Das urbane Moskau und Leningrad in den 1960er Jahren auf Aufnahmen von John William Reps (FOTOS)

Geschichte
RUSSIA BEYOND
Diese Bilder von einladenden, grünen Innenhöfen, Spielplätzen und Chruschtschowkas sind eine Reise in die sowjetische Vergangenheit.

Der amerikanische Historiker John William Reps erforschte den Städtebau und den öffentlichen Raum in einer Vielzahl von Ländern auf der ganzen Welt. Im Sommer 1964 besuchte er auch die UdSSR, darunter auch Moskau und Leningrad (heute St. Petersburg), wo er zahlreiche Farbfotografien von ganz gewöhnlichen Stadtvierteln und Innenhöfen sowie von neuen Wohnkomplexen, die sich noch im Bau befanden, machte. Dank seiner fotografischen Sammlung können wir auch heute noch in die Atmosphäre der sowjetischen 1960er Jahre eintauchen.

Die frühe sowjetische Industrialisierung ließ die Stadtbevölkerung wachsen, doch es mangelte an ausreichend Wohnraum. So lebten die Menschen mehrere Jahrzehnte lang in Gemeinschaftswohnungen oder mussten in großen Sälen schlafen. Neben der Entstalinisierung ist der Name Nikita Chruschtschows auch untrennbar mit einer neuen Form des Wohnens verbunden, den Chruschtschowkas. 

In den frühen 1960er Jahren gab Chruschtschow den Startschuss für massenhafte Bauvorhaben, um die Wohnraumkrise zu bewältigen. 

So sah eine typische Chruschtschowka aus. Es handelte sich um ein einfaches, drei- bis fünfstöckiges Gebäude aus Beton, das unglaublich kleine Wohnungen und keine Aufzüge besaß. Die Menschen waren jedoch froh, ihr eigenes „Reich“ zu bekommen und die Gemeinschaftswohnungen oder Schlafsäle hinter sich lassen zu können. 

Die Behörden taten ihr Bestes, um den städtischen Raum innerhalb der neu gebauten Viertel zu gestalten. Eine Grünanlage mit Bäumen...

...Spielplätze in jedem Innenhof...

...und sogar Springbrunnen! Diese „luxuriöse" Ausstattung war allerdings eher eine Seltenheit als die Regel. Aber glückliche Kinder nutzten sie im Sommer zum Baden, nicht nur zum Anschauen.

Alle neuen Stadtteile verfügten über Schulen in der Nachbarschaft, so dass die Kinder die nächstgelegene Schule selbständig zu Fuß erreichen konnten.

Und natürlich gab es auch Kinderkrippen und Kindergärten für kleinere Kinder. Die Eltern konnten ihre Kinder schon im Kleinkindalter - sogar im Alter von einigen Monaten – betreuen lassen und wieder an die Arbeit gehen, um die fortschrittliche sowjetische Zukunft zu sichern.

In den neuen Bezirken gab es typische Einzelhandelsgeschäfte, in denen oft ein universelles Warensortiment vertreten war. 

John William Reps war beeindruckt von diesem Netz, das verhindern sollte, dass Teile der Fassade auf unachtsame Fußgänger fielen.

Chruschtschowkas hatten sehr kleine Balkone, und zunächst versuchte man, dort etwas Grün unterzubringen. Doch bald wurden sie zu einem zusätzlichen Stauraum, denn in den kleinen Wohnungen gab es nicht viel davon.

Unten sehen Sie einen Innenhof und eine Parkanlage in einem Wohnblock aus der Stalinzeit. Normalerweise hatten solche Gebäude mehr Stockwerke (was einen Aufzug erforderte) und verspieltere Fassaden. 

Die Fotos oben stammen alle aus Moskau, unten sind einige Aufnahmen aus Leningrad (heute St. Petersburg). Die Straßen in den neuen Wohnvierteln wurden breit angelegt und mit Bäumen bepflanzt, um Schatten zu spenden und zu verhindern, dass Staub und Schmutz zu den Fußgängern vordringen.

In den ersten Wohngebäuden wurden alle Erdgeschosse als Wohnungen genutzt, um den verfügbaren Platz zu maximieren. Später schlugen die Architekten vor, die Erdgeschosse als Einzelhandelsflächen zu nutzen. 

In Leningrad, das John William Reps besuchte, wurden gerade riesige Wohnkomplexe mit Hochhäusern gebaut. Dazu kamen einige frühere Gebäude im Stil des Konstruktivismus, bei denen jeder Raum in eine Art Spielplatz hätte verwandelt werden können.

Der Mangel an Platz und Balkonen zwang viele Menschen dazu, ihre Wäsche im Freien zu trocknen, was typisch für die Umgebung von sowjetischen Wohnblocks ist. 

Damit Sie nun nicht denken, dass in der UdSSR jeder nur in einer der massenhaft gebauten kleinen Chruschtschowkas lebte, hier ein weiteres Beispiel für einen gigantischen zehnstöckigen Wohnkomplex im damaligen Leningrad.