Von der Krim bis Taschkent: Was wurde nach der Revolution von 1917 aus den Zarenpalästen?

Geschichte
ANNA SOROKINA
Was ist mit den prächtigen Paläste der russischen Zaren geschehen? Wie viele von ihnen sind erhalten geblieben?

Vor der Revolution lebten nicht nur die Kaiser selbst, sondern auch ihre zahlreichen Verwandten in Palästen, die von den besten Architekten der damaligen Welt gebaut wurden. Die meisten der heute noch  erhaltenen Paläste befinden sich in St. Petersburg, aber auch in Städten im heutigen Europa und in Asien gibt es Residenzen der Zarenfamilie. 

1 Kaiserlicher Reisepalast in Twer

Dieser Palast war als Erholungsort für Adelige gedacht und wurde Mitte des 18. Jahrhunderts errichtet. Gleichzeitig residierte hier ständig ein Fürst von kaiserlichem Geblüt. Der Palast war das Zentrum der gehobenen Gesellschaft Twers. Hier fanden literarische Abende, Bälle und Vorträge statt. Es war ein sehr mondäner Ort. Nach der Revolution war das Exekutivkomitee von Twer in dem Gebäude untergebracht. Heute befindet sich hier eine Gemäldegalerie. Es ist faszinierend, nicht nur die Bilder zu betrachten, sondern auch die alte Architektur: Das Haus selbst, die Ställe, die Nebengebäude, den Garten und den Wintergarten.

2 Der Palast von Alexander III. in Massandra

Die Krim war traditionell das bevorzugte Urlaubsziel der Zarenfamilie und der ihr nahestehenden Würdenträger, und hier haben sich einige architektonisch sehr interessante Herrenhäuser erhalten. Der Massandra-Palast - Ende des 19. Jahrhunderts errichtet und unweit von Jalta gelegen - gleicht einer Ritterburg: Er ist mit spitzen Türmchen, Balkonen mit geschnitzten Säulen und „Sphinxen“ mit Frauenköpfen geschmückt. Gleichzeitig gibt es keine offiziellen Prunkräume. Nach der Revolution befand sich hier ein Sanatorium, das bis 1941 bestand. Danach wurde es zur Datscha der Regierung für die sowjetischen Führer. Seit 1992 ist der Palast ein Museum (Besichtigungen werden in der Regel mit Weinverkostungen verbunden). Von der ursprünglichen Einrichtung sind nur noch die Fensterrahmen und Böden erhalten.

3 Livadia-Palast auf der Krim

Der letzte Palast der Romanows wurde 1911 für Nikolaus II. in Livadia gebaut. Nur vier Mal besuchte der letzte Zar diesen Ort. Natürlich konnte Livadia nicht mit dem Winterpalast konkurrieren. Es gab „nur“ 116 Zimmer und wenige Nebengebäude. Doch es war ein sehr moderner Bau. Es gab eine Zentralheizung, ein Telefon und sogar einen Aufzug. Interessant war auch das Beleuchtungskonzept. An der Decke des formellen Speisesaals gab es keine Kronleuchter: Stattdessen verbarg der Architekt mehr als 300 Lichter am Rand des Raumes.

Im Livadia-Palast fand im Februar 1945 die Jalta-Konferenz der alliierten Führer statt. Heute befindet sich hier ein Museum.

Rondelle mit den Initialen der Romanows sind erhalten geblieben, ebenso wie eine massive Eingangstür und ein weißer deutscher Flügel, auf dem die Töchter von Nikolaus II. zu spielen pflegten. Eine Touristenroute - der Zarenpfad - führt über das Anwesen und bietet auf rund sechs Kilometern einen malerischen Ausblick auf das Schwarze Meer und Jalta. 

4 Dulber-Palast in Koreis

Wenn man diesen Palast sieht, glaubt man fast, man sei in einem der nordafrikanischen Länder. Dulber war die Residenz eines Enkels von Nikolaus I. - Großfürst Peter Nikolajewitsch. Er wurde Ende des 19. Jahrhunderts von dem Architekten Nikolaj Krasnow, der auch den Livadia-Palast entworfen hatte, nach Plänen des Großfürsten erbaut, der viel im Nahen Osten unterwegs gewesen war. Der Palast im maurischen Stil war mit silberfarbenen Kuppeln und Zitaten aus dem Koran geschmückt. Nach der Revolution kamen weitere Enkel von Nikolaus I. nach Dulber - die Großfürsten Alexander Michailowitsch und Nikolaus Nikolajewitsch sowie die Zarenwitwe Maria Feodorowna (die Mutter von Nikolaus II.). Im Jahr 1919 verließen sie die Krim an Bord eines britischen Kreuzers und entkamen so drohendem Ungemach. Bald darauf wurde der Dulber-Palast in Sanatorium Rotes Banner umbenannt, wo sich die Parteiführer erholten. Heute ist das Sanatorium für alle zugänglich.

5 Palast des Großfürsten Nikolaus Konstantinowitsch in Taschkent

Großfürst Nikolaus Konstantinowitsch, der jüngere Bruder von Kaiser Alexander III., wurde Ende des 19. Jahrhunderts wegen eines Familienskandals nach Turkestan an den Rand des Reiches verbannt. In Taschkent (der Hauptstadt des heutigen Usbekistans) durfte er einen Palast errichten. In dem außergewöhnlichen und aus gebrannten Ziegeln im östlichen Stil errichteten Gebäude ist vieles aus dieser Zeit erhalten geblieben - von einer gusseisernen Wendeltreppe bis hin zu alten Kastanienbäumen und Eichen im Garten. Der Großherzog starb Anfang 1918 an einer Lungenentzündung und vermachte den Palast der Stadt. Nach seinem Tod beherbergte er einen Pionierpalast und ein Antiquitätenmuseum. Seit 1992 dient er als Empfangsgebäude des Außenministeriums, aber es werden auch Führungen durch das Haus angeboten.

6 Palast in Likani, Borjomi

Der Enkel von Nikolaus I., Großfürst Nikolaus Michailowitsch, war sehr wohlhabend und besaß eine Reihe von Immobilien, darunter den Nowo-Michailowski-Palast in St. Petersburg, mehrere Anwesen in verschiedenen Regionen Russlands und diesen Palast in Borjomi (heute ein Ferienort in Georgien). Er nutzte es als seine Sommerdatscha. Er stammt aus dem späten 19. Jahrhundert und ist im maurischen Stil gehalten. Auf dem Gelände des Palastes befindet sich ein großer Park und eine Mineralwasserquelle. Nach der Verstaatlichung wurde der Palast in Likani zur Regierungsdatscha für sowjetische und später georgische Führer. Heute ist der Palast ein Museum. Schon vor Beginn des Ersten Weltkriegs sah der Großfürst selbst den Sturz der Monarchie in Russland voraus. Er starb 1919 in der Peter-und-Paul-Festung an der Seite seines Bruders und seiner Cousins.