Warum hielt die UdSSR die amerikanischen Piloten fest, die Tokio bombardiert hatten?

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Nach dem berühmten „Doolittle Raid“ landete einer der daran beteiligten US-Bomber auf sowjetischem Gebiet. Die Besatzung hatte gehofft, die UdSSR sofort verlassen zu können. Stattdessen erwartete sie eine fast 13 Monate dauernde Odyssee durch das Land.

Am 18. April 1942 griff die US-Luftwaffe Japan zum ersten Mal im Zweiten Weltkrieg an. Der so genannte „Doolittle Raid“ war eine Vergeltung für den perfiden japanischen Angriff auf den Marinestützpunkt der US-Pazifikflotte in Pearl Harbor am 7. Dezember des Vorjahres. Die Bomber sollten nicht zu ihrem Flugzeugträger, der „USS Hornet“, zurückkehren, der die gefährlichen Gewässer bereits verlassen hatte, sondern zu weit entfernten Flugplätzen im verbündeten China fliegen.

Lieutenant Colonel James H. Doolittle (vorne links) auf dem „USS Hornet“-Flugzeugträger.

Nicht alle Flugzeuge versuchten, in das von den Truppen von Chiang Kai-shek kontrollierte Gebiet zurückzukehren. Kapitän Edward J. York und seine Besatzung stellten fest, dass der verbliebene Treibstoff nicht ausreichte, um sie nach China zu bringen, und beschloss, auf dem Gebiet eines anderen Verbündeten der USA zu landen - der Sowjetunion. Das einzige Problem war, dass dies den amerikanischen Piloten strengstens untersagt worden war.

Unerwartete Gäste

Nachdem Moskau am 13. April 1941 einen Neutralitätspakt mit Tokio unterzeichnet hatte, hielt es sich aus dem bewaffneten Konflikt im Pazifik heraus.

Nach einem Flug entlang der sowjetischen Küste und unter Umgehung von Wladiwostok wurde Yorks B-25 zwar von den Luftabwehrkräften der sowjetischen Pazifikflotte entdeckt. Sie schlugen jedoch keinen Alarm, da sie das amerikanische Flugzeug mit einem sowjetischen Yak-4-Bomber verwechselten, der zum Stützpunkt zurückkehrte.

Erst um halb sechs Uhr nachmittags starteten zwei I-15-Jagdflugzeuge, um das Flugzeug abzufangen. Sie konnten jedoch nicht verhindern, dass der Bomber, dessen Treibstofftanks zu diesem Zeitpunkt bereits leer waren, landete.

„USS Hornet“-Flugzeugträger

Die sowjetischen Soldaten waren sehr überrascht, die fünf Amerikaner zu sehen (zwei Piloten, einen Navigator, einen Flugingenieur und einen Bordschützen). Bald darauf traf Oberst Gubanow, stellvertretender Kommandeur der Luftstreitkräfte der Pazifikflotte, mit einem Dolmetscher auf dem Flugplatz ein.

Die Amerikaner sagten zunächst, sie seien aus Alaska eingeflogen. Gubanow war jedoch zufällig gut über die Bombardierung Tokios informiert, und die Piloten mussten zugeben, dass sie an dem Angriff beteiligt gewesen waren.

Die UdSSR konnte die Piloten, die Tokio bombardiert hatten, nicht laufen lassen, ohne eine heftige Reaktion Japans zu provozieren, dessen Position im Fernen Osten damals stärker denn je war. Andererseits wollte Moskau nicht mit einem neuen Verbündeten streiten, der gerade begonnen hatte, der Sowjetunion im Rahmen des Leih- und Pachtgesetzes Waffen und Rohstoffe zu liefern.

Ein I-15-Jagdflugzeug

Schließlich wurde die B-25 beschlagnahmt, ihre Besatzung interniert und William Standley, dem US-Botschafter in der UdSSR, ein formeller Protest überstellt. Gleichzeitig versicherte Moskau Washington inoffiziell, dass man versuchen würde, einen für alle Seiten zufriedenstellenden Ausweg aus der Situation zu finden, und dass die US-Soldaten in der Zwischenzeit gut behandelt und unter angenehmen Bedingungen festgehalten würden.

Eine Odyssee 

Die Besatzung wurde nach Chabarowsk geschickt. Danach begann eine Odyssee für die Amerikaner, die mit dem Zug, dem Flugzeug und der Fähre durch ganz Sibirien bis in den Ural und die Wolgaregion gebracht wurden und wochenlang in verschiedenen Städten und kleinen Dörfern verbachten. Die US-Botschaft erhielt regelmäßig Informationen über den Verbleib der Internierten.

