wladimir Putin hat oft gesagt, dass Lenin unangetastet bleiben solle. Putin glaubt, dass er für viele Menschen die Erfolge des Landes in der Vergangenheit symbolisiert. Für Kommunisten ist es ein gewisses Relikt, und Wladimir Putin vergleicht die Bedeutung, die das Mausoleum für Kommunisten hat, mit der Bedeutung, die die Überreste der Heiligen für Christen haben. Also schlug er vor, in die Zukunft zu schauen und das Land in der Gegenwart zu entwickeln, anstatt über Lenins Leichnam zu diskutieren.

Der letzte, aber nicht der letzte Punkt ist, dass das Mausoleum ein UNESCO-Weltkulturerbe ist, so dass keine einschneidenden Änderungen am Gebäude möglich sind. Für die UNESO ist es ein großes Denkmal der sowjetischen Architektur.  

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