„Die schrecklichste aller meiner Schlachten war die bei Moskau. Die Franzosen erwiesen sich als würdige Sieger. Und die Russen trugen den Ruhm davon, unbesiegbar zu sein“, erklärte Napoleon über die Schlacht von Borodino am 7. September 1812. Innerhalb eines einzigen Tages hatten die französische „Grande Armée“ und die russischen Truppen unter dem Kommando des zum Oberbefehlshaber ernannten Fürsten Michail Kutusow insgesamt etwa 80.000 Mann an Gefallenen, Verwundeten und Vermissten zu beklagen. Damit ist Borodino als die blutigste eintägige Schlacht der Geschichte bis zum Ersten Weltkrieg eingegangen.
Seit dem Einmarsch seiner Truppen in das Russische Reich am 24. Juni 1812 träumte Bonaparte von einer großen Schlacht gegen die Russen. Der Gegner vermied in jeder Hinsicht eine direkte Konfrontation mit dem berühmten Befehlshaber und zog sich zurück, um ihn tief ins Land zu locken. Als sich die Franzosen jedoch Moskau näherten, drängten die Öffentlichkeit und Zar Alexander I. Kutusow zu einer Entscheidungsschlacht mit Napoleon. Letztendlich musste dieser nachgeben.
Die französischen und die russischen Truppen waren mit rund 135.000 Mann zahlenmäßig etwa gleich stark. Napoleon wollte die russische Verteidigung durchschneiden, sie von hinten angreifen, einkesseln und in Teilen vernichten. Kutusow hatte vor, den Feind auf der eilig errichteten acht Kilometer langen Verteidigungslinie auf dem Feld bei Borodino zu zermürben. Am 5. September, einige Tage vor Beginn der Schlacht, hatten die französischen Truppen den vorgelagerten Stützpunkt der russischen Armee, die Schanze von Schewardino, erobert.
Im Morgengrauen des 7. September griffen die französischen Truppen des Korps von Prinz Eugène de Beauharnais das Dorf Borodino an. Nach einer Stunde blutiger Kämpfe war das Dorf eingenommen.
Der Angriff auf Borodino war nur ein Ablenkungsmanöver. Der Hauptschlag fiel auf die linke Flanke der russischen Truppen, wo sich die so genannten Fleschen (Feldbefestigungen) befanden, die südwestlich des Dorfes Semjonowskoje aufgebaut worden waren. Die Truppen von General Pjotr Bagration, die die Stellung verteidigten, gerieten unter konzentriertes Feuer durch 130 französische Geschütze.
„An der linken Flanke fand der grausamste Kampf statt; die Russen hielten sich tapfer in den Schützengräben, die Franzosen bezahlten jeden Schritt nach vorne mit einem erdrückenden Verlust an Männern. Erstaunlich die Verzweiflung, mit der sie sich in den Tod stürzten; man kann nur staunen über die Geistesgegenwart, mit der die Russen sich verteidigten und den Ansturm der feindlichen Übermacht aufhielten“, erinnerte sich der Generalmajor der Artillerie Ilja Rodoschizki.
Um 9 Uhr morgens wurden die Feldbefestigungen bei Semjonowskoje (später Bagrationow genannt) endgültig vom Feind besetzt. Im Zentrum der russischen Armee auf den Kurganhöhen, wo sich die Batterie des Generals Nikolai Rajewski befand, waren zu diesem Zeitpunkt bereits heftige Kämpfe ausgebrochen. Mittags, im kritischsten Moment, schlugen das 1. Kavalleriekorps von General Fjodor Uwarow und acht Kosakenregimenter von Matwej Platow unerwartet auf die linke Flanke von Napoleons Truppen. Sie stifteten Verwirrung im Lager der Franzosen und zwangen den Kaiser, einige Truppen gegen sie zu schicken und so den Druck auf Rajewski zu verringern.
Mehr als einmal wechselte die Rajewski-Batterie während heftiger Kämpfe den Standort, bis sich die französischen Truppen schließlich um 3 Uhr nachmittags dort verschanzten.
Um 17 Uhr erschien der Kaiser selbst an der Batterie und sah ein ernüchterndes Bild: Die russischen Truppen waren zwar schwer angeschlagen, aber ungebrochen und hatten sich auf neue Stellungen zurückgezogen, bereit, jeden Angriff abzuwehren. Mit Einbruch der Dämmerung wurden die Kämpfe eingestellt, aber der Artilleriebeschuss ging weiter. „Was ist mit den Russen?“ - fragte Napoleon nach einer Weile. „Sie stehen still, Majestät.“ „Erhöht das Feuer, sie brauchen wohl mehr davon“, befahl der Kaiser, „gebt ihnen mehr!“ Trotz der Beschwörungen seiner Generäle wagte er es nicht, seine letzte Reserve, die 19.000 Mann starke Eliteeinheit der Alten Garde, in die Schlacht zu werfen.
Noch vor dem Morgengrauen zog sich die russische Armee aus ihren Stellungen zurück und zog in Richtung Moskau ab. Die erschöpften Franzosen, die nicht in der Lage oder nicht willens waren, sie zu verfolgen, blieben über Nacht direkt auf dem Schlachtfeld unter den Toten. „In der Nähe jedes Feuerstelle, sobald ihr Schein die Dunkelheit durchbrach, wurden die Verwundeten und Sterbenden versammelt, und bald waren es mehr von ihnen als von uns“, schrieb Hauptmann Brandt.
Die russische Armee verlor etwa 45.000 Mann an Gefallenen, Verwundeten und Vermissten, die französischen Verluste werden auf etwa 35.000 geschätzt. Sechzehn französische und russische Generäle blieben auf dem Schlachtfeld zurück, weitere sechs Dutzend Generäle wurden schwer verwundet. Wegen der hohen Verluste bei den obersten Befehlshabern wird die Schlacht von Borodino manchmal auch als „Schlacht der Generäle“ bezeichnet.
Indem er alle Schlüsselpositionen des Feindes besetzte und die russische Armee zum Rückzug zwang, errang Napoleon einen taktischen Sieg. Dennoch war Borodino strategisch gesehen eine Niederlage für den Kaiser: Die russischen Truppen waren nicht besiegt worden und hatten ihre Kampfreihen vollständig bewahrt. „Was hat es gebracht, das Schlachtfeld in unseren Händen zu behalten?“ - klagte General Philippe-Paul de Ségur: „Wie könnte es sein, dass den Russen in einem so großen Land wie diesem nicht genug Land zum Kämpfen bleibt?“
Die „Grande Armée“ hatte enorme, unersetzbare Verluste erlitten, die sich letztlich als sinnlos herausstellten. Der Kaiser selbst, seine Generäle und die einfachen Soldaten wurden nach und nach von Enttäuschungen übermannt. Die Franzosen hofften jedoch immer noch, den Feldzug siegreich beenden zu können. Nach Borodino setzten sie ihren Marsch in Richtung Moskau fort, nicht ahnend, dass sie damit dem sicheren Tod entgegengingen.