Edward J. York

Acht Monate lang hielten sich die amerikanischen Piloten in der kleinen Stadt Ochansk am Ufer der Kama auf und hatten nichts, womit sie sich beschäftigen konnten. „Etwa vier Monate nach unserer Ankunft wurden die letzten Wachen abgezogen und wir lebten allein in einem Haus. Wir konnten uns in der Stadt frei bewegen. Inzwischen hatten wir so viel von der Sprache gelernt, dass wir, wenn wir angehalten und nach Papieren gefragt wurden, sagen konnten, wer wir waren. Natürlich wussten die meisten Bewohner es sowieso“, erinnerte sich York.

Die „Flucht“ 

Die Situation der internierten B-25-Besatzung begann sich Anfang 1943 zu ändern. Die Frau von Kapitän York bat Präsident Roosevelt in einer Petition um die Freilassung der Besatzung, und er richtete ein persönliches Ersuchen an Stalin. Die sowjetische Führung selbst war inzwischen entspannter, vor allem weil man der Meinung war, dass der Krieg nach der deutschen Niederlage in Stalingrad und der japanischen Niederlage in der Schlacht von Guadalcanal einen Wendepunkt erreicht hatte.

Dennoch war es unmöglich, die Flieger einfach so freizulassen, und der NKWD wurde angewiesen, für sie eine Flucht über die sowjetisch-iranische Grenze zu inszenieren. Selbst die Amerikaner sollten glauben, geflohen zu sein. 

Stadt Ochansk

Im März 1943 wurde die Besatzung in den Süden der UdSSR geschickt, wo sie auf einem Flugplatz in Aschchabad arbeiten sollte. Im Zug in die Hauptstadt der Turkmenischen Sozialistischen Sowjetrepublik gelang es Major Wladimir Bojarskij vom NKWD, der sich als Major Alexander Jakimenko von der Roten Armee ausgab, sich mit den Fliegern anzufreunden und den Kontakt zu ihnen aufrechtzuerhalten, auch nachdem sie ihr Ziel erreicht hatten. Er überzeugte die Amerikaner schnell davon, dass er ihre Lage verstehe und ihnen dabei helfen wolle, in die Heimat zurückzukehren.

„Von meinen ersten Tagen in Turkmenistan an plante ich mit den Grenzbeamten, wie die Amerikaner die Grenze überqueren sollten, so Bojarskij. „Die Hauptsache war, dass sie glauben sollten, dass sie ihre Flucht aus der UdSSR selbst geplant hatten. Zu diesem Zweck errichteten wir etwa 20 Kilometer südöstlich von Aschchabad, in der Nähe der iranischen Grenze, ein ‚Niemandsland‘ und taten so, als markiere dieses Gebiet die sowjetisch-iranische Grenze.

Bojarskij stellte den Amerikanern einem weiteren NKWD-Agenten vor, der die Rolle eines Schleusers spielte. Für 250 Dollar sollte er sie mit einem Lastwagen zur vermeintlichen Grenze fahren, die sie auf eigene Faust heimlich überqueren sollten, und sie dann auf der anderen Seite wieder abholen.

„Sie hätten sehen sollen, wie sich die Amerikaner im Mondlicht umschauten und auf die Knie gingen, um unter den von den Russen errichteten Stacheldrahtzäunen hindurchzukriechen, als sie in die Freiheit flohen. An einem geeigneten Ort haben wir das authentisch wirkende Szenario einer Gruppe von Eindringlingen, die einen illegalen Grenzübertritt vollziehen, raffiniert inszeniert, beschrieb Bojarskij die Ereignisse der Nacht vom 10. auf den 11. Mai.  

Der „Schleuser“ holte die Amerikaner auf der angeblich iranischen Seite ab und fuhr sie ohne Schwierigkeiten über die nun echte Grenze. Das war möglich, da nach dem gemeinsamen Einmarsch in den pro-deutschen Iran an der Seite Großbritanniens im August 1941 sowjetische Truppen im nördlichen Teil des Landes präsent waren und es praktisch keine Grenzkontrollen gab. Nach ihrer Ankunft in der Stadt Mashhad meldeten sich die ahnungslosen US-Piloten beim britischen Konsulat und waren am 24. Mai bereits zurück in Washington.

>>> Wann und wie hat der Planer des Angriffs auf Pearl Harbor gegen Russland gekämpft?

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