Boris Pasternak.
Alexander Less/TASSPasternak versuchte, einen Dialog mit Stalin aufzubauen. Von den Strömungen des Personenkults um Stalin mitgerissen, schrieb er mehrere Briefe an den sowjetischen Führer, darunter einen privaten Beileidsbrief nach dem Tod von Stalins zweiter Frau Nadeschda Allilujewa.
Im Herbst 1935 richtete Pasternak einen weiteren Brief an Stalin, in dem er ihn bat, den Ehemann von Anna Achmatowa (Nikolai Punin) und ihren Sohn Lew Gumiljow freizulassen, die wegen terroristischer Aktivitäten angeklagt waren.
„Abgesehen von dem Wert, den Achmatowas Leben für uns alle und unsere Kultur hat, ist sie mir in allem, was ich über sie weiß, so lieb wie mein eigenes Kind. Vom Beginn meines literarischen Weges an habe ich ihr ehrliches, schwieriges und schicksalsergebenes Leben miterlebt. Ich bitte Sie, Joseph Wissarionowitsch, der Achmatowa zu helfen und ihren Ehemann und ihren Sohn freizulassen, denn ihr Umgang mit ihnen ist für mich ein kategorisches Unterpfand für ihre Ehrlichkeit.
Hochachtungsvoll, Pasternak.“
Stalin entsprach der Bitte des Dichters und Achmatowas Angehörigen wurden sofort freigelassen.
Anna Achmatowa and Boris Pasternak.
Sputnik1935 schrieb Pasternak einen weiteren langen Brief an Stalin, in dem er ihm persönlich für die „blitzartige Freilassung“ von Achmatowas Familie dankte und Stalin eine von ihm angefertigte Sammlung von Übersetzungen georgischer Dichter schickte.
„Ich liebe Sie und bin Ihnen treu ergeben", unterzeichnete Pasternak den Brief und erwähnte etwas zutiefst „Geheimnisvolles, das mich neben all dem, was jeder versteht und teilt, an Sie bindet.“
1936 widmete der spätere Autor von Doktor Schiwago Stalin ein Gedicht, das in der Zeitung Iswestija veröffentlicht wurde. Pasternak bezeichnete Stalin als „ein Genie der Tat“. Später nannte Pasternak dieses Gedicht „einen aufrichtigen und einen der stärksten Versuche, mit den Gedanken der Zeit und ihrem Ton zu leben.“
Vielleicht war es nur ein Versuch, seinen Beziehungen zu Stalin eine gewisse Tiefe und Bedeutung zu verleihen, die weit über die Grenzen einer formellen Kommunikation zwischen einem Antragsteller und dem Antwortenden hinausging.
Anna Achmatowa.
Moisei Nappelbaum/SputnikStalin nannte Achmatowa eine „Nonne“ und bezog sich dabei auf ihre Unnahbarkeit und Unabhängigkeit, die den sowjetischen kommunistischen Werten zuwiderliefen. Ihre Gedichte wurden von der staatlichen Zensur nicht zur Veröffentlichung zugelassen. Ihr berühmtes Gedicht Requiem (1935 – 1940), das die schrecklichen Jahre der Stalinschen Säuberungen beschreibt, machte Achmatowa zur seltenen Stimme der Unterdrückten.
Achmatowa hat das kommunistische Regime, das ihr Leben wie eine 20 Tonnen schwere Straßenwalze überrollte, nie unterstützt.
Ihr erster Ehemann, der Dichter Nikolaj Gumiljow, wurde 1921 verhaftet und hingerichtet; ihr dritter Ehemann, der Kunsthistoriker Nikolai Punin, wurde dreimal verhaftet (und starb 1953 im Stalin-Gulag) und ihr einziger Sohn, Lew Gumiljow, verbrachte wegen seiner antisowjetischen Ansichten rund 15 Jahre in Gulags.
Nikolai Gumiljow, Anna Achmatowa and their son, Lev Gumilyov.
Sputnik1935, als Punin und Lew Gumiljow erneut verhaftet wurden, schrieb Achmatowa einen Brief an Stalin. Der Autor von Der Meister und Margarita Michail Bulgakow half ihr beim Verfassen des Textes.
„Da ich Ihre aufmerksame Haltung gegenüber den kulturellen Kräften des Landes und insbesondere gegenüber den Schriftstellern kenne, habe ich den Mut aufgebracht, mich mit diesem Brief an Sie zu wenden“, schrieb sie. „Ich weiß nicht, was man ihnen vorwirft, aber ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, dass sie weder Faschisten, noch Spione, noch Mitglieder konterrevolutionärer Gesellschaften sind.
In Leningrad lebe ich sehr zurückgezogen und bin oft lange Zeit krank. Die Verhaftung der beiden einzigen Menschen, die ich habe, ist ein harter Schlag, den ich nicht mehr ertragen kann.
Ich bitte Sie, Josef Wissarionowitsch [Stalin], mir meinen Mann und meinen Sohn zurückzugeben, in dem Wissen, dass niemand es je bereuen wird.“
Stalin las den Brief und ließ die beiden frei.
Achmatowa hat es immer verstanden, sich kurz zu fassen, ohne pathetisch oder verwirrt zu klingen. Keine überflüsigen Worte und verschwendete Gelegenheiten.
Und doch war die brutale Realität des Lebens unter Stalin zu kompliziert und gefährlich, als dass man sich den Luxus erlauben konnte, den sowjetischen Führer in poetischer Form völlig zu ignorieren.
Achmatowa, die als „Eiserne Lady“ der russischen Poesie bekannt ist, widmete Stalin zwei Gedichte. Sie wurden in den Jahren 1949 und 1950 in der Zeitschrift Ogonjok veröffentlicht.
Offenbar konnte während der Stalinherrschaft selbst eine völlig unsowjetische und unpolitische Person wie Anna Achmatowa nicht in der Gesellschaft überleben, ohne dem Führer Tribut zu zollen.
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