Die eiskalte Rache der Zarin Anna Iwanowna

State Russian Museum; The Hermitage
Anna Iwanowna bestrafte einen russischen Fürsten, der seine Religion aufgab, um zu heiraten, hart. Doch die Liebe brachte ihre buchstäblich eiskalte Rache zum Schmelzen.

In dem Moment, in dem Fürst Michail Alexejewitsch Golizyn sich auf einer Reise in den Mittelmeerraum Hals über Kopf in ein italienisches Mädchen verliebte, ahnte er noch nicht, dass diese leidenschaftliche Affäre sein Leben für immer verändern würde - wenn auch nicht zum Besseren.

Michails neue Frau war wie die meisten Italiener katholisch. Dies bedeutete, dass sie sich nur unter der Bedingung bereit erklärte, ihn zu heiraten, wenn er seinen russisch-orthodoxen Glauben aufgab und sich dem Katholizismus zuwandte.

Die Tatsache, dass Michail seinen Glauben im Namen der Liebe aufgab, passte Zarin Anna Iwanowna gar nicht. In ihren Augen war es für einen Mann mit Golizyns Status inakzeptabel, den russisch-orthodoxen Glauben aufzugeben.

Sobald es in Annas Macht lag, würde sie ihn dafür bestrafen, dass er seinem Herzen gefolgt war.

Eine verwitwete Kaiserin

Porträt von Anna Iwanowna von einem anonymen Maler (1670er-1917).

Anna Iwanowna, 1693 als Tochter von Zar Iwan V. geboren, hatte ein kompliziertes Liebesleben. Wie die meisten jungen Mädchen, insbesondere junge Hochadelige, war sie unheimlich aufgeregt, als ihre Familie sie mit Friedrich Wilhelm, dem Herzog von Kurland, verheiratete.

Unglücklicherweise für Anna starb der Herzog auf dem Rückweg nach Lettland. Obwohl Historiker weiterhin über die genaue Todesursache diskutieren, sind sich alle einig, dass der Herzog ein sehr starker Trinker war. Sowohl Anna als auch der Herzog waren nach modernen Maßstäben sehr jung, 17 bzw. 18 Jahre alt.

In einem fremden Land gestrandet, schrieb die verwitwete Anna ihrer Familie Hunderte von Briefen und bat sie, ihr einen neuen Gemahl zu suchen. Jede einzelne Anfrage wurde von Zar Peter I. verworfen. Vermutlich, weil er seine Nichte nicht mochte oder sie daran hindern wollte, Erben hervorzubringen, die mit seinen eigenen konkurrieren könnten. Aber auf jeden Fall, weil er wollte, dass sie die Kontrolle über Kurland behält, das Russland hergeben müsste, falls Anna wieder heiraten sollte.

Nachdem Anna mehrere Jahre lang versucht hatte, einen neuen Ehemann zu finden, beschloss sie, ledig zu bleiben.

Trotzdem hatte Anna zuletzt gut lachen. Als der Enkel von Peter dem Großen, Peter II., starb, ohne ein einziges Kind gezeugt zu haben, war es Anna, die den Thron Russlands bestieg. Der Oberste Geheimrat, ein Exekutivorgan aus wohlhabenden Familien, krönte sie zur Zarin in der Hoffnung, dass sie leicht zu kontrollieren sein würde.

Aber wie die Geschichte von Fürst Michail zeigt, haben sie sich geirrt.

Vom Fürsten zum Narren

Nach seiner Rückkehr nach Petersburg beraubte sie ihn seines Titels und seiner Ländereien und machte ihn zu ihrem Hofnarren. Was aus seiner italienischen Frau wurde, ist nicht bekannt. Mit Michail hatte die Zarin kein Mitleid.

Michail sollte nur noch mit seinem Vornamen angeredet werden, auch in offiziellen Regierungsdokumenten. Er verbrachte seine Tage in einem Korb neben Annas Schreibtisch. Laut einigen Quellen war der Korb, in dem er saß, mit Eiern gefüllt, die er vorgab, zu brüten, um Gäste zu unterhalten.

