Karl Peter Ulrich (so der deutsche Name des zukünftigen Imperators) war noch keine 15 Jahre alt und wurde bereits von der Zarin Anna Iwanowna gefürchtet. Der junge Herzog war der Enkel Peters des Großen. Anna, die Tochter des Mitverschwörers von Peter dem Großen, Iwan Alexejewitsch, wollte, dass ihr Zweig auf dem Thron blieb. Sie fürchtete und hasste deshalb Karl Peter Ulrich. Auf der anderen Seite tat ihre Cousine Elisabeth, die 1741 Zarin von Russland wurde, ihr Bestes, um ihren Neffen mit liebevoller Fürsorge und Aufmerksamkeit zu umgeben. Dieser wohnte bis dahin in Kiel. 1741 reiste Major Nikolai Korff dorthin, um den jungen Mann nach Russland zu bringen.
Elisabeth hatte keine Kinder, und nach ihrem Tod sollte der Enkel von Peter dem Großen russischer Imperator werden. Bei seiner Ankunft in St. Petersburg machte der junge Herzog jedoch einen befremdlichen Eindruck auf alle.
Was waren die Eigenheiten von Peter?
Im Januar 1741 erschien Herzog Karl Peter Ulrich zum ersten Mal in St. Petersburg und konvertierte im November 1742 unter dem Namen Pjotr Fjodorowitsch zum orthodoxen Glauben. „Er ist blass und anscheinend von schlechter Konstitution“, schrieb Jacob von Stäehlin, der Hauslehrer des Jungen, der ihn in Russland betreut hatte. Als der Herzog in den Wissenschaften unterrichtet wurde, stellte die Zarin mit Entsetzen fest, dass der 14-jährige Junge so gut wie gar nichts wusste und sich nur für militärische Angelegenheiten interessierte. Er hatte eine morbide Vorliebe für Paraden, Umzüge und Märsche. Aber es gab auch noch andere Merkwürdigkeiten.
„Er war damals sechzehn Jahre alt, bis zu seiner Pockenerkrankung recht ansehnlich, aber von kleinem Wuchs und noch ein Kind. Er sprach mit mir über Spielzeug“, schrieb Katharina II. Sie erinnerte sich auch daran, dass ihr Bräutigam ihr bei der ersten Begegnung gestand, dass er in eine ihrer Brautjungfern verliebt sei, sich aber damit abgefunden habe, Katharina zu heiraten, weil ihre Tante (Zarin Elisabeth) es so wollte. 1745 heirateten sie, aber Peter schenkte seiner Frau keine große Aufmerksamkeit: „Der Großfürst kam manchmal abends in meine Gemächer, aber er hatte keine Lust, dorthin zu kommen; er zog es vor, in seinem Zimmer mit Puppen zu spielen; inzwischen war er 17, ich 16“, beklagte sich Katharina.
Um ihren Neffen von seinen Spielzeugen und militärischen Übungen abzulenken, wies Elisabeth ihm 1747 ihre Cousine und deren Ehemann Nikolai Tschoglokow zu – ein befreundetes Ehepaar, das den Großfürsten über das Familienleben „unterrichten“ sollte. Aber Peter hatte eine Kammerfrau Namens Kruse angeheuert, die „dem Großfürsten Spielzeug, Puppen und andere Kinderbelustigungen besorgte, die er leidenschaftlich liebte: tagsüber wurden sie in und unter meinem Bett versteckt“, schrieb Katharina. „Der Großfürst ging nach dem Abendessen als Erster zur Ruhe und sobald wir im Bett waren, schloss Kruse die Tür ab und dann spielte der Großfürst bis ein oder zwei Uhr morgens.“
Eines Tages sah Katharina eine Ratte im Zimmer ihres Mannes hängen. Peter erklärte, dass die Ratte wegen einer Straftat hingerichtet worden sei – sie hatte sich in seine Papierfestung geschlichen und zwei Soldaten gefressen, aber der treue Hund hatte sie gefangen und das Militärgericht (in Person des Großfürsten selbst) verurteilte sie zum Tod durch den Strang. Der Großfürst war zu diesem Zeitpunkt 25 Jahre alt.
„Professor der Quadrille“
Der künftige Zar Peter III. hatte das Pech, als Nachkomme zweier Erzfeinde geboren worden zu sein – mütterlicherseits war er der Enkel Peters des Großen, väterlicherseits der Großneffe des schwedischen Königs Karl XII. und hatte somit Anspruch auf den schwedischen Thron. Als Kind hegte der Vater des Jungen die Hoffnung, dass sein Sohn einmal König von Schweden werden würde und unterzog ihn einer militärischen Ausbildung.
„Der Fürst selbst wurde Unteroffizier genannt, er wurde am Gewehr und im Marschieren ausgebildet, ging mit den anderen jungen Männern des Hofs zum Dienst und sprach mit ihnen nur über die äußeren Formen dieses Militärlebens. Er war von klein auf so süchtig danach, dass er von nichts anderem mehr etwas wissen wollte“, schrieb Jacob von Stäehlin. In seiner Jugend war der Herzog gut in Theologie und Latein bewandert; er liebte die Mathematik und das Zeichnen von Festungen. Doch 1739, nach dem Tod seines Vaters (seine Mutter starb kurz nach seiner Geburt), wurde Peter in die Hände seiner Erzieher gegeben – Militärs, die begannen, das Kind zu misshandeln.
Der größte „Peiniger“ war Otto von Brümmer, Hofmarschall in Kiel. Als junger Mann hatte er in der schwedischen Armee gedient und war einst Adjutant von Karl XII. gewesen.
