„Brautkleidung“ von Konstantin Makowski, 1890.
Serpukhov History and Arts MuseumDie Russisch-orthodoxe Kirche sträubte sich, der Scheidung von Eheleuten zuzustimmen. Dafür musste ein guter Grund vorliegen, der durch das Kirchenrecht bestimmt wurde – zum Beispiel die Kirchenordnung von Jaroslaw dem Weisen (11. - 12. Jahrhundert). Es legte eindeutig fest, dass weder ein Mann noch eine Frau eine neue Ehe schließenkönnen, ohne die alte aufzulösen. Gleichzeitig stellte eine schwere oder unheilbare Krankheit eines der Ehegatten keinen Scheidungsgrund dar.
Und doch waren Gründe für eine Scheidung „durch das Verschulden der Ehefrau“ in der Kirchenordnung festgelegt. Zu den wichtigsten gehörten versuchter Mord oder das Bestehlen des Ehemanns, sowie das Aufsuchen von „Spielvergnügen“und fremden Häusern ohne ihren Ehemann. Und natürlich Ehebruch.
Im 17. Jahrhundert, so schreibt die Historikerin Natalia Puschkarewa, „galt der Mann als Ehebrecher, wenn er eine Geliebte und Kinder von ihr an der Seite hatte“, die Frau jedoch, wenn sie nur auch nur eine einzige Nacht außerhalb des Hauses verbrachte. Nachdem der Ehemann vom „Ehebruch“ der Frau erfahren hatte, war er aus Sicht der Kirche verpflichtet, sich von ihr scheiden zu lassen.
„Bojaryschnja“ von Firs Schurawljow, 1897.
Museum of Fine Arts of TatarstanDie geschiedenen Frauen wurden von der Gesellschaft als minderwertig behandelt und konnten nicht mit einer zweiten Hochzeit rechnen, sondern durfte bestenfalls nur mit einem anderen Mann zusammenleben. Im 17. Jahrhundert hieß es: „Es gibt die Ehe, aber es gibt keine Scheidung“, der die Realität der der damaligen Zeit sehr gut widerspiegelte. Die Kirchentexte ließen generell die Möglichkeit einer Scheidung durch Verschulden des Ehemannes zu. Der Grund für eine Scheidung konnte Impotenz sein („wenn ein Mann seiner Frau nicht beiwohnt, sollen sie [aus diesem Grund] getrennt werden“, heißt es in einem Text aus dem 12. Jahrhundert) oder die Unfähigkeit eines Mannes, Familie und Kinder zu ernähren (z.B. wegen Trunkenheit). Leider liegen keine Dokumente mehr über die Scheidung auf Initiative einer Frau wegen Verrats oder einer anderen Schuld ihres Mannes aus der Zeit vor Zar Peter I. vor.
Die einfachen Leuten – Bauern und arme Stadtbewohnern – konnte das Problem nur lösen, indem sie dem Ehepartner davonliefen. Das Gesetz schrieb formell vor, nach entlaufenen „Ehefrauen“ zu suchen und sie zu ihren Ehemännern zurückzubringen – aber über entlaufene Ehemänner ist nichts bekannt. Es gab also einen Ausweg aus der Situation. Aber die Adligen, und vor allem die Fürsten und Könige, deren Leben definitionsgemäß fromm sein sollte, konnteneine Scheidung viel schwieriger vollziehen. Vom 13. bis 14. Jahrhundert war es eine weit verbreitete Praxis, untreuen Ehefrauen den Kopf zu rasieren und sie ins Kloster zu schicken – oft mit Gewalt.
„Solomonia Saburowa. Demut“ von Polina Mineewa.
Private collectionIwan der Schreckliche verdankte seine Geburt in gewisser Weise der Scheidung seines Vaters, Großfürsten Wassili III. von Moskau (1479 - 1533). Seine erste Frau, Solomonia Saburowa (1490 - 1542), konnte in den 20 Jahren ihres gemeinsamen Lebens keinen Erben gebären. Die Kinderlosigkeit in der Familie gefährdete den Fortbestanddes Geschlechts der Rurikiden. Großfürst Wassili III.bat sogar den Patriarchen von Konstantinopel um Genehmigung zurScheidung wegen der Unfruchtbarkeit seiner Frau, aber der Patriarch sah dies nicht als ein ausreichenden Grund für die „Trennung“ an.
