In den ersten Jahren der Regentschaft von Königin Elisabeth II. gab es einen Fall, in dem sie sowjetische Geheimagenten begnadigen musste. Am 23. September 1969 unterzeichnete sie zwei Urkunden über Peter und Helen Kroger. Darin erklärte Ihre Majestät, dass die beiden zwar gegen den Official Secrets Act 1911 verstoßen hätten, in dem sie geheime Informationen geteilt hatten. Gleichzeitig begnadete sie die beiden und ordnete ihre Haftentlassung an. Das Ehepaar Kroger hatte zu diesem Zeitpunkt bereits acht Jahre im Gefängnis verbracht.
Die russischen Spione Morris und Lona Cohen verlassen am 24. Oktober 1969 den Londoner Flughafen Heathrow mit einem BEA-Flug nach Warschau.
Keystone/Hulton Archive/Getty ImagesDie wahren Namen der Agenten waren Morris und Lona Cohen, aber niemand im Vereinigten Königreich wusste das. Bald wurden sie im Rahmen eines Austauschs gegen Gerald Brooke eingesetzt, der in der UdSSR wegen Spionage für das Vereinigte Königreich verurteilt worden war. Einen Monat nach ihrer Freilassung traf das Ehepaar Cohen über Warschau in Moskau ein.
Morris (geboren 1910) war ein Sohn von Einwanderern aus dem Russischen Reich und Lona (geboren 1913) eine Tochter polnischer Einwanderer. Beide wurden in den USA geboren. Morris erinnerte sich, dass er seit seiner Kindheit von der UdSSR geträumt hatte: „Ich wünschte mir, das Mutterland meiner Vorfahren kennenzulernen." Juri Andropow, der damalige KGB-Chef, verhalf den Cohens zur Einbürgerung in die UdSSR.
Morris Cohen.
GemeinfreiMorris war überzeugter Antifaschist und Kommunist und kämpfte 1937 und 1938 auf der Seite der Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg. Dort wurde ein Agent namens Alexander Orlow auf Cohen aufmerksam und lud ihn ein, für den NKWD zu arbeiten (Volkskommissariat für Inneres, eine berüchtigte Organisation, die für den Auslandsnachrichtendienst zuständig war). Orlow schrieb einen Bericht über Morris nach Moskau, in dem es hieß: „Ich bin sicher, dass ihn nicht die Liebe zum Abenteuer, sondern seine politische Überzeugung angetrieben hat.“ Morris erhielt den Codenamen „Luis“ und kehrte als sowjetischer Agent in die USA zurück.
Bevor Morris nach Spanien ging, lernte er auf einer antifaschistischen Kundgebung in New York Lona (vollständiger Name: Leontine Theresa) Petka kennen, ebenfalls eine Kommunistin. Sie heirateten im Jahr 1941. Lona ahnte bald, was Morris im Geheimen tat. Er erinnerte sich: „Dann konnte ich mich lange Zeit nicht entscheiden, ob ich Lona in die Zusammenarbeit mit dem sowjetischen Geheimdienst einbeziehen sollte oder nicht. Natürlich verstand ich, dass es keinen Sinn hatte, Versteck zu spielen.“ Auch Lona wurde eine Undercover-Agentin und erhielt den Decknamen „Leslie“.
Lona Cohen.
Press PhotoDie Cohens waren als Anwerber sehr talentiert. Ihre Gruppe wurde „The Volunteers“, zu Deutsch „Die Freiwilligen“ genannt, weil die Amerikaner für die Idee arbeiteten und nur das Geld annahmen, das für die Durchführung ihrer Operationen erforderlich war. Vor dem Zweiten Weltkrieg hatte das Ehepaar die Aufgabe, einen Entwurf des neuesten Flugzeug-Maschinengewehrs zu beschaffen, aber sie kamen stattdessen in Kontakt mit einem Fabrikarbeiter, der ihnen gleich das Geschütz gab, Stück für Stück. Es wurde mit Hilfe der sowjetischen Botschaft nach Moskau geschickt.