Aber aus irgendeinem Grund hasste Brummer seinen Schützling. „Ich werde dich so hart auspeitschen lassen, dass Hunde dein Blut lecken werden. Ich wäre so froh, wenn du jetzt verrecken würdest“, sagte er zu dem kleinen Herzog. Das behauptete zumindest der Verfasser der anonymen Notiz über die Erziehung des kleinen Fürsten, die Major Nikolai Korff aus Kiel der Zarin Elisabeth überbrachte. Aus der Notiz an die Zarin ging auch hervor, dass „das Kind oft bis zwei Uhr nachmittags auf die Mahlzeiten warten musste und vor Hunger gerne trockenes Brot aß, und wenn Brummer kam und schlechte Kritiken von den Lehrern bekam, drohte er schwere Strafen nach dem Mittagessen an, so dass das Kind weder lebendig noch tot am Tisch saß und deshalb nach dem Essen unter Kopfschmerzen und Erbrechen litt. Jeden Tag wurde das Kind bis sechs Uhr abends unterrichtet und dann musste es zwei Stunden lang eine Quadrille aufführen. „Ich bin sicher, dass sie mich zum Professor der Quadrille machen wollen und ich nicht mehr zu wissen brauche“, sagte der Großfürst.
Besonders hasste Brummer die Russen. Der kleine Herzog wurde in Russisch unterrichtet, aber nach dem Tod des Vaters stellte Brummer diesen Unterricht ein: „Diese abscheuliche Sprache ist nur für Hunde und Sklaven geeignet.“
Brummers Bestrafungen waren militärisch geprägt. Der Großfürst musste lange Zeit auf Erbsen stehen, bis seine Knie anschwollen. Er wurde in Anwesenheit von Dienern mit Ruten und Reitpeitschen gezüchtigt. Er wurde an Tischbeine gefesselt, mit Hunger gequält und bekam ein Schild mit der Aufschrift „Esel“ umgehängt.
Eine solche Behandlung konnte nicht ohne Auswirkungen auf den Charakter des Erben bleiben. Er war dickköpfig, jähzornig und ängstlich. Auch das Trinken hat er von seinen Lehrern gelernt. „Von ihm ging der ständige Geruch von Wein und Tabak aus, so dass es buchstäblich unmöglich war, in seiner Nähe zu stehen“, schrieb Katharina 1753. „Das Leben, das der Imperator führt, ist höchst schändlich: Er verbringt seine Abende mit Rauchen und Biertrinken, und beides stellt er erst um fünf oder sechs Uhr morgens ein, und dann ist er immer sturzbetrunken“, so schrieb Andrej Bolotow, der Peter als Zar erlebt hatte.
War Peter III. verrückt?
Natürlich reichen weder ein nervöses Temperament noch eine Vorliebe für seltsame Spiele oder Alkohol aus, um jemanden für verrückt zu erklären. Man darf nicht vergessen, dass das Bild von Peter in den Augen der Nachwelt durch die feindselige Haltung Katharinas beeinflusst wurde, die ein Leben lang als ungeliebte Ehefrau gedemütigt blieb – und gleichzeitig die meisten Erinnerungen an sein Leben hinterließ. Dabei wurden die positiven Züge seines Charakters übersehen.
„Er war in Theologie und Latein sehr bewandert“, schrieb Jacob von Stäehlin über den Zaren. Darüber hinaus spielte Peter von klein auf Geige. Es wird allgemein angenommen, dass der Erbe grauenhaft gespielt hat, aber das ist offenbar nicht der Fall. An seinem „kleinen Hof“ in Oranienbaum bei St. Petersburg baute Peter ein eigenes Theater und eröffnete eine Geigenschule für Kinder ohne Ansehen der Herkunft oder des Vermögens und unterrichtete persönlich die Schüler.
Als er zum Zaren gekrönt wurde, überraschte Peter seine Gegner, indem er sich eifrig um die Staatsgeschäfte kümmerte. „Schon morgens war er in seinem Arbeitszimmer, hörte sich Berichte an und eilte dann in den Senat oder in die Kollegien“, schrieb von Stäehlin. Seine wichtigste Reform war die Abschaffung der Dienstpflicht für den Adel – das Manifest über die Freiheit des Adels von 1762. Außerdem löste er die berüchtigte Geheimkanzlei auf, führte die Ausgabe von Papiergeld ein und förderte den Handel durch die Eröffnung der Staatsbank. In den 186 Tagen seiner Herrschaft wurden 192 offizielle Dokumente verabschiedet. Der Separatfrieden mit Preußen, das von Peters Idol, Friedrich dem Großen, regiert wurde, machte jedoch alle Errungenschaften des neuen Kaisers zunichte und wurde zum Anlass für seinen Sturz vom Thron.
Die gegenseitige Abneigung Peters und Russlands bestand darin, dass der Imperator lieber den schwedischen als den russischen Thron bestiegen hätte. Aber diese Option verschloss sich ihm für immer im Jahre 1743, als er auf Elisabeths Drängen zum orthodoxen Christentum konvertieren musste. 1751 wurde Peters Onkel und Vormund, Adolf Friedrich, König von Schweden. Peter sagte: „Sie haben mich in dieses verdammte Russland verschleppt, wo ich mich als Staatsgefangener betrachten muss, während ich, wenn sie mir die Freiheit gelassen hätten, jetzt auf dem Thron einer zivilisierten Nation sitzen würde.“