Hoffnung auf das große Los: Warum Lotto in der UdSSR ein Kult war

Gossnak; TASS
Lottospielen gehörte für Millionen Sowjetbürger zum Leben dazu wie das tägliche Zähneputzen. Es war ein Sport und bei jeder Ziehung hoffte man auf den großen Gewinn.

Die Sportloto-Saga 

Im Oktober 1970 wurde die erste Auslosung der Sportloto-Lotterie landesweit im Fernsehen übertragen. Mit klopfendem Herzen kontrollierten die sowjetischen Bürger die Losnummern. 

Anfangs hatten nur Moskauer die Möglichkeit, an der Lotterie teilzunehmen. Innerhalb einer Woche wurden 1,5 Millionen Lose verkauft.

Das Spiel wurde schnell im Rest der UdSSR populär. Baku, Hauptstadt von Aserbaidschan, war die zweite Stadt, in der Lottoscheine verkauft wurden, gefolgt von der armenischen Hauptstadt Jerewan, der Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer, der ukrainischen Hauptstadt Kiew und anderen Großstädten. Der Erlös aus der Lotterie machte bis zu 80 Prozent der Einnahmen des staatlichen Sportbudgets aus.

Einige Jahre später spielten Millionen von Menschen, bis zu drei Viertel der Bevölkerung der UdSSR, Lotto. In den 1980er Jahren war das Lotterie-Vertriebsnetz in der Sowjetunion das größte der Welt. Für die Mehrheit der Bürger war ein Lottogewinn die einzige Chance, jemals finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen. 

„Sportloto“ war die Idee von Viktor Iwonin, dem stellvertretenden Vorsitzenden des sowjetischen Sportkomitees. Die größte Herausforderung bestand darin, Bedenken auszuräumen, dass das Geldverdienen durch Glücksspiel der sozialistischen Ideologie widersprechen könnte. Die Behörden haben einen Kompromiss gefunden. Es wurde beschlossen, dass die Hälfte des Erlöses aus dem Lotterieverkauf für die Entwicklung des Sports im Land verwendet wird.

Glückliche Gewinner 

Die erste Lotterie im Jahr 1970 hieß „6 aus 49“. Der glückliche Gewinner musste zwischen drei und sechs Gewinnzahlen auswählen. Ludmila Morosowa, eine 35-jährige Ingenieurin aus Moskau, knackte den Jackpot. Sie gewann 5.000 Rubel.

Eines Tages ging Ludmila müde und hungrig von der Arbeit nach Hause, als sie an einem Kiosk in der Nähe der U-Bahn Halt machte. Da ein Los nur 30 Kopeken kostete, beschloss sie, zwei zu kaufen. Eines für sich und eines für ihre elfjährige Tochter. Das Mädchen zog aus einem Beutel sechs zufällige Kugeln, die mit Zahlen zwischen 6 und 49 beschriftet waren. Diese Zahlen wurden getippt. Es waren Glückszahlen! Als Belohnung für ihren Beitrag zum Gewinn bat die Tochter ihre Mutter, ihr ein Fahrrad zu kaufen.

Zu einer Zeit, als ein durchschnittliches Monatsgehalt zwischen 90 und 115 Rubel lag, waren 5.000 eine riesige Summe. Man hätte eine in Jugoslawien produzierte Schrankwand, einen mit Schwänen bestickten Wandteppich, ein Klavier und einen Schlafsessel kaufen oder Geld für schlechte Zeiten beiseitelegen können.

Der Gewinn der Lotterie gab jedem die Chance, besser zu leben. 1972 gewann die Mutter des zukünftigen Präsidenten Wladimir Putin ein Auto von Saporoshez.

„In der Kantine bekam sie, glaube ich, statt Wechselgeld ein Los im Wert von 30 Kopeken ... Wir lebten damals in einem Raum in einer Gemeinschaftswohnung im fünften, obersten, Stock. Wir hatten nicht einmal eine Dusche. Und unter solchen Bedingungen hat meine Mutter dieses Auto gewonnen“, erinnerte sich der russische Präsident im Jahr 2018.

„Ich erinnere mich noch gut an ein Familientreffen, bei dem Mama und Papa am Tisch saßen und überlegten, was sie damit anfangen sollten. Und dann sagte meine Mutter plötzlich: Wir nehmen das Auto, damit unser Sohn fahren kann. Können Sie sich vorstellen, was das für meine Eltern bedeutet hat?“ 

>>> Warum der „Sapo“ das “ungeschickteste” Auto der Sowjetunion war (BILDER)

Obwohl die höchstmögliche Gewinnsumme bei Sportloto grundsätzlich auf 5.000 Rubel begrenzt war, gewannen die Leute gelegentlich auch größere Summen. Zum Beispiel gewann ein Schlosser aus Tallinn, der Hauptstadt Estlands, fast 35.000 Rubel.

1978 wurde das Limit auf 10.000 Rubel angehoben und die Leute rechneten sich dadurch noch bessere Chancen auf finanzielle Freiheit aus. Viele vergaßen dabei, wie unwahrscheinlich ein Gewinn war. 

1985 gewann Sergei Michailow, ein Elektriker aus Duschanbe, Hauptstadt Tadschikistans, die höchste Summe der sowjetischen Lotteriegeschichte: 60.680 Rubel. Er hätte vier Jahrzehnte arbeiten müssen, um diesen Geldbetrag zu verdienen. Sportloto fand alle zehn Tage statt. Sergei hatte noch nie ein Spiel verpasst. Er tippte immer die gleichen Zahlen: 1, 5, 10, 21, 25. Er hatte zuvor jedoch selten mehr als zehn Rubel gewonnen. 

Zunächst musste man 6 aus 49 Zahlen richtig tippen, um den Jackpot zu knacken, später waren es nur noch 6 aus 45.

1976 wurde das sogenannte „Samstags-Sportloto“ eingeführt. Es basiert auf dem alten chinesischen Spiel Keno. Der Legende nach finanzierte der Kaiser mit den Mitteln der alten Lotterie den Bau der Chinesischen Mauer.

In der UdSSR stellte die Lotterie mehr als ein Viertel des Budgets für die Olympischen Sommerspiele 1980 in Moskau bereit - etwa 532 Millionen Rubel. Dies ist ein gutes Ergebnis für ein Glücksspiel. 

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