Als die Russen Beirut eroberten

Ivan Aivazovsky; Vigilius Eriksen
Die ersten russischen Militärstützpunkte im Nahen Osten gab es bereits im 18. Jahrhundert.

Kampf ums Mittelmeer 

Am 29. September 1773 drangen russische Truppen zum ersten Mal in Beirut ein, eine der ältesten Städte der Levante (früher wurde damit ein großes Gebiet im östlichen Mittelmeer bezeichnet). Es war eine der prominentesten Episoden des russisch-türkischen Krieges von 1768-1774. Die Niederlage der türkischen Streitkräfte in der Çeşme-Bucht (bei Izmir) im Juli 1770 wurde zu einem der entscheidenden Ereignisse, die den Verlauf des Konflikts veränderten.

Die Seeschlacht von Çeşme

Während die Russen den Feind zu Lande und zur See schlugen, kämpfte das Osmanische Reich mit der Niederschlagung zahlreicher Aufstände innerhalb seiner Grenzen. Während der Sultan auf dem Balkan und in der Schwarzmeerregion beschäftigt war, nutzten Istanbuls Vasallen - die Scheichs der Levante und Ägyptens - die Gunst der Stunde, um eine Reihe von Aufständen anzuzetteln. 

Die separatistischen Bewegungen gewannen schnell die Unterstützung der russischen Flotte. Und so kam es, dass der palästinensische Scheich Zahir al-Umar al-Zaydani am 11. Juni 1772 mit Unterstützung der Russen die türkischen Truppen bei Sidon besiegen konnte. 

Der palästinensische Scheich Zahir al-Umar al-Zaydani

Es war Zahir, der seine russischen Verbündeten auf ein neues Ziel hinwies - Beirut, das unter der Herrschaft des Emirs von Mount Lebanon, Yusuf Shihab, stand. Dieser strategisch wichtige Mittelmeerhafen diente als Hauptversorgungslinie für eines der wichtigsten Machtzentren des Osmanischen Reiches, die Stadt Damaskus. 

Die Eroberung der Stadt

Der erste Versuch, Beirut einzunehmen, erfolgte im Juni 1772 durch die mit Russland verbündeten griechischen Rebellen. Auf Befehl des russischen Kommandos unterzog ein kleines griechisches Geschwader unter dem Kommando von Major Gregorios Rizo die Stadt einem fünftägigen Dauerfeuer, bevor die Besatzung von Bord ging und Plünderungen begannen. 

Yusufs Vertreter wurde entsandt, um mit Rizo zu verhandeln. Geschockt von Russlands Erfolg und Scheich Zahirs Siegen im benachbarten Palästina, zollte der Emir nicht nur den griechischen Eroberern seinen Tribut, sondern schwor schließlich dem Russischen Reich die Treue, wurde zum Untertanen und reihte sich in die Reihen der Feinde des Osmanischen Reiches ein. 

Dennoch wollten die Türken nicht tatenlos zusehen, wie ihnen die gesamte Levante entglitt. Beirut wurde fast sofort und ohne Widerstand von den Truppen des osmanischen Befehlshabers Ahmad Pascha al-Jazzar eingenommen. Dieser beabsichtigte, die Stadt so schnell wie möglich in eine uneinnehmbare Festung zu verwandeln. „Tag und Nacht bauen die Menschen unter bewaffnetem Schutz Befestigungsanlagen und Mauern. Jede Nichteinhaltung durch die Bewohner der Stadt hatte eine harte Bestrafung zur Folge, mehrere Menschen wurden getötet und viele als Rebellen verhaftet, schrieb ein lokaler Chronist. Mit dem Verlust der Stadt war Emir Yusuf vom Meer abgeschnitten und musste verzweifelt auf Hilfe durch seine Verbündeten hoffen. 

Ahmad Pascha al-Jazzar

Am 23. Juli 1773 wurde Beirut von einem russischen Geschwader unter dem Kommando von Kapitän Michail Koschuchow vom Meer abgeschnitten. Die Armeen des Emirs blockierten die Stadt an Land. Je länger die Belagerung andauerte, desto schneller schwand Yusufs Armee - die libanesischen Grundbesitzer beorderten ihre Soldaten einfach nach Hause. Infolgedessen lastete die meiste Arbeit auf den Schultern der Russen. Die ausgeschifften Truppen bildeten schnell einen Ring um Beirut und schnitten alle Nachschublinien ab. Für einen vollständigen Sturm reichten die Kräfte jedoch nicht aus. 

Im September 1773 unternahm die hungrige und müde Garnison von Beirut einen erfolglosen Durchbruchsversuch. Es stellte sich bald heraus, dass Scheich Zahir die osmanischen Truppen, die auf dem Weg zur Unterstützung waren, auseinandergetrieben hatte. Daraufhin kapitulierte Ahma al-Jazzar am 29. September.

Russischer Libanon?

Gemäß den Vereinbarungen, die zwischen Yusuf und dem russischen Kommando getroffen wurden, würde ersterer die Russen für die entstandenen Verluste entschädigen, indem er eine Summe von 300.000 türkischen Piastern (fast acht Tonnen Gold) schickte. Daraufhin übergab Koschuchow offiziell die Kontrolle über die Stadt an den Emir. 

Die russische Flotte blieb bis Januar 1774 in Beirut. Dann verließ sie die Stadt in Richtung ihrer ständigen Basis auf der griechischen Insel Paros. 

Während der gesamten Zeit der russischen Präsenz in der Levante lobte Yusuf Shihab die engen und freundschaftlichen Beziehungen zwischen seinem Staat und dem „Sultan von Moskowien (gemeint war Katharina II.). Das Haupttor von Beirut zeigte sogar die Ikone der Heiligen Katharina mit einer Kaiserkrone. 

Die Übergabe der Kontrolle an Russland würde die praktische Unabhängigkeit des Libanon bedeuten. Denn wie der Emir richtig gedacht hatte, waren die Russen physisch nicht in der Lage, dieses ferne Land unter strenger Kontrolle zu halten. 

Die herrschende Elite des Russischen Reichs verstand, dass sie weder über ausreichende Ressourcen noch über eine schlagkräftige Flotte verfügte, um eine Provinz zu halten und zu kontrollieren, die direkt vor der Tür der Türkei lag. Darüber hinaus befand sich das Land zu diesem Zeitpunkt inmitten eines Bauern- und Kosakenaufstandes, der von Jemeljan Pugatschow angezettelt worden war. Katharina II. hatte keinerlei Ressourcen, um sich mit entfernten, exotischen Ländern zu befassen. 

Die Unterzeichnung des Friedensvertrags von Kutschuk-Kainarji

Nach der Unterzeichnung des Friedensvertrags von Kutschuk-Kainarji mit dem Osmanischen Reich am 21. Juli 1774 verließ die russische Flotte schließlich das Mittelmeer.

>>> Seeschlacht von Çeşme 1770: Der größte Sieg der russischen Flotte

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung ausschließlich unter Angabe der Quelle und aktiven Hyperlinks auf das Ausgangsmaterial gestattet.

Weiterlesen

Diese Webseite benutzt Cookies. Mehr Informationen finden Sie hier! Weiterlesen!

OK!