Felix Dadajew: Was geschah mit Stalins Doppelgänger?

Geschichte
JEKATERINA SINELSCHTSCHIKOWA
Als alle glaubten, den gealterten „Führer der Völker“ vor sich zu haben, sahen sie tatsächlich einen 24-jährigen Dagestani.

Als der junge Felix Dadajew zu Josef Salins Doppelgänger wurde, gab es bereits drei weitere. Die Idee für die Doubles kam Nikolai Wlasik Anfang der 1920er Jahre, als er Sicherheitschef im Kreml wurde. Stalin hatte zu viele politische Feinde und es war nicht sicher für ihn, bei öffentlichen Versammlungen zu erscheinen.

Dadajew schwieg 55 Jahre lang und verbarg die Wahrheit sogar vor seiner Familie, aber der Mann lebt bis heute! Er ist 100 Jahre alt.

Für tot erklärt 

Dadajew wurde 1920 im Hochlanddorf Kazi-Kumuch in Dagestan geboren. Seine wahre Leidenschaft lag im Tanz. Nachdem er in die tschetschenische Hauptstadt Grosny gezogen war, begann er Ballettunterricht zu nehmen. Als seine Familie später in die Ukraine zog, wurde er eingeladen, im Staatsensemble aufzutreten.

Die Nation war vom natürlichen Talent des 20-Jährigen sehr angetan: Er tanzte, jonglierte, vollführte Tricks und war das Ebenbild des berühmtesten Mannes des Landes.

„Als ich jung war, sah ich dem Führer aller Zeiten und Völker unglaublich ähnlich - so sehr, dass andere Dorfbewohner mich dafür neckten und mich Soso [georgisch für „Josef“ ] nannten. Ich tat so, als würde mich das ärgern, aber in meinem Herzen war ich unglaublich stolz darauf, eine Ähnlichkeit mit dem großen Vater aller Völker zu haben!“, erinnert sich (rus) Dadajew.  

Als der Krieg ausbrach, wurde Dadajew geschickt, um an der Front aufzutreten, um die Stimmung der Soldaten zu heben. Er wurde bei einem feindlichen Angriff schwer verwundet und für tot erklärt. Der Fehler wurde jedoch nicht sofort bemerkt. Dadajews Familie erhielt einen Brief aus der Leichenhalle und für den Rest des Krieges wurde angenommen, dass er gestorben sei.

Der sowjetische Geheimdienst betrachtete dies als Geschenk. Nach einem weiteren Auftritt wurde Dadajew 1943 mit einem üppigen Abendessen verwöhnt und man erklärte ihm, was von ihm erwartet wurde.

Stalins Ebenbild  

„In Wirklichkeit war ich eine 100-prozentige Kopie von Soso! Wir waren uns in Größe, Stimme und Nase gleich. Das Einzige, was mich verriet, waren meine Ohren. Das zu ändern war übrigens nicht allzu schwierig“, erinnert sich Dadajew.

Um wirklich ein überzeugendes Double zu werden, musste der Dagestani elf Kilogramm zulegen, seine Zähne künstlich vergilben (Stalin war ein starker Raucher) und mehrere Monate unter der Aufsicht des NKWD verbringen, um Stalin in jeder Hinsicht perfekt nachahmen zu können. Es gab jedoch einen gravierenden Unterschied: Der ursprüngliche Stalin und sein Doppelgänger waren fast 40 Jahre auseinander. 

„Sie hatten damals nicht die Art von plastischer Chirurgie, die sie heute machen. Ich hatte einen Maskenbildner. Aber er konnte nicht die ganze Zeit anwesend sein. Also musste ich selbst lernen, mir die Pockennarben zu schminken. Ich trug zuerst eine Schicht Braun auf, ähnlich einer Sonnenbräune, nahm dann einen einfachen Kamm mit Metallzinken und drückte ihn tief in mein Gesicht, so bekam ich die tiefen Spuren. Als das Make-up ausgetrocknet war, habe ich noch mehr Make-up aufgetragen“, erzählt Dadajew. „Ich bin den ganzen Tag so herumgelaufen und habe dann abends alles abgewaschen.“

Nur ein sehr enger Kreis von Menschen kannte die Wahrheit. Dadajew musste eine Geheimhaltungsvereinbarung unterzeichnen, die ihm sogar die Kommunikation mit seiner Familie untersagte. 

Ziel von Attentatsversuchen 

Dadajew erhielt einen ersten Auftrag - er erschien vor einer Menschenmenge, umgeben von anderen Parteimitgliedern. „Das Hauptziel war es, einen Testlauf (mit Parteikohorten - Hrsg.) durchzuführen und dabei völlig stumm zu bleiben. Es sollte so wirken, als sei der Anführer nicht in Stimmung für Geschwätz. Aber, wenn ich es aus irgendeinem Grund gezwungen sein sollte, zu sprechen, sollte ich dies lakonisch tun und natürlich Josef Wissarionowitschs Stimme nachahmen. Dies war vielleicht meine bisher einfachste Mission.“

Der Test lief erfolgreich und öffnete die Tür für ernstere Aufträge. Dazu gehörten die Präsenz bei Staatsbesuchen ausländischer Delegationen, die Produktion von Filmmaterial für die Nachwelt, das Verlesen von Erklärungen im Radio, der Auftritt bei der Parade auf dem Roten Platz zur Feier des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg, das Zuwinken der Menschenmassen vom Mausoleum aus und vieles mehr. Und niemand hat etwas bemerkt! Es stellte sich Jahre später heraus, dass sehr oft nicht Stalin selbst, sondern Dadajew aufgetreten war. 

Die vielleicht wichtigste Mission, die ihm jemals übertragen wurde, war die Abreise des Staatsoberhauptes der UdSSR zur Teheraner Konferenz im Jahr 1943.

„Sie hatten die Idee für zwei Flüge - einen, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ich war es, als Stalin verkleidet, der zur angegebenen Zeit auftauchte, ins Auto stieg und mit den Sicherheitskräften im Schlepptau zum Flughafen fuhr. Dies alles sollte Stalin, nun ja, seine Kopie, auf dem Radar ausländischer Geheimdienste erscheinen lassen“, erinnert sich Dadajew, der offensichtlich nicht am eigentlichen Treffen der drei Führer in Teheran teilnahm. Dort wurde jedoch ein weiterer Attentatsversuch auf Stalin unternommen.

Der Doppelgänger traf den echten Stalin nur einmal in seinem Leben. Das Treffen dauerte nicht länger als fünf Minuten und fand in Stalins Empfangsbüro statt. Dadajew, der sich in einem Zustand des Schocks und der Ehrfurcht befand, kann sich nicht an das kleinste Detail erinnern: „Abgesehen von Josef Wissarionowitschs Lächeln - und seinem heftigen zustimmenden Nicken habe ich mir nichts merken können.“  

Nach Stalins Tod war kein Double mehr nötig, und Dadajew war wieder zur Schauspielerei zurückgekehrt ... sowie zur Standup-Komödie. Bis 1996 waren alle Informationen im Zusammenhang mit dem Double streng geheim und wurde in den Tresoren des KGB aufbewahrt. Als die Geheimhaltung aufgehoben wurde, wurde alles öffentlich, aber selbst all diese Jahre später behauptet Dadajew, er könne immer noch nicht die volle Wahrheit preisgeben. Nur ein Kapitel in seinem Buch war der Sache gewidmet.

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