Russisches Notfallministerium: Drei dramatische Einsätze seiner Rettungskräfte

Neftegorsk, 27. Mai 1995

Neftegorsk, 27. Mai 1995

Igor Mikhalew/Sputnik
Das russische Notfallministerium, das in den frühen 1990er Jahren gegründet wurde, steht oft vor schwierigen Herausforderungen. Sie anzugehen erfordert von den Einsatzkräften viel Mut und Können – wodurch sie jedoch zahlreiche Leben retten.
  1. Die Katastrophe am seidenen Faden

Im September des Jahres 1991 war die Stadt Ufa nur einen Schritt von einer großen Industriekatastrophe entfernt, als ein Raffinerieschornstein brach. Ein gigantisches, 30 Meter langes und 700 Tonnen schweres Betonstück blieb jedoch hängen. Es drohte abzubrechen und jenen Teil der Raffinerie zu treffen, in dem leicht entzündliche Brennstoffe erzeugt wurden. Die dadurch ausgelöste Explosion hätte dabei ein kleines Erdbeben erzeugt und in der Millionenstadt zu unzähligen Todesfällen geführt.

Aus diesem Grund wurde beschlossen, das hängende Betonstück mithilfe einer Reihe von kontrollierten Explosionen zu entfernen – ein riskantes Vorgehen, da man die Explosionen sorgfältig berechnen musste, um das hängende Schornsteinstück an die richtige Stelle fallen zu lassen. Als ebenso schwierig erwies es sich, die 350 Kilogramm Sprengstoff bei starkem Wind auf einer Höhe von 120 Metern anzubringen und sicher zu befestigen. Eine Gruppe von Rettungsspezialisten kam aus Moskau, um den Einsatz zu koordinieren.

Der Ufa-Schornstein-Einsatz war einzigartig. Bis dahin hatte noch niemand versucht, ein großes Stück eines Gebildes mit einer Reihe kontrollierter Explosionen zu durchtrennen. Die zuständigen Sprengstoffmeister führten dafür zunächst die genauen Berechnungen durch und ließen dann den Sprengstoff sorgfältig von Bergsteigern am Schornstein befestigen.

„Durch die Explosion fiel das Schornsteinstück auf eine spezielle Pufferzone aus Sand und Holz, also genau an die Stelle, auf die es fallen sollte und zerkratzte nur leicht die nahe gelegenen Rohre“, sagte (rus) der damals für die Sicherheit verantwortliche Rettungsspezialist Wladimir Kawunenko.

Der restliche Teil des Schornsteins überstand die Explosion, wurde anschließend repariert und wieder in Betrieb genommen. Die mutige Tat der Rettungskräfte steht seitdem im Guinness-Buch der Rekorde.

  1. Von einem Erdbeben begraben

Am 28. Mai des Jahres 1995 erschütterte ein Erdbeben auf der fernöstlichen Insel Sachalin die kleine Stadt Neftegorsk. Mit einer Erdbebenstärke von 7,6 gehört es bis heute zu Russlands stärksten Erdbeben der letzten 100 Jahre. Die meisten der 3 200 Bewohner schliefen, als das Erdbeben um ein Uhr morgens einsetzte und 17 fünfstöckige Gebäude, die nur einem Erdbeben bis 6,0 standgehalten hätten, zum Einsturz brachte. Darüber hinaus wurden viele Straßen und Brücken zerstört, die für schnelle Rettungsmaßnahmen vonnöten gewesen wären.

Mehr als 1 500 Rettungskräfte wurden zum Einsatzort geschickt. Koordiniert wurde die Rettungsaktion vom Katastrophenschutzminister Sergej Schoigu, der sich später an einen unglaublichen Vorfall erinnerte:

„Ein paar Tage nach dem Beben fanden Retter einen Mann, dessen Beine von Betonblöcken zerquetscht worden waren. Er war bei Bewusstsein und hoffte, bald befreit zu werden. Die Ärzte erkannten jedoch, dass seine Beine bereits von einer Infektion befallen waren. Sein Körper würde also nicht in der Lage sein, mit dem Schock fertigzuwerden, sobald die Betonblöcke angehoben würden. Als der Mann diese Nachricht hörte, bat er um Wodka und Zigaretten. Er trank, rauchte und sagte dann: ‚Hebt sie an!‘ Kurz darauf starb er in den Armen der Rettungskräfte.“

Dieses tragische Ereignis veranlasste laut Schoigu (rus) das Ministerium dazu, eine besondere Ausrüstung für eine mobile Blutreinigung zu entwickeln.

Während der Rettungsaktion wurde zum ersten Mal von der stillen Stunde Gebrauch gemacht, die seitdem weltweit in solchen Situationen zum Einsatz kommt. Dafür wurden alle Such- und Räumungsaktivitäten gestoppt, damit die Rettungskräfte aufmerksam hinhören und weitere Überlebende finden konnten.

Insgesamt wurden trotz der extrem schwierigen Bedingungen 406 Menschenleben gerettet. Mehr als 2 000 Menschen verloren bei dieser Tragödie jedoch ihr Leben.

  1. Ein Feuer verschlingt Europas höchstes Gebilde

Der Fernsehturm „Ostankino“, das höchste Bauwerk in Russland und Europa, geriet am 27. August 2000 auf einer Höhe von 460 Metern in Brand. Aufgrund eines nicht funktionierenden Feuerlöschsystems und brennenden Kabelleitungen, die eine Art „Feuerregen“ erzeugten, breitete sich das Feuer mit rasender Geschwindigkeit aus.

Die ersten Feuerwehrleute und Rettungskräfte kamen innerhalb von zehn Minuten am Einsatzort an und evakuierten alle Menschen aus dem Gebäude. Da die engen Treppen nicht begehbar waren, mussten die Rettungskräfte die Aufzüge benutzen, um die Leute nach unten zu befördern. Leider stürzte dabei einer der Aufzüge aus 300 Metern in die Tiefe und tötete einen Feuerwehrmann und zwei Mitarbeiter.

Die Feuerwehrmänner versuchten, das sich im Turm ausbreitende Feuer einzudämmen, doch herabfallende Trümmer zerstörten das Material, das die Flammen aufhalten sollte. Fast 2 400 Einsatzkräfte bekämpften 24 Stunden lang den Brand. Wegen der hohen Temperaturen gingen 120 der 149 stützenden Kabel des Gebäudes kaputt, sodass der Turm einzustürzen drohte. Auf einer Höhe von 80 Metern schafften es die Feuerwehrleute jedoch, das Feuer zu löschen. Der darauffolgende Wiederaufbau vom Fernsehturm „Ostankino“ dauerte einige Jahre.

>>> Fernsehturm Ostankino: Luftiger Ausflugstipp über der russischen Hauptstadt

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