Michail Kutusow: Der russische Militärführer, der Napoleons Grande Armée zerschlug

State Tretyakov Gallery / Public Domain
Michail Kutusow gelang es, die beste Armee Europas durch Zermürbung und mit List zu schlagen. Innerhalb weniger Monate schrumpfte Napoleons Grande Armée von über 600.000 Soldaten auf weniger als 100.000. 

Porträt von Kutusow. Gemälde von Roman Wolkow.

„Ich kann nicht versprechen, ihn zu besiegen, aber ich werde ihn überlisten“, antwortete der Oberbefehlshaber der russischen Armee Michail Kutusow auf die Frage, wie er gegen Napoleon vorgehen wolle, dessen Truppen im Juni 1812 in das Russische Reich eingedrungen waren. Die besondere Stärke des russischen Befehlshabers lag in der Tat in seiner Gerissenheit und seiner Fähigkeit, den Feind über seine wahren Absichten zu täuschen. 

Porträt von Kutusow. Gemälde von George Dawe.

Bevor er „der alte Fuchs des Nordens“ wurde, wie Bonaparte ihn zu nennen pflegte, war Kutusow ein furchtloser junger Offizier. Dieser rücksichtslose Mut hätte ihn fast das Leben gekostet: Während des Krieges gegen die Türken im Juli 1774 drang eine Kugel in Kutusows linke Schläfe ein und trat in der Nähe seines rechten Auges wieder aus. 

Etwa 14 Jahre später, während eines anderen militärischen Konflikts gegen das Osmanische Reich, wurde er erneut verwundet, wobei die Kugel „hinter beiden Augen von Schläfe zu Schläfe“ ging. „Man kann daraus schließen, dass das Schicksal etwas Großes mit Kutusow vorhat, denn er hat zwei Wunden überlebt, die nach allen Regeln der medizinischen Wissenschaft tödlich gewesen wären“, so der Chirurg Jean Massot, der ihn damals behandelte. 

Die Belagerung von Ismail. Gemälde von Michail Iwanow.

Kutusow nahm an zahlreichen Feldzügen gegen die Türken teil. Als Befehlshaber einer der vorrückenden Truppenkolonnen spielte er am 22. Dezember 1790 eine Schlüsselrolle bei der Einnahme der als uneinnehmbar geltenden Festung Ismail. 

Die Schlacht bei Austerlitz. Gemälde von François Gerhard.

Doch Kutusow erlebte auch einige Niederlagen, insbesondere in der Schlacht von Austerlitz am 2. Dezember 1805. Als Oberbefehlshaber der russisch-österreichischen Armee wusste er, dass seine Truppen zu diesem Zeitpunkt noch nicht für eine Entscheidungsschlacht gegen Napoleon bereit waren, musste sich aber dem Willen von Kaiser Alexander I. beugen, was ihm in den folgenden Jahren viel Kritik einbrachte. „Bei Austerlitz fehlte ihm die Zivilcourage, dem jungen Kaiser die ganze Wahrheit zu sagen, um eine der größten Katastrophen für das Vaterland zu verhindern, schrieb der russische Militärhistoriker General Heinrich Leer im 19. Jahrhundert. 

Alexander I.. Gemälde von Stepan Schtschukin, 1808

Am 24. Juni 1812 überschritt Napoleons Grande Armée die Grenze zum Russischen Reich. Der amtierende Oberbefehlshaber der russischen Armee, Michael Barclay de Tolly, vermied es, sich den Franzosen in einer großen Schlacht zu stellen, und zog es vor, sich ins Landesinnere zurückzuziehen. Die öffentliche Unzufriedenheit mit dieser Taktik veranlasste Alexander I. schließlich, Kutusow am 18. August zum neuen Oberbefehlshaber zu ernennen. „Endlich (. . .) kam die Nachricht von der Ankunft Kutusows, eines Veteranen der russischen Armee, der zum Oberbefehlshaber ernannt worden war.  (. . .) Die ganze Armee betrachtete diesen grauhaarigen Krieger als ihren rettenden Engel, erinnerte sich der Offizier Iwan Dreiling. 

