Nikolaus II. erholt sich von Typhus auf der Krim .
Getty ImagesDieser Text ist die Antwort auf die Frage eines Lesers: „Wer übernahm die Rolle des russischen Zaren, wenn er krank oder im Krieg war? Wer übernahm zum Beispiel die Rolle Peters des Großen während seiner Westeuropareise?“ Wenn Sie Fragen zur Kultur, zur Geschichte oder zum Alltag Russlands haben, wenden sie sich gerne an info@rbth.com
Beginnen wir mit der Kurzversion: Nein. Niemand konnte wirklich die Rolle des Zaren ersetzen. Peter der Große versuchte zwar, eine Regierungsbehörde zu schaffen, die in der Lage war, ihm Entscheidungen abzunehmen, das war aber kein großer Erfolg.
Zar Nikolaus II. erholt sich von Typhus, 1900
Getty ImagesIm Oktober 1900 erkrankte Zar Nikolaus II. an Typhusfieber. Schnell war er so schwach, dass sein Tod eine realistische Befürchtung war. Während er krank war, gab es allerdings nur eine wichtige politische Frage: Wer sollte im Fall der Fälle sein Nachfolger werden? Der Historiker Igor Zimin schreibt, dass es seinerzeit zwei große Gruppen gab: Die einen favorisierten seinen Bruder, Großherzog Michail Alexandrowitsch. Die anderen wollten lieber warten, bis die - zu dieser Zeit praktischerweise schwangere - Zarin Alexandra Fjodorowna ihr Kind bekam. Man hoffte, dass es ein Junge war, der dann zum rechtmäßigen Thronerben erklärt werden konnte.
Am Ende erholte sich Zar Nikolaus doch wieder und die Frage stellte sich nicht. Warum gab es aber keine klaren Regelungen, wer wann die Regierungsgeschäfte übernehmen würde? Hauptsächlich hängt es wohl mit der religiösen Bedeutung des Zarentums zusammen. Man glaubte, dass der Zar durch die religiöse Krönungszeremonie mit einer besonderen Autorität und einem besonderen Verantwortungsbewusstsein ausgestattet wurde. Demzufolge wäre er der Einzige gewesen, der in der Lage war für das Wohlergehen seiner Untertanen zu sorgen.
Zar Nikolaus II. im Hauptquartier des Oberbefehlshabers der kaiserlichen russischen Armee, Mogilew, 1916.
Getty ImagesZwischen 1547 und 1552 führte Iwan der Schreckliche die Moskauer Armee in zahlreichen Schlachten gegen das Khanat von Kazan. Die Duma, damals bestehend aus Boyaren, blieb in Moskau und beauftragte den lebenserfahrenen Adeligen Iwan Morozow-Poplewin mit den Regierungsgeschäften. Die wichtigsten Beamten und Berater des Zaren zogen jedoch mit dem Monarchen mit, wodurch dieser am Ende immer noch die oberste Entscheidungsgewalt hatte.
Mindestens bis ins 17. Jahrhundert wurde dies auch von Iwans Nachfolgern so gehandhabt.
Der regierende Senat in den Jahren von Peter dem Großen.
Dmitri KardowskiAm 20. November 1710 erklärte das Osmanische Reich Russland den Krieg. Peter entschied sich, die russischen Truppen selbst in die Schlacht zu führen, fürchtete dabei aber offensichtlich um sein Leben. Juel Just, der damalige dänische Gesandte in Russland, berichtete, dass Peter kurz vor der Abreise seine Verlobte Katharina seiner Familie vorstellte und sagte, dass sie von nun an seine Frau und damit die rechtmäßige russische Zarin sei. Selbst wenn er fallen würde und die Hochzeit dadurch nicht stattfinden könnte, müssten sie sie als seine Frau und Herrscherin anerkennen. Während er während bisheriger Kriege hochrangige Berater beauftragt hatte, ihn zu vertreten, entschied er sich nun, eine permanente Institution für solche Fälle zu schaffen: Am 5. März 1711 nahm der Regierende Senat offiziell seine Arbeit auf.
Der regierende Senat im Jahr 1914, ein Gruppenfoto.
Karl BullaDer Senat bestand zum Anfang aus neun Personen. „Jeder muss seinen Anordnungen genauso Folge leisten als wären es meine. Ansonsten droht eine harte Strafe bis hin zur Todesstrafe.“ schrieb er. Dem Senat hinterließ er einen umfangreichen Aufgabenkatalog: Staatsausgaben senken, Gelder eintreiben, junge Adelige in den Staatsdienst berufen, den Handel mit Russland und China vorantreiben, und so weiter.
Als Peter im Herbst 1711 zurückkehrte, wurde der Senat nicht wieder aufgelöst, sondern bekam neue Aufgaben, darunter die Auswahl von Spitzenbeamten und die Kontrolle des Rechtssystems. Doch auch der Senat ersetzte den Zaren nie.
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