5 Dinge, mit denen sich die Sowjets schwer taten

Russia Beyond (Public Domain; Grigori Goldstein)
Die Bolschewiki versuchten aufrichtig, die menschliche Natur selbst und die gesamte Gesellschaft zu verbessern. Dazu war es notwendig, die schlechten Eigenschaften der alten vorrevolutionären Welt zu beseitigen.
  1. Religion

Titelseite des Magazins

Die atheistische und antireligiöse Propaganda war eines der wichtigsten Elemente in der Arbeit der Bolschewiki zur Schaffung des neuen Sowjetmenschen. Der Ideologe der Revolution, Wladimir Lenin, machte das Marx-Zitat „Die Religion ist das Opium für das Volk“ zu einer alltäglichen Losung. Er und seine Mitstreiter glaubten, dass der einfache Mensch, sobald er erkennt, dass es keinen Gott gibt, begreifen würde, dass sein eigenes Leben und das Leben aller Menschen allein von seinen eigenen Anstrengungen abhängt. Ihr Kalkül war teilweise richtig, da die Institution der Russisch-orthodoxen Kirche Ende des 19. Jahrhunderts weitgehend zu einem Hindernis für die gesellschaftliche Entwicklung geworden war.

Die Aufbauschicht der Roten Armee auf dem Gelände des Simonov-Klosters in Moskau im November 1923.

Die Bolschewiki entwarfen viele Propagandaplakate, auf denen die Geistlichen als fette und  ekelhafte Gestalten in Roben und Bärten karikiert wurden, die das Volk „verblödeten“. Viele Kirchen wurden geschlossen und zu anderen Zwecken, zum Beispiel in Lager, genutzt.

  1. Analphabetismus

Vor der Revolution konnten nach verschiedenen Schätzungen nur 20 % der russischen Bevölkerung schreiben und lesen. Aber die neue herrschende Klasse der Arbeiter und Bauern musste gebildet sein, um am öffentlichen Leben teilzunehmen und die Produktivität zu steigern.

Unterricht zur Beseitigung des Analphabetismus, 1920.

Deshalb wurde 1919 ein Dekret erlassen, das die gesamte Bevölkerung im Alter von 8 bis 50 Jahren verpflichtete, wahlweise Russisch oder ihre Muttersprache lesen und schreiben zu lernen. Um das Lernen zu erleichtern, reformierten die Bolschewiki auch die Rechtschreibung. In den folgenden zehn Jahren wurde etwa 10 Millionen Menschen das Lesen und Schreiben beigebracht. Eine Volkszählung im Jahre 1926 ergab, dass inzwischen etwa 50 % der Landbewohner lesen und schreiben konnten. 1939 waren bereits fast 90 % aller Einwohner alphabetisiert.

  1. Soziale Ungleichheit

Das sowjetische Regime wollte eine gleichberechtigte Gesellschaft aufbauen – eine Gesellschaft, in der es keine Armut und kein Elend gibt und der erwirtschaftete Reichtum gerecht umverteilt wird. Es lehnte das Prinzip der persönlichen Bereicherung und den Vorrang des Privateigentums ab, die die Triebkräfte des Kapitalismus sind. Darüber hinaus wurde auf ideologischer Ebene die Möglichkeit verurteilt, in den Genuss von Vorteilen zu kommen, wenn jemand, der einem nahe steht, dieser Vorteile beraubt wurde.

Nikolai Petrow, Arbeiter in der Leningrader Druckmaschinenfabrik (heute Lenpoligrafmasch), macht die Mitarbeiter mit der Bedienung einer Drehmaschine vertraut, 1952.

Hier wurde eine weitere Losung von Karl Marx in die Praxis umgesetzt: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“. Es soll keine Reichen und Armen geben, alle erhalten fast das gleiche Einkommen, das Gesamtergebnis wird unter allen geteilt.