Wassili beschloss, sich von Solomonia scheiden zu lassen und zwang sie, sich als Nonne weihen zu lassen, da er ihr nichts vorwerfen konnte, was als Grund für die Scheidung hätten dienen können. WassilisHandeln wurde von den Hierarchen der Kirche aufs Schärfte verurteilt, aber 1525 musste Solomonia dennoch ins Kloster gehen. Bereits im nächsten Jahr heiratete Wassili III. Jelena Glinskaja und drei Jahre später brachte dieseeinen Nachfolger, den zukünftigen Iwan den Schrecklichen, zur Welt.
Anonymer Künstler. Porträt der Zarin Ewdokija Lopuchina aus dem 18. Jahrhundert (1669-1731).
Russian State HermitageDieser wandte den „Trick“ bei seiner vierten Frau Anna Koltowskajaan – auch sie wurde gewaltsam zur Nonne geweiht. Dieses Schicksal wurde ebenso seiner nächste Frau, Anna Wassiltschikowa zu Teil.
Der letzte Zar, der die Nonnenweihe als Scheidungsinstrument einsetzte, war Peter der Große. Er wurde 1689 mit seiner ersten Frau Jewdokija Lopuchina verheiratet. Zwar wurde dem Paar 1690 ein Sohn, Zarewitsch Alexej Petrowitsch (1690 - 1718) geboren, aber bereits 1692 verließ Peter seine Frau und lebte mit seiner „Mätresse“ Anna Mons.
1698 weigerte sich Jewdokija, die Weihe als Nonne zu empfangen, woraufhin sie in das Pokrowskij-Kloster eskortiert wurde. Doch offenbar schämte der Zar sich für seine Tat und heiratete erst 1712 ein zweites Mal, und zwar Marta Skawronskaja (die spätere Katharina I.).
Das Pokrowsk-Kloster, Susdal, Russland.
Walking catastrophe (CC BY-SA 3.0)„Vor der Krönung der Braut“ von Firs Schurawljow, 1874.
Russian MuseumIn der Epoche Peters des Großen wurde die Kirche der weltlichen Macht unterstellt –er schaffte das Patriarchat ab und unterstellte die Kirche der von ihm gegründeten Heiligen Synode. Unter Peter dem Großen legte die russische Gesetzgebung die „würdigen“ Gründe für eine Scheidung klarer fest: nachgewiesener Ehebruch eines der Ehegatten, das Vorliegen einer vorehelichen Krankheit, die die ehelichen Beziehungen unmöglich machte (schwere Geschlechtskrankheit oder Impotenz), Aberkennung der Bürgerrechte und Exil eines der Ehegatten und die Abwesenheit eines der Ehegatten aus unbekannten Gründen für mehr als fünf Jahre.
Zur „Bearbeitung“ eines solchen Scheidungsantrags musste der Antragsteller sich an das Konsistorium der zuständigenDiözese wenden. Die endgültige Entscheidung über die Auflösung einer Ehe – auch einer zwischen Bauern geschlossenen – traf nun die Heilige Synode.
Die Statistik zeigt, dass Scheidungen nur sehr selten auftraten. Im Jahr 1880 gab es 920 Scheidungen im Land mit seinen mehr als 100 Millionen Einwohnern. Laut Volkszählung von 1897 kamen auf 1.000 Männer eine und auf 1.000 Frauen zwei Scheidungen. Im Jahr 1913 gab es 3.791 Scheidungen (0,0038%) auf 98,5 Millionen orthodoxe Menschen im gesamten russischen Reich.
In der damaligen Gesellschaft war eine Scheidung sehr schwierig zu vollziehen, selbst für Adlige. 1859 beschloss Fürstin Sofia Naryschkina, sich aus einem schwerwiegenden Grund von ihrem Mann scheiden zu lassen – ihr Mann hatte ihr erzählt, dass er sich während einer Auslandsreise eine Geschlechtskrankheit zugezogen hatte und impotent geworden war. Der Antrag wurde von der Heiligen Synode über 20 Jahre behandelt und letztendlich negativ beschieden.
DasProblem der Trennung von ihrem Ehepartner mussten russische Adlige also irgendwie selbst lösen – meistens ging das Paar einfach getrennte Wege. Ohne die Auflösung der Ehe waren die Ehemänner jedoch weiterhin finanziell für ihre Frauen verantwortlich, unterhielten sie und teilten das Eigentum mit ihnen.
Mit der Machtergreifung der Bolschewiki wurde die Frage der Scheidung radikal gelöst. Nach dem Dekret über die Auflösung der Ehe konnte die Scheidung nicht mehr von der Kirche, sondern nur noch von staatlichen Behörden durchgeführt werden – und das sogar, wenn der Antrag nur von einem der Ehepartner gestellt wurde. Das Schließen und Auflösen von Ehen dauerte nun meist nur wenige Minuten.
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