Die Ereignisse des 4. Februars 1990 gingen als bahnbrechend in die russische Geschichte ein. An diesem Tag fand in Moskau die größte politische Demonstration der Sowjetunion gegen die herrschenden Verhältnisse statt. Die Menschen forderten, das Machtmonopol der Kommunistischen Partei abzuschaffen. Laut Umfragen von Meinungsforschern, teilte mehr als die Hälfte der Bevölkerung des Landes diese Meinung, während es in Moskau und St. Petersburg sogar rund 70 Prozent der Befragten waren.
Die stetig zunehmende Unzufriedenheit der Bevölkerung wurde durch die Spannungen zwischen den Unionsrepubliken und vielen Nationalitäten des Landes, die großen Schlangen vor den Läden und die leeren Verkaufsregale noch verschlimmert.
Laut offizieller Statistik nahmen rund 300.000 Menschen an der Demonstration teil. Die Organisatoren schätzen die Zahl auf fast eine halbe Million.
Vladimir Vyatkin/Sputnik
Die Mobilisierung einer solchen Anzahl von Demonstranten in nur zwei bis drei Tagen, als es noch kein Internet und keine sozialen Medien gab, war eine gigantische Aufgabe. Sie wurde von Zehntausenden von Freiwilligen übernommen, die Protestbroschüren druckten und verteilten. Und das zu einer Zeit, als der gesamte Druck noch vom KGB kontrolliert wurde. Die Arbeit wurde dank der Unterstützung verschiedener Bildungseinrichtungen und der breiteren akademischen Gemeinschaft erleichtert.
Gegen Mittag marschierte die Menge von der Krymski-Brücke durch den Gartenring in Richtung Kreml. Die Demonstranten skandierten Losungen wie „Alle Macht dem Volk!“, „Nieder mit der politischen Polizei!“, „Auf wessen Seite stehen Sie, Michail Sergejewitsch?“ (gemeint war Michail Gorbatschow, d. Red.) und andere.
Es gab besonders viele Plakate mit der durchgestrichenen Nummer „6“, was „Nieder mit dem 6. Artikel der sowjetischen Verfassung“ über die führende Rolle der KPdSU bedeutete.
Einer der Redner auf der Demonstration war der zukünftige Präsident der Russischen Föderation, Boris Jelzin.
Interessanterweise waren diese Ereignisse nur dank der von Gorbatschow betriebenen Politik möglich. Die aktive Teilnahme der Demokraten half ihm, gegen konservative Kräfte in der Partei zu kämpfen. Gorbatschow verstand, dass die Mehrparteienidee Unterstützung von unten erforderte.
So wurde die Demonstration erfolgreich organisiert. Die Strafverfolgungsbehörden konnten nur die Sicherheit der Menschen gewährleisten, den Protest unterbinden konnten sie nicht. Dazu waren einfach zu viele Leute auf der Straße.
Die sowjetische Miliz stand auf den Bürgersteigen bereit, mischte sich jedoch nicht ein.
Die Veranstaltung war die erste Demonstration in der Innenstadt - frühere Kundgebungen dieser Art fanden nur im und um das Luschniki-Stadion statt. Es nahmen verschiedene Kräfte teil, darunter Demokraten, Monarchisten und Anarchisten. Den Teilnehmern selbst zufolge sahen sie sich nicht als Opposition, sondern traten lediglich für Veränderungen und Reformen ein.
Die Auswirkungen des Protestes waren sofort zu spüren. In nur drei Tagen, am 7. Februar, wurde ein großes Gremium der Kommunistischen Partei versammelt: der 6. Artikel der Verfassung wurde abgeschafft und damit das Verbot des Mehrparteiensystems aufgehoben.
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