Napoleon auf den Borodino-Höhen. Gemälde von Wassili Wereschtschagin.

Kutusow war jedoch auch nicht allzu erpicht darauf, den Feind in eine Schlacht zu verwickeln, und stimmte im Großen und Ganzen seinem Vorgänger zu: Die Grande Armée musste durch Zermürbung besiegt werden. Dennoch sah sich der Befehlshaber unter dem Druck der Öffentlichkeit gezwungen, am 7. September in der Nähe des Dorfes Borodino gegen die Armee Napoleons zu kämpfen. Keine der beiden Seiten konnte einen entscheidenden Sieg erringen. Wie Napoleon später feststellte: „Die Schlacht von Borodino war die schönste und furchtbarste, die Franzosen haben sich des Sieges würdig gezeigt, und die Russen haben es verdient, unbesiegt zu bleiben.“

Die Schlacht um Moskau. Gemälde von Louis Lejeune.

Aufgrund der großen Verluste und der aufgebrauchten Reserven traf Kutusow die schwierige Entscheidung, Moskau an den Feind abzutreten. „Mit dem Verlust von Moskau ist Russland nicht verloren. Ich halte es für die wichtigste Aufgabe, die Armee zu retten“, sagte er am 13. September vor einem Militärrat.  

Kutusow beim Rat von Fili. Gemälde von Alexej Kivschenko.

Am 14. September 1812 verließ die russische Armee Moskau und zog nach Südosten in Richtung Rjasan, drehte aber zwei Tage später scharf nach Westen ab. Gleichzeitig führte die Nachhut die verfolgende Kavallerie von Marschall Murat auf der Straße nach Rjasan an, so dass die Franzosen - fälschlicherweise - glaubten, sie verfolgten die Hauptkräfte der Russen. Erst fünf Tage später erkannten sie ihren Irrtum. Zwölf Tage lang hatte Napoleon keine Ahnung, wo sich die russische Armee befand. Als sie von den Franzosen schließlich entdeckt wurde, stellte sich heraus, dass sich die russische Armee bereits in der Nähe des Dorfes Tarutino, 90 Kilometer südwestlich von Moskau, verschanzt hatte und den Zugang zu den südlichen Provinzen mit ihren Lagern und Stützpunkten zuverlässig verteidigte. „(...) Der listige Kutusow hat mich mit seinem kühnen Marsch getäuscht, klagte der Franzose.   

Die Schlacht von Tarutino. Gemälde von Peter von Heß.

Moskau entpuppte sich für Napoleon als Falle, in der seine Armee durch erzwungene Untätigkeit, Trunkenheit und Plünderungen schnell an Moral zu verlieren begann. Da seine Friedensangebote an den russischen Zaren unbeantwortet blieben, verließen Napoleon und seine Truppen am 19. Oktober die Stadt. Kutusow verwehrte ihm den Durchbruch nach Süden und zwang die Grande Armée zum Rückzug über die Smolensker Straße, die sie im Sommer selbst geplündert hatte. 

Rückzug Napoleons aus Russland. Gemälde von Wassilij Wereschtschagin.

Zählte Napoleons Grande Armée zu Beginn des Feldzugs von 1812 zusammen mit Verstärkungen aus Europa etwa 600.000 Mann, so gelang im Dezember desselben Jahres nur noch einigen Zehntausend erfrorenen und erschöpften Soldaten die Flucht aus Russland. Im Januar 1813 marschierten die russischen Truppen in Ostpreußen ein. Kutusow war jedoch nicht dazu bestimmt, die endgültige Niederlage Bonapartes zu erleben. Am 28. April starb der 67-jährige Kommandeur in der schlesischen Kleinstadt Bunzlau.

>>> Verlustreicher Feldzug: Warum marschierte Napoleon in Russland ein?

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