Die Schlacht, die zur Generalprobe für Stalingrad wurde (FOTOS)

Keystone-France/Gamma-Keystone/Getty Images
Im Februar 1942 gelang es den sowjetischen Streitkräften erstmals, eine 95.000 Mann starke deutsche Gruppe im Nordwesten der UdSSR einzukesseln. Sie schafften es jedoch nicht, den Feind zu vernichten.

1. Ende 1941 fügte die Rote Armee den Deutschen bei Moskau eine vernichtende Niederlage zu und drängte die Wehrmacht mehrere hundert Kilometer von der Hauptstadt zurück. Beflügelt von diesem Erfolg beschloss die sowjetische Militärführung, dass die Zeit für einen radikalen Durchbruch im Krieg gekommen war, und leitete eine groß angelegte Offensive an allen Fronten ein. „Die Deutschen wollen ... Zeit gewinnen und einen Aufschub erzwingen“, sagte Stalin zu dieser Zeit. „Unsere Aufgabe ist es, den Deutschen diesen Aufschub nicht zu gewähren, sie unaufhörlich nach Westen zu drängen, sie zu zwingen, ihre Reserven noch vor dem Frühjahr aufzubrauchen... und so die vollständige Niederlage von Hitlers Truppen im Jahr 1942 sicherzustellen.“ 

Gefangene Deutsche in der Nähe von Moskau. Dezember 1941.

2. Einer der geplanten Hauptangriffe sollte sich gegen die Heeresgruppe Nord richten, die Leningrad belagerte. Am 7. Januar 1942 griffen die Truppen unter dem Kommando von Generalleutnant Pawel Kurotschkin die feindlichen Stellungen an und rückten in Richtung Demjansk vor. 

Großer Vaterländischer Krieg 1941-1945 Offensive Operation in Demjansk. Sowjetische Panzer und Infanterie der Nordwestfront in der Offensive.

3. Trotz des schwer zugänglichen Geländes und des heftigen Widerstands der Deutschen stieß die Rote Armee erfolgreich in mehrere Richtungen vor und beabsichtigte, den Feind buchstäblich in die Zange zu nehmen. Das Kommando des II. Armeekorps der Wehrmacht ersuchte, alarmiert durch die Situation, Berlin um die Erlaubnis zum Rückzug, erhielt aber eine kategorische Antwort: „Demjansk muss bis zum letzten Mann verteidigt werden!“ Am 20. Februar schlossen die aufeinander zugehenden sowjetischen Einheiten die Umzingelung des Dorfes Zaluchye ab und schnitten bedeutende Kräfte des II. Armeekorps und der SS-Panzerdivision „Totenkopf“ ab - insgesamt 95.000 Mann. 

4. Ein Gebiet von 3.000 Quadratkilometern geriet unter die Kontrolle der eingekesselten Gruppierung, darunter die große Stadt Demjansk. Die Führung des Dritten Reiches verbot die Verwendung des Wortes „Kessel“ und zog Ausdrücke wie „Festung Demjansk“ oder „Festung im Osten“ vor. Die Soldaten des II. Armeekorps wiederum nannten es einfach „Grafschaft“,  nach ihrem Kommandeur, Walter Graf von Brockdorff-Ahlefeldt.  

5. Das sowjetische Kommando versuchte, den eingeschlossenen Feind so schnell wie möglich zu zerschlagen, aber alle Versuche, die Verteidigungslinien des II. Armeekorps zu durchbrechen, scheiterten. „Der Feind kappte alle Straßen und alle Zufahrtswege und Zugänge, die für unseren Vormarsch überhaupt brauchbar gewesen wären“, erinnerte sich Kurotschkin. 

Militärrat der Nordwestfront: anwesend im Rat (v.l n.r): Mitglied des Militärrats der Nordwestfront Bulganin, Kommandeur der Nordwestfront Generalleutnant Kurotschkin, Stabschef der Front Generalleutnant Watutin, Mitglieder des Militärrat, Divisionskommissar Pronin und Korpskommissar Bogatkin.

6. Die Verteidigung des Kessels bedeutete auch eine erhebliche Belastung für alle Kräfte der deutschen Verbände. „Es wurden Stützpunkte eingerichtet und bemannt. Alle wurden bis auf den letzten Soldaten eingesetzt, auch die Köche...“, schrieb Oberleutnant Martin Steglich in sein Tagebuch. Der Kommandeur eines Signalkommandos im 37. Gardeartillerieregiment, Iwan Nowochatski, zeichnete in seinen Memoiren ein grausames Bild: „Die Deutschen bauten aus den Leichen unserer Soldaten Bollwerke für ihre vordere Linie, indem sie sie aufstapelten und mit Wasser übergossen, da es in der Regel wegen des Grundwassers, das an vielen Stellen 20-30 cm unter der Oberfläche stand, unmöglich war, nach unten zu graben."  

Russland, deutscher Infanterist (Demjansk).

7. Da die Truppen von Brockdorff-Ahlefeldt mangels regelmäßiger Versorgung mit Proviant, Waffen und Munition nicht lange hätten durchhalten können, schickte Hermann Göring alle verfügbaren Transportfliegerkräfte. Die Luftwaffe hielt die Lufthoheit und konnte durch die Luftstreitkräfte der Roten Armee nicht wesentlich behindert werden. 

Luftversorgung der eingekesselten deutschen Truppen.

8. Mit dem Einsetzen des Frühlings begannen die deutschen Truppen mit Versuchen, die Umzingelung zu durchbrechen. Am 22. April 1942 stieß die Heeresgruppe von Generalleutnant Walther Kurt von Seydlitz-Kurzbach auf die Soldaten von Generalmajor Hans Zorn, die aus dem Kessel ausbrechen wollten. Dies führte zur Schaffung eines bis zu einem Kilometer breiten Korridors. Den Deutschen gelang es, ihn auf acht Kilometer zu verbreitern. Zahlreiche Versuche der sowjetischen Truppen, diese Versorgungslinie zu zerstören und den Kreis wieder zu schießen, blieben erfolglos. 

Russland, Walter von Seydlitz-Kurzbach.

9. Die erfolgreiche Verteidigung des Demjansker Kessels spielte Hitler einen grausamen Streich. Als im November 1942 die 300.000 Mann starke Armee von Friedrich Paulus in Stalingrad in eine Falle geriet, verbot der Führer ihr den Rückzug aus der Stadt, da er davon überzeugt war, dass die Luftwaffe die eingekesselten Truppen auch in diesem Fall befreien würde. Der Führer des Dritten Reiches übersah jedoch die erhöhte Aktivität und Effektivität der Luftstreitkräfte der Roten Armee und das im Vergleich zu Demjansk grundlegend andere Terrain: Es war eine Sache, einige Dutzend Kilometer über abgelegene Waldgebiete zu fliegen, und eine ganz andere, 200 Kilometer über offene Steppe zurückzulegen und dabei den heftigen Widerstand der sowjetischen Luftabwehr zu überwinden. Für diesen Fehler sollte die Wehrmacht bald einen hohen Preis zahlen.

Rückzug deutscher Soldaten aus dem Brückenkopf Demjansk während des Großen Vaterländischen Krieges.

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