Wie ein sowjetischer Pilot wettete, ein Flugzeug blind landen zu können und tragisch scheiterte

Tu-134

Tu-134

Eduard Marmet (CC BY-SA 3.0)
70 Flugpassagiere fanden im Oktober 1986 den Tod, weil Pilot und Co-Pilot eine irrsinnige Wette abgeschlossen hatten.

Nur wenige Minuten vor 16:00 Uhr am 20. Oktober 1986 näherte sich eine Tu-134 gefährlich schnell der Landebahn in Samara. In nur wenigen Sekunden stürzte das Flugzeug zu Boden und ging in Flammen auf.

Wie sich herausstellte, hatte der Kapitän des Flugzeugs versucht, das Flugzeug blind zu landen, aber die zweifelhafte Wette mit dem Copiloten endete tödlich. 

Landung im Blindflug 

Für die 87 Passagiere und sieben Besatzungsmitglieder sollte es ein regulärer Inlandsflug von Swerdlowsk (heute Jekaterinburg) nach Grosny sein, mit einem Zwischenstopp in Kuibyschew (heute Samara). Einige der Passagiere waren in Begleitung von Kindern. 

Der erste Teil des Fluges verlief unauffällig. Vom Start bis zum Erreichen Kuibyschews gab es keine besonderen Vorkommnisse. Doch als die Stadt am Horizont erschien, hatte der Flugkapitän eine verrückte Idee.

Alexander Kljujew schloss eine Wette mit seinem Co-Piloten Gennadi Schirnow ab. Er sagte, er könne das Flugzeug blind landen, ohne den Boden zu sehen. Er würde sich nur auf die Fluginstrumente verlassen. Warum der Co-Pilot nichts unternommen hat, den Kapitän von dieser Idee abzuhalten, ist unbekannt. Schließlich hätte ihm klar sein müssen, dass die verlorene Wette seinen Tod bedeutete. Doch ein Flugkapitän hatte eine große Autorität gegenüber der restlichen Besatzung. 

Kljujew näherte sich der Landebahn, verband sich die Augen und begann mit der schicksalhaften Landung. Co-Pilot und Besatzung ließen ihn gewähren, selbst als die technischen Systeme warnten. 

Kaum, dass die Tu-134 den Boden berührt hatte, knickte das Fahrwerk ein. Die Maschine überschlug sich und zerbrach in zwei Teile. Auslaufender Kraftstoff entzündete die heißen Triebwerke, das Flugzeug ging in Flammen auf. Die Passagiere waren an Bord gefangen. 

Leichen und beißender Qualm 

Feuerwehrleute, die am Flughafen Dienst hatten, erreichten den Ort der Katastrophe in Rekordzeit. Sie brauchten nur eineinhalb Minuten, um die Maschine zu erreichen und versuchten umgehend, die Passagiere vor den Flammen und dem beißenden Qualm zu retten. 

„Nicht alle haben den schrecklichen Anblick, der sich bot, ertragen können. Der Anblick der Leichen und der stechende Geruch von verbranntem Fleisch führten dazu, dass sich viele von uns übergeben mussten. Wir konnten auch wegen der Dämpfe, die das brennende Material verursachte, nur mit Gasmaske arbeiten“, sagte W. Frygin, einer der Feuerwehrleute, der als erstes an der Unglücksstelle eingetroffen war. 

Die Feuerwehrleute mussten die Flammen bekämpfen und suchten zugleich in den brennenden Trümmern nach Überlebenden zwischen all den Toten.

„Als ich in den rauchgeschwärzten Rumpf eintauchte, sah ich sofort die Leichen über mir. Sie waren angeschnallt. Das Flugzeug hatte sich überschlagen, so dass die Passagiere nun kopfüber in ihren Sitzen hingen. Viele waren nackt, während anderen nur die Schuhe fehlten. Die Kleidung war durch den Luftstrom weggerissen worden oder verbrannt“, beschrieb Frygin die schreckliche Erfahrung.

Tote Körper fielen auf die Feuerwehrleute, als sie sich auf der Suche nach Überlebenden durch das Flugzeug bewegten. Obwohl es ihnen gelang, einige Passagiere zu retten, starben die meisten trotz der heldenhaften Bemühungen der Feuerwehrleute.

Fotos und der KGB 

Die sowjetische Polizei traf an der Absturzstelle ein, sperrte alles ab und beschlagnahmte das Flugzeug. Bald folgte der KGB, um sicherzustellen, dass die grausamen Details des Unglücks nicht an die Öffentlichkeit gelangten. Es war die übliche sowjetische Praxis, Informationen zu zensieren.

Es ist dem Feuerwehrmann Frygin zu verdanken, dass einige Fotos des brennenden Flugzeugs bekannt wurden. „Ich habe nicht nur die Leichen aus dem Flugzeug geholt, sondern – wie es meine Pflicht gewesen ist - auch versucht, so viele Fotos wie möglich vom Unglücksort zu machen. Ich dachte, sie könnten hilfreich sein bei der folgenden Untersuchung zu den Ursachen der Tragödie“, erklärte Frygin.

W. Frygin

Die KGB-Agenten nahmen einen der beiden Filme Frygins an sich. Es gelang ihm jedoch, den anderen unbemerkt einem Kollegen zuzustecken.  

Nach dem Flugzeugabsturz kamen die Ermittler zu dem Schluss, dass es die Schuld der Piloten war: Der Kapitän hatte gegen die Flugregeln verstoßen und der Copilot hatte keine Maßnahmen ergriffen, um den Absturz zu verhindern. 

Kapitän Alexander Kljujew wurde vor Gericht gestellt - in einer nicht-öffentlichen Anhörung - zu der auch keine Pressvertreter zugelassen waren. Er wurde zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Nach sechs Jahren wurde er vorzeitig entlassen. Der Co-Pilot Gennadi Schirnow konnte nicht mehr vor Gericht gestellt oder befragt werden, da er kurz nach dem Absturz im Krankenhaus starb. Zeugen sagten aus, er habe verzweifelt versucht, Passagiere zu retten, indem er mehrmals in das brennende Flugzeug stieg, bevor er bewusstlos wurde.

Diese wahnsinnige Wette forderte den Tod von 70 Menschen, darunter 14 Kinder, und ließ unzählige weitere Menschen trauernd zurück, die ihre Liebsten verloren hatten. 

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