Herrschaftsinsignien der Zaren: Woher kommen Zepter, Reichsapfel und Krone?

Krönungskatalog, 14. Mai 1896
Woher stammen die russischen Reichskleinodien Stab, Zepter und Reichsapfel? Hatte der Herrscherstab von Iwan dem Schrecklichen wirklich magische Kräfte? Warum schmückt ein Kreuz den Reichsapfel?

Die russischen Monarchen hielten bei ihrer Krönungszeremonie einen Stab oder ein Zepter in der rechten und eine Kugel in der linken Hand. Mit diesen Insignien ausgestattet, ließen sie sich auf dem Thron nieder.

Der erste russische Zar, der diese Insignien bei seiner Thronbesteigung in den Händen hielt, war Fjodor I. (1557-1598), der Sohn Iwan IV., genannt Iwan der Schreckliche.

Zum letzten Mal kamen Stab und Reichsapfel bei der Krönung von Nikolaus II. im Mai 1896 zum Einsatz. Damals hielt der letzte Kaiser sie jedoch nicht in der Hand. Die Reichskleinodien wurden auf einem Zeremonientisch präsentiert. 

Die Machtsymbole der Rurikiden und Romanows 

„Iwan der Schreckliche zeigt die Schätze dem englischen Botschafter Jerome Horsey“ von Alexander Litowtschenko

Der Stab oder ein kürzeres Zepter eines Monarchen ist wahrscheinlich eines der ältesten bekannten Symbole der Macht. Die Ursprünge gehen auf Hirtenstäbe und die Stäbe der Heiligen zurück und symbolisieren die besondere Stellung.  In vielen verschiedenen Religionen verwenden die Priester einen Krummstab. In der russischen Monarchie steht der Stab für den Baum des Lebens und als Verbindung zwischen Himmel und Erde.  

Es ist ein Symbol, das sich auch auf alten russischen Münzen von Wladimir dem Großen und Fürst Swjatopolk zu sehen ist, und zwar in der Variante mit einem Kreuz. Solche Abbildungen finden sich auch auf byzantinischen Münzen aus dieser Zeit.

Münzen von Wladimir dem Großen und Fürst Swjatopolk

Ein Zepter ist deutlich kürzer als ein Stab. Es wurde im Römischen Reich als Attribut eines Kommandanten beim Militär verwendet. Im Mittelalter übernahmen die europäischen Monarchen das Zepter als Zeichen der umfassenden militärischen und weltlichen Macht.

Das wahrscheinlich erste in Russland eingesetzte Zepter findet sich in den Illustrationen der Radziwiłł-Chroniken aus dem 13. Jahrhundert. Darin ist Swjatoslaw II. von Kiew während eines Besuchs einer deutschen Gesandtschaft mit Zepter zu sehen. Offiziell wurde das Zepter jedoch erst im 16. Jahrhundert verwendet. Die Herrscher des Fürstentums Moskau trugen neben der Krone Stäbe als Zeichen ihrer Macht.  

Ein magischer Stab

Die englischen Gesandten Robert Chancellor und Clement Adams berichteten 1553, dass Iwan der Schrecklich sie „auf einem vergoldetet Stuhl mit einer Krone auf dem Kopf und einem Zepter aus Kristall und Gold in der rechten Hand“ empfangen habe. Seitdem hielt Iwan IV. bei Zeremonien immer ein Zepter.

„Iwan der Schreckliche“ von Wiktor Wasnezow

Doch er vertraute auch weiter auf seinen Herrscherstab. Jerome Horsey, ein anderer englischer Diplomat in Russland, berichtete, dass Iwan von magischen Kräften seines Stabes, der angeblich aus „dem Horn eines Einhorns” wahrscheinlicher aber aus dem Stoßzahn eines Narwals gefertigt und üppig mit Edelsteinen besetzt war, überzeugt war. Zu Horsey sagte Iwan einmal, dass er krank sei. Er befahl seinem Leibarzt, mit dem Stab einen Kreis auf den Tisch zu zeichnen. Zwei Spinnen wurden hineingesetzt. Eine starb sofort, die anderen rannte davon. „Es ist zu spät”, sagte Iwan daraufhin, „der Stab kann mich nicht mehr retten.”  

Während seiner Krönung im Jahr 1584 nutzte Fjodor I. sowohl Stab als auch Zepter und Reichsapfel, die auf einem Kissen ruhten. Dieses Zepter ist leider nicht erhalten. Das älteste bekannte Zepter der russischen Zaren war das von Michael I., das höchstwahrscheinlich ein Geschenk von Kaiser Rudolf II. gewesen ist. Das Zepter des Zaren Alexander kam 1662 mit einem Reichsapfel aus Istanbul. 

Fjodor I. Iwanowitsch, der letzte Zar der Rjurik-Dynastie

Peter der Große schmückte sich bei seiner Krönung mit einem in Moskau hergestellten Zepter im Stil der Rurikiden. Leopold Pfisterer, ein österreichischer Juwelier am russischen Hof,  fertigte 1762 ein Zepter für Katharina II. an, das seitdem bei Inthronisierungen verwendet wurde. 1774 wurde der berühmte Orlow-Diamant auf das Zepter montiert, das insgesamt 59,6 cm lang und 604 Gramm schwer ist. 395 Gramm Gold, 60 Gramm Silber und 193 Diamanten zieren den Herrscherstab zusätzlich. Seit 1967 ist das Zepter im Diamantenfonds in der Rüstkammer des Kremls ausgestellt. 

Das Kreuz beherrscht die Welt 

Dier Reichsapfel, eine Kugel mit einem Kreuz, ist ebenfalls eine royale Insignie und symbolisiert die geistige und religiöse Weltherrschaft. Auch der Reichsapfel stammt ursprünglich von den Römern, bei denen der Gott Jupiter eine Kugel, die die Welt symbolisieren sollte, auf den Schultern trägt. Mit der Ausbreitung des Christentums wurde die Kugel von einem Kreuz gekrönt. Der Kaiser hielt die Kugel (die Welt) in seiner Hand, um zu zeigen, dass er sie im Auftrag Gottes regierte. 

Ebenso wie das Zepter übernahmen die russischen Zaren den Reichsapfel aus Konstantinopel. Es gibt vier in Russland. Der erste gehörte zum Zepter von Michael I. und zeigt biblische Szenen rund um König David. 

Der griechische Reichsapfel, der 1662 zusammen mit dem Zepter aus Istanbul kam, wurde von Alexander genutzt. Ein sehr kleiner Reichsapfel wurde eigens für den 1772 erst zwölfjährigen Peter II. gefertigt. 

24 Zentimeter Höhe und im Durchmesser 48 Zentimeter sind die Maße des Reichsapfels für Katharina II. von Hofjuwelier Georg Friedrich Eckart. Es ist eine glatt polierte goldene Kugel, die von diamantbesetzten Bändern umschlungen ist. Während der Regierungszeit von Paul I. von Russland wurde die Kugel mit einem Ceylon-Saphir mit einem Gewicht von 195 Karat verziert. Insgesamt 465 Gramm Gold, 305 Gramm Silber und 1370 Diamanten kamen bei der Herstellung dieses Reichsapfels zum Einsatz.

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