1942 wurde Morris zum Militärdienst einberufen und nach Europa geschickt, um gegen die Nazis zu kämpfen. Lona arbeitete dann mit den Informanten des Manhattan-Projekts zusammen. Morris verwickelte einen Wissenschaftler des Kernwaffenlabors in Los Alamos, der den Codenamen „Perseus“ trug. Lona musste sich mit ihm in Albuquerque, New Mexico, treffen, um einige geheime Dokumente zu beschaffen und sie dann den Agenten in New York zu übergeben. Als sie den Zug nach New York bestieg, begann die Polizei plötzlich, das Gepäck aller Reisenden zu kontrollieren. Die Dokumente waren in einer Kleenex-Schachtel versteckt. Lona gab vor, eine laufende Nase zu haben und nahm die Schachtel heraus. Oberst Dmitri Tarasow erinnerte sich: „Als sie anfingen, ihre Sachen zu durchsuchen, gab sie die Schachtel direkt in die Hände des Kontrolleurs. Die Polizisten halfen ihr, in den Zug zu steigen, und gaben ihr die Kleenex-Schachtel zurück - niemand sah genauer hin.“
Als Morris aus dem Zweiten Weltkrieg zurückkehrte, setzten die Cohens ihre Aktivitäten gemeinsam fort. Sie arbeiteten mit den Agenten William Fisher („Mark“) und Juri Sokolow („Klod“) bis 1950 zusammen, als die Situation für die Cohens allmählich gefährlich wurde - sie standen kurz davor, enttarnt zu werden, wie viele sowjetische Agenten zu dieser Zeit. Sokolow versuchte, sie zur Ausreise in die UdSSR zu überreden. Er erinnerte sich: „Die Sicherheit der Cohens war nicht mehr gewährleistet. In der Hitze des Gefechts konnten sie [die amerikanischen Beamten] sie nicht nur verhaften, sondern tun, was sie wollten (...) Wir mussten Maßnahmen ergreifen, sie retten, sie aus dem Land evakuieren."
Zunächst reisten die Cohehs mit Dokumenten nach Mexiko, die sie als das Ehepaar Sanchez auswiesen. Dann mussten sie sich unter dem Nachnamen „Briggs“ auf einen langen Weg durch Europa machen. Plötzlich wurden sie an der deutschen Grenze zu einer Identitätskontrolle angehalten. Lonas Temperament kochte über. Sie verursachte einen Skandal, indem sie die Deutschen anbrüllte: „Wer hat denn nun den Krieg gewonnen - die USA oder Sie? Sie haben kein Recht, eine amerikanische Delegation aufzuhalten!“ Schließlich ließ der Passkontrollbeamte sie weiterreisen.
Spionageausrüstung.
Keystone/Getty ImagesEs war ihr erster Aufenthalt in der UdSSR, aber die Cohens blieben nicht lange dort. Sie absolvierten weitere Agentenlehrgänge und wollten wieder als Agenten tätig werden.
Die Cohens nach der Entlassung aus ihren Gefängnissen.
Jeremy Fletcher/Getty Images1954 wurden die Cohens als Verbindungsleute für einen sowjetischen Agenten namens Konon Molodi („Ben“) nach Großbritannien geschickt, der dort als reicher kanadischer Geschäftsmann namens Gordon Lonsdale bekannt war. Das Paar benutzte die Decknamen „Peter Kroger" und „Helen Kroger“ aus Neuseeland. Der KGB nannte sie „The Cottagers“. Sie erwarben ein kleines Haus in der Nähe des Stützpunkts Northolt der britischen Luftwaffe und Morris kaufte ein Antiquariat als Tarnung.
Das Hauptziel von Ben und den „Cottagers“ war es, die Geheimnisse rund um den Hauptstützpunkt der britischen Luftwaffe zu erkunden. Sie fanden politische, strategische und technische Informationen heraus, zum Beispiel über Raketen und Unterwasser-Echolote. Aus den Archivdokumenten des russischen Auslandsgeheimdienstes geht hervor, dass sie eines der erfolgreichsten Teams des sowjetischen Geheimdienstes waren.
Ein Hillman-Polizeiauto in der Einfahrt von Cohens Bungalow in Ruislip, 9. Januar 1961.
Keystone/Hulton Archive/Getty ImagesIhre Arbeit fand ein jähes Ende, nachdem ein polnischer Agent namens Michail Golenjowski verraten wurde, der begann, mit der CIA zusammenzuarbeiten und ihr alles mitzuteilen, was er über die sowjetischen Agenten wusste. Molodi und die Cohens wurden 1961 verhaftet. Das kam unerwartet, denn die Polizei fand im Haus von Morris und Lona jede Menge Funkgeräte. Konon Molodi versuchte, die ganze Schuld auf sich zu nehmen, und wurde zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Trotz der Bemühungen von Molodi wurde auch Morris zu einem Vierteljahrhundert hinter Gittern verurteilt. Lona erhielt 20 Jahre.
Gedenkmarken mit Lona und Morris Cohen.
GemeinfreiDie Cohens blieben loyal und weigerten sich bis zu ihrer Freilassung im Jahr 1969, mit dem MI6 zusammenzuarbeiten und ihre Geheimnisse preiszugeben.
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