1. Alexander Rodtschenko (1891-1956)
Rodtschenko beeinflusste die Kunst der Fotografie wahrscheinlich ebenso wie der französische Philosoph René Descartes die Wissenschaft. Er veränderte den Blick der Menschen auf ihre Welt.
1925 erwarb Alexander eine 35-mm-Kompaktkamera und begann mit Winkeln und Perspektiven zu experimentieren. Er benutzte die Fotografie, um die Parameter zu erweitern, wie und was er sah. Der unkonventionelle Künstler eroberte die Welt von oben, unten und von allen Seiten und forderte den Betrachter auf, das scheinbar Unsichtbare zu entdecken.
In den frühen 1930er Jahren nutzte er die Fotografie als wichtiges Instrument, um den sozialen Wandel zu dokumentieren und zeigte den Kontrast zwischen dem romantisierten und dem realen sowjetischen Alltag.
Das Multitalent Rodtschenko, Bühnenbauer, Maler, Bildhauer und Drucker, war auch ein fotografisches Genie. Er experimentierte mit verschiedenen Medien und war Gründungsmitglied der Avantgarde-Bewegung des russischen Konstruktivismus.
Seine Werke werden in führenden Museen auf der ganzen Welt ausgestellt, darunter im Museum of Modern Art in New York.
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2. Boris Ignatowitsch (1899-1976)
Ignatowitsch begann seine Karriere als Journalist, bevor er zu einem der bahnbrechendsten Fotografen seiner Zeit wurde.
Boris erhielt seine erste Kodak-Kamera als Geschenk und machte 1923 ganz zufällig seine erste Aufnahme. Auf der Straße traf er auf den berühmten Satiriker Michail Soschtschenko, der gerade Äpfel bei einem Straßenhändler kaufte. Ignatowitsch drückte auf den Auslöser und schuf ein historisches Foto des verehrten sowjetischen Schriftstellers.
Inspiriert von Alexander Rodtschenko pflegte Ignatowitsch einen neuen Stil, bei dem die traditionelle Fotografie durch etwas Unorthodoxeres und Unkonventionelleres ersetzt wurde. Seine zeitlosen Stillleben, Nahaufnahmen und Porträts aus unerwarteten Blickwinkeln verbanden Avantgarde, Konstruktivismus und Realismus miteinander. Versierte Betrachter erkannten darin ein legendäres fotografisches Talent.
Ignatowitsch gewann Preise für seine Bilderserien über Moskau und wurde ein Pionier der Luftbildfotografie. Mit einer Leica-Weitwinkelobjektivkamera machte er atemberaubende Bilder aus möglichst geringer Flughöhe. Zwischen den 1920er und 1930er Jahren zierten seine Fotografien die Titelseiten bedeutender Zeitschriften wie der „Prawda“ und renommierter Architektur- und Baumagazine.
Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden die Aufnahmen des talentierten Fotografen ernster. Er begleitete die sowjetischen Streitkräfte zu Pferde bewaffnet mit seiner Kamera.
3. Moisei Nappelbaum (1869-1958)
Nappelbaum ist weithin bekannt für seine beeindruckenden Porträts von Wladimir Lenin und Josef Stalin. Vor allem aber hat Moisei einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung des Genres der Porträtfotografie geleistet.
Damals wurden meist steife Studioporträts in gezwungen wirkenden Posen angefertigt. In der Regel fehlten solchen Bildern die persönliche Note und Ausstrahlung. Nappelbaum beschloss, die traditionellen Regeln der Fotografie zugunsten kreativer Experimente zu brechen.
Auf den ersten Blick wirken seine Porträts einfach und unkompliziert. Gleichzeitig sind sie voller innerer Konflikte und Spannungen. Wie jeder Künstler wollte er die ganze Persönlichkeit einfangen.
Im Laufe seiner Karriere erkundete Nappelbaum das Potenzial der Fotografie als ausdrucksstarke Kunstform. Der Fotograf konnte Stunden damit verbringen, sein Modell zu studieren, um auf den ersten Blick verborgene Merkmale zu entdecken.
Zu den charakteristischen Bildern gehören Porträts der sowjetischen Crème de la Crème, nämlich Anna Achmatowa, Boris Pasternak, Sergej Jesenin, Konstantin Stanislawski, Sergei Eisenstein und Alexander Blok.
„Die Vergangenheit eines Menschen, sein Lebensgefühl und seine Einstellung zu Menschen hinterlassen einen unglaublichen Eindruck in seinem Gesicht. Sie müssen nur zwischen den Zeilen lesen“, glaubte Nappelbaum.
4. Jewgeni Chaldei (1917-1997)
Chaldei war 13 Jahre alt, als er seine erste Kamera aus einem Karton und einer alten Brille als Objektiv bastelte.
Später verbrachte er als Fotograf der staatlichen Nachrichtenagentur „TASS“ rund 1.418 Tage damit, den verheerenden Zweiten Weltkrieg in Bildern zu dokumentieren. Seine außergewöhnlichen Fotos wurden mit einer Leica aufgenommen.
Chaldei war zugleich Zeuge und Chronist der Geschichte und machte dramatische Aufnahmen von der Front. Er drückte den Auslöser während der Schlacht um Moskau im Jahr 1941 und verewigte vom Leid gezeichnete Juden bei ihrer Befreiung 1945 aus dem Budapester Ghetto.
Chaldeis eindrucksvolle Bilder von Hermann Göring, einst der zweitmächtigste Mann im Deutschen Reich, beschrieben das Gesicht des Bösen besser als 1000 Worte.
Nachdem der Fotograf Josef Stalin, Winston Churchill und Harry S. Truman auf der historischen Potsdamer Konferenz fotografiert hatte, machte er auch ab und zu Bilder von einfachen Menschen während des Krieges.
Seine bedeutendste Aufnahme ist das Foto vom Hissen der Sowjetflagge auf dem Berliner Reichstag. Dieses Bild wurde zum Inbegriff des sowjetischen Sieges über Nazideutschland.
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5. Juri Abramotschkin (1936-2018)
Abramotschkins Werk ist die Quintessenz dessen, worum es einem sowjetischen Künstler zu einer Zeit ging, als nur sozialer Realismus erlaubt war. Der Fotograf dokumentierte die täglichen Herausforderungen des Lebens. Aber irgendwie gelang es Juri, dabei seinen eigenen unverwechselbaren fotografischen Stil einzubringen.
Er machte viele Aufnahmen berühmter Persönlichkeiten. Er fotografierte sowjetische Führer und Kosmonauten sowie auch Richard Nixon, Fidel Castro oder Charles de Gaulle.
Wenn er nicht gerade damit beschäftigt war, zum Beispiel Juri Gagarin zu fotografieren, holte er gewöhnliche Menschen vor seine Kameralinse: Pioniere, Fischer, Bergleute oder Verkäuferinnen. Wer auch immer es war, seine Fotos wirkten nie statisch und langweilig, sondern eher verspielt und humorvoll.