Valery Jacobi, „Die Hofnarren von Anna Iwanowna“ (1872).

Und das war nur der Anfang. Anna machte sich schnell auf den Weg, um für ihren fürstlichen Narren eine neue Braut zu finden. Sie betrachtete mehrere Dienstmädchen aus ihrem Umfeld als Anwärterinnen und wählte schließlich die hässlichste unter ihnen aus: eine buckelige junge Frau kalmückischer Abstammung namens Awdotija, die laut dem Historiker Henri Troyat „so hässlich war, dass selbst die Priester Angst vor ihr hatten. ”

Ihre Hochzeitszeremonie sollte ein Fest von saturnalischem Ausmaß sein. Am 6. Februar 1740 wurde das unglückliche Paar - in Clownskleidung gekleidet - in einer Kirche gesegnet. Als nächstes wurden sie auf einen asiatischen Elefanten gehievt. Von einer bunten Karawane verfolgt, marschierten Michail und seine kalmückische Braut zu ihrem neuen „Palast“.

Dieser Palast bestand, wie Sie vielleicht schon vermutet haben, vollständig aus Eis. Es war ein rekordverdächtig kalter Winter in Russland in diesem Jahr, und die mächtige Newa war gänzlich zugefroren. Auf Annas Befehl verbrachte das Militär Tage damit, Eisblöcke aus dem Fluss zu schlagen, die verwendet wurden, um Michails „Palast“ zu bauen.

Valery Jacobi, „Eispalast“ (1878).

Der Bau war 60 Fuß breit und 30 Fuß hoch. Im Inneren befanden sich eine Treppe, eine Balustrade und ein Vorraum. Die Kolonnaden wurden mit Statuen geschmückt, die aus Eis geschnitzt waren.

Sogar die Kissen und die Matratze, das Bett und die Vorhänge an den Fenstern waren aus Eis.  Michail und Awdotija hatten nur ein paar Sekunden Zeit, um diesen Anblick in sich aufzunehmen, bevor sie eingesperrt wurden. Wachen verbarrikadierten die Tür und die Zarin drängte den Narren im Weggehen, seine Ehe zu vollziehen, bevor er erfror.

Zufrieden mit dem Fest, das sie organisiert hatte, zog sich Anna in ihren eigenen Palast aus Stein und Holz zurück.

Die Perlenkette

Die Geschichte des Eispalastes und der eifersüchtigen Königin, die ihn hat bauen lassen, hört sich an wie ein Märchen. Und wie so viele Märchen, hat auch dieses hier ein glückliches Ende.  

Valery Jacobi, „Kabinettsminister von Anna Iwanowna“ (1889).

Es wurde Nacht in Petersburg und Michail wurde in seinem Eisgefängnis krank. Man hatte das Paar gezwungen, sich vollständig zu entkleiden, so dass Michail schutzlos der Kälte ausgeliefert war. Er bekam Fieber und verlor immer wieder das Bewusstsein.

Awdotija bemerkte, wie schlecht es ihrem Mann ging und verhielt sich wahrhaft edelmütig. Sie bot einer der Wachen das einzige an, was sie bei sich hatte: eine Perlenkette. Sie war ein Hochzeitsgeschenk der Zarin und das teuerste Objekt, das Awdotija jemals besessen hatte. Sie tauschte die Kette gegen einen Pelzmantel.

Der Mantel hielt das Paar die ganze Nacht warm. Infolgedessen kamen die beiden laut Troyat mit „nichts Schlimmerem als einer triefenden Nase und ein paar Erfrierungen“ davon. Michail und Awdotija wurden von Annas Nachfolgerin Anna Leopoldowna aus ihrer Knechtschaft entlassen. Das Paar blieb verheiratet. Awdotija starb 1742 bei der Geburt ihres zweiten Kindes.

Anna Iwanowna selbst starb bereits 1740 an den Folgen von Nierensteinen. Zum Zeitpunkt ihres Todes war ihr Eispalast schon lange geschmolzen.

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