Moskau hat viele Spitznamen: „Stadt auf sieben Hügeln“, „Drittes Rom“, „Weißer Stein“ und, was am meisten überrascht, „Hafen der fünf Meere“. Die Geografie hilft jedoch nicht, um zu erklären, wie dies möglich ist. Ein Blick auf die Landkarte zeigt, dass Moskau nicht einmal in der Nähe eines Meeres liegt. Das nächstgelegene ist der Finnische Meerbusen (der in die Ostsee mündet), wo sich St. Petersburg befindet. Aber das ist etwa 600 Kilometer von Moskau entfernt.
Der Weißmeer-Ostsee-Kanal, 1933.
Michail Prischwin/ Staatliches LiteraturmuseumWie üblich liegt die Antwort in der Geschichte, wenn auch nicht so weit in der Vergangenheit. Der erste, der Moskau als „Hafen der fünf Meere“ bezeichnete, war Josef Stalin – Grund war die rasche Industrialisierung des Landes.
Überall in der Sowjetunion wurden riesige „kommunistische Bauwerke“ errichtet. Die ehrgeizigsten davon waren Kanäle. Das berüchtigtste Projekt war der Weißmeer-Ostsee-Kanal, der von Häftlingen in Rekordzeit gebaut wurde und Tausende von Häftlingen das Leben kostete.
Häftlinge beim Bau des Weißmeer-Ostseekanals.
Alexander Rodtschenko/MAMM/MDF/russiainphoto.ruZur gleichen Zeit entwarf Stalin einen umfassenden Plan für den Wiederaufbau Moskaus. Die Stadt musste modernisiert werden, um eine angemessene und beeindruckende Hauptstadt für die neue ehrgeizige und fortschrittliche Sowjetnation zu werden. In den späten 1920er Jahren wirkte Moskau jedoch noch recht provinziell. Während der kaiserlichen Ära war es über mehrere Jahrhunderte hinweg zu einer zweitrangigen Stadt geworden, da sich die meisten Entwicklungen und Fortschritte auf die Zarenhauptstadt St. Petersburg konzentrierten.
Stalin befahl den Bau eines U-Bahn-Systems, das Anlegen neuer Durchgangsstraßen und Autobahnen und die Verbreiterung von Straßen (in einigen Fällen wurden sogar die Gebäude versetzt!). Ohne Zögern, ordnete Stalin an, alles zu beseitigen, was eine neue Straße oder eine Aussicht unterbrechen könnte.
Viele Bauten, die mit dem alten Regime in Verbindung standen, wurden abgerissen, darunter Dutzende alter Kirchen und Klöster sowie die Kitaj-Gorod-Mauer, eine Festungsanlage aus dem 16. Jahrhundert im Stadtzentrum, nur einen Kilometer vom Kreml entfernt.
Moskauer Kitaj-Gorod-Mauer und -Tore, 1920er Jahre.
GemeinfreiUm das sich rasch entwickelnde Moskau mit einer großen Menge an Trink- und Brauchwasser zu versorgen und es für die Schifffahrt zugänglich zu machen, ordnete Stalin den Bau eines Kanals an, der die relativ kleine Moskwa mit der Wolga verbinden sollte. (Peter der Große hatte diese ehrgeizige Idee bereits im 18. Jahrhundert gehabt, sie aber nie verwirklicht).
Der Bau des Moskwa-Wolga-Kanals, 1934-1937.
Georgy Petrusow/MAMM/MDF/russiainphoto.ruDie 128 Kilometer lange Wasserstraße wurde zwischen 1932 und 1937 von Gulag-Häftlingen errichtet. Zunächst hieß sie „Moskwa-Wolga-Kanal“, aber 1947 wurde sie in „Moskauer Kanal“ umbenannt. Der berühmte Satz - Moskau ist jetzt „ein Hafen der fünf Meere“ - wurde 1937 von Stalin bei der Eröffnungsfeier des Kanals ausgesprochen.
Das Weiße Meer und die Ostsee waren durch einen Kanal verbunden, und die Ostsee war durch ein System von Kanälen und Flüssen mit der Wolga verbunden. Der Bau des Moskwa-Wolga-Kanals ermöglichte es, das Weiße Meer und die Ostsee von Moskau aus zu erreichen.
Das erste Schiff fährt in die Schleuse des Moskau-Wolga-Kanals ein.
Georgy Zelma/SputnikDas dritte Meer ist das Kaspische Meer, in das die Wolga fließt. Später, in den 1950er Jahren, entstand ein weiterer großer Kanal - eine 101 Kilometer lange Wasserstraße zwischen der Wolga und dem Don wurde gebaut. Dieser Kanal ermöglichte den Zugang von der Wolga zum Asowschen Meer - und später zum Schwarzen Meer.
Nachdem all diese großen sowjetischen Bauprojekte abgeschlossen waren, war es möglich, die fünf Meere zu erreichen, ohne jemals das Schiff zu verlassen: das Weiße, das Baltische, das Kaspische und das Schwarze Meer sowie das Asowsche Meer.
Der Wolga-Don-Kanal, 1952.
Sigismund Kropiwnitsky/TASSWas denken Sie nun - ist Moskau ein Seehafen oder nicht?
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