Nach der sowjetischen Moral muss der Mensch im Interesse der Sache und im Bewusstsein des Gemeinwohls arbeiten. Er sollte sein Vergnügen nicht aus dem Konsum von materiellen Gütern ziehen, sondern aus dem Prozess der Arbeit und der Selbstverwirklichung.

  1. Parasitäre Lebensweise

Die UdSSR glaubte, dass jeder Mensch arbeiten müsse und bekämpfte deshalb Schmarotzer streng. „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ war eine weitere beliebte sowjetische Losung. Das Recht auf Arbeit war in der sowjetischen Verfassung verankert und jedem Bürger wurde ein Arbeitsplatz garantiert. In den meisten Fällen erfolgte nach Abschluss der Berufsausbildung oder des Studiums die Zuweisung eines Arbeitsplatzes.

In den 1960er Jahren wurde ein Erlass zur „Verstärkung des Kampfes gegen diejenigen, die sich der gesellschaftlich nützlichen Arbeit entziehen und einen asozialen, parasitären Lebensstil führen“ erlassen. So konnten beispielsweise Personen während der Arbeitszeit in öffentlichen Verkehrsmitteln aufgefordert werden, sich auszuweisen und zu erklären, warum sie nicht an ihrem Arbeitsplatz sind.

Joseph Brodsky. New York.

Der Erlass betraf häufig Dissidenten – Dichter, Schriftsteller und Künstler, die von der offiziellen sowjetischen Presse nicht veröffentlicht wurden und keine offizielle Arbeit finden konnten. Eines der berühmtesten Beispiele für die von dem Erlass Betroffenen war der Dichter Joseph Brodsky.

  1. Sittenlosigkeit

Die Bolschewiki übernahmen viele christliche Gebote, um den Moralkodex des neuen Menschen zu gestalten. Zum Beispiel den Grundsatz der Gleichheit aller Menschen („Dann ist unwichtig, ob einer Grieche oder Jude ist“; Kolosser 3:11), die Notwendigkeit, für das Gemeinwohl und nicht für den eigenen Vorteil zu leben („Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst!“; 3 Mose 19:19), die Wahrnehmung der Frauen als gleichberechtigt mit den Männern ohne den Aspekt ihres Geschlechts.

In Ermangelung einer Religion, die die menschlichen Laster bekämpfen würde, mussten die sowjetischen Behörden neue Wege finden, um Moral und Ethik zu vermitteln. Das war die soziale Zensur. Jede Person, die sich nicht sowjetisch verhielt, konnte zu einer Versammlung – in der Schule, in der Hochschule oder am Arbeitsplatz – vorgeladen werden und mit ihr wurde ein erzieherisches Gespräch geführt. Besonders wurden Trunkenheit und ein ausschweifender Lebenswandel bekämpft. Es wurde sich sogar in Familienangelegenheiten eingemischt, wenn zum Beispiel der Ehemann untreu war.

Darüber hinaus kümmerten sich die sowjetischen Behörden zum ersten Mal in der Geschichte Russlands um die allgemeine Erziehung und Bildung der Kinder. Dies wurde zu einer Angelegenheit von staatlicher Bedeutung.

Die sowjetischen Behörden bekämpften auch aktiv die Jugendkriminalität. Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Bürgerkrieg verloren viele Kinder ihre Eltern, und allein offiziell gab es etwa 7 Millionen obdachlose Kinder (während nur etwa 30.000 Kinder in Waisenhäusern lebten).

1926, UdSSR.

Viele Jugendliche wuchsen buchstäblich „auf der Straße“ auf und „verdienten“ ihren Lebensunterhalt mit Diebstahl und Betteln. Der Staat brachte das Problem der Straßenkinder unter seine Kontrolle. Es wurde eine Kinderkommission eingerichtet und zahlreiche Übergangsheime und Erziehungsanstalten eröffnet. Im Jahr 1924 waren bereits 280.000 Kinder in Heimen untergebracht.

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