Warum wurde Peter der Große sechs Jahre lang nicht begraben?

Johann Gottfried Tannauer
Der russische Zar starb unter schrecklichen Qualen und hatte keine Zeit, ein Testament zu hinterlassen, aber er hatte sich schon seit vielen Jahren auf sein eigenes Begräbnis vorbereitet. Doch die Dinge liefen nicht nach Plan.

Ende 1724 machte sich Peter, der bereits schwer an Urolithiasis (Harnsteinen) erkrankt war, an den Bau des Ladoga-Kanals – über hundert Kilometer entlang des Ladoga-Sees. Sein Hofarzt bestand darauf, dass der Zar die Reise nicht antreten sollte, doch Peter blieb hartnäckig. Das Projekt war wichtig, denn der Kanal sollte das Handelsvolumen mit Europa erheblich steigern. Zumal schien der Gesundheitszustand des Zaren sich im Herbst verbessert zu haben.

Es sollte sich jedoch herausstellen, dass dies ein fatale Fehleinschätzung war.

Eine Beerdigung wie bei europäischen Königen

Die kalte See und das schlechte Wetter (Peter musste in der Nähe von Lahta hüfttief im eisigen Wasser stehen und ein Schiff mit seinen Soldaten retten, das auf Grund gelaufen war) verschlimmerten den Zustand des Zaren. Bald darauf erkrankte der 52-Jährige. Sein Zustand verschlechterte sich so schnell, dass er kein Testament hinterließ: Zeugen zufolge hatte er nur noch Zeit, „Gebt alles...“ zu sagen, dann war er tot.

Am 8. Februar 1725 starb er in seinem Kabinett im Winterpalast, das so klein war, dass der Sarg mit seiner Länge von 216 cm kaum hineinpasste. Auch wenn Peters Tod unerwartet eintrat, hatte sich der Zar doch sein ganzes Leben lang auf sein eigenes Begräbnis vorbereitet.

Tod von Peter dem Großen.

Dafür änderte er die Regeln für königliche Begräbnisse und wurde der erste russische Herrscher, der nach einem neuen Ritus bestattet wurde. Peter, der viele der alten russischen Traditionen ablehnte, wollte nicht wie die Moskauer Zaren – am Tag nach seinem Tod – bestattet werden. Er wollte einen großzügigen und langen Abschied wie die Könige Europas. Deren Sitten hatte er eingehend studiert. Er bemühte sich, an allen Beerdigungen adliger Ausländer in russischen Diensten teilzunehmen, und er beteiligte sich selbst, auch finanziell, an der Organisation und Durchführung von Beerdigungsriten. Außerdem ordnete er bereits 1723 an, dass russische Diplomaten ihm detaillierte Beschreibungen von Beerdigungen aus dem Ausland schicken sollten, an denen sie teilnehmen mussten. Es war klar, dass Peter die Beerdigungszeremonie, die er für sich selbst vorbereitet hatte, vor allem nach dem Vorbild der französischen Könige „probte“.

Porträt von Peter dem Großen auf dem Totenbett.

Als Peters Stunde gekommen war, lagen daher detaillierte Anweisungen für seine Beerdigungszeremonie vor. Es war ein Begräbnis von noch nie dagewesenem Ausmaß!  

Wie Peter begraben wurde

Peters Beerdigung wurde im Winterpalast organisiert – sein Leichnam wurde in einer 200 Meter großen Trauerhalle aufgebahrt, die innen mit schwarzem Tuch ausgestaltet war. Um den Sarg herum standen die Staatssymbole, Insignien und Orden des Zaren. Es war jedoch keine einzige russische Ikone zu sehen – eine für die damalige Zeit äußerst ungewöhnliche Entscheidung.

So blieb der Leichnam des Zaren 42 Tage lang im Winterpalast, umgeben von seinen eigenen Insignien und den Menschenmassen, die sich von ihm verabschieden wollten. Der Leichenzug zum Bestattungsort fand erst am 10. März statt. Der Sarg wurde über das Eis der Newa zur Peter-und-Paul-Kathedrale gezogen, begleitet von einem Ehrengeleit aus 11.000 Menschen. Sie verabschiedeten sich in der Kathedrale, aber der Zar wurde nicht begraben, sondern es wurde lediglich symbolisch eine Handvoll Erde auf den Sargdeckel geworfen. Ganze sechs Jahre stand er dort und wurde nicht begraben. In dieser Zeit starb auch Peters Frau Katharina I., die nach dem Tod ihres Mannes den Thron bestieg und drei Jahre später starb.

Auch ihr Sarg wurde entgegen der christlichen Tradition der Erdbestattung neben den Sarg ihres Mannes gestellt.

Porträt der Prinzessin Natalja Alexejewna (1673-1716).

Die äußerst lange Abschiedszeremonie (42 Tage im Winterpalast) setzte natürlich eine Einbalsamierung voraus. Eine weitere Regel, die Peter änderte: Vor ihm waren die russischen Zaren nicht einbalsamiert worden. Er „probierte“ diese Einbalsamierung am Körper seiner eigenen und geliebten Schwester Natalia Alexejewna aus. Als sie 1716 starb, war Peter im Ausland. Um rechtzeitig zur Beerdigung zurückkehren zu können, ließ er den Leichnam einbalsamieren. Dies war erfolgreich, doch als Peter mit der gleichen Technologie einbalsamiert wurde, lief nicht alles nach Plan. 

Das Problem war, dass Zaren nicht obduziert werden durften und Peter ohne Autopsie einbalsamiert wurde. Und da er an einer eitrigen Blasenentzündung gestorben war, wurde sein Körper schwarz und begann zehn Tage nach seinem Tod zu verwesen. Dennoch beschloss Katharina, alle von ihrem Mann gestellten Bedingungen zu erfüllen, einschließlich der 42-tägigen Abschiedszeremonie. Die Einbalsamierung von Peter wurde von Jacob Bruce überwacht, Peters engstem Mitarbeiter und einem der gebildetsten Männer der damaligen Zeit, der im Volksmund den Ruf eines „Hexendoktors“ und „Zauberers des Zaren“ hatte. Ihm wird die Entscheidung zugeschrieben, mit der Bestattung des Zaren solange zu warten.

Schwarzkünstler des Zaren und Nachkomme des schottischen Königs 

Das Geschlecht der Bruce gehörte zu einem der ältesten Zweige der schottischen Clans. In Russland lebte Bruce seit 1647. Bruce diente unter Peter, als dieser noch ein junger Mann war und sich in den Mauern des Dreifaltigkeitsklosters vor seinen politischen Feinden und deren Verbündeten versteckt hielt. Seitdem war es dessen engster Hofbeamter.

Porträt von Yakov Bruce.

Jacob Brus sprach sechs Sprachen fließend und war in Mathematik, Geografie, Geologie, Astronomie, Optik, Mechanik, Medizin, Militärwissenschaft und anderen Disziplinen sehr bewandert. Er überwachte den russischen Buchdruck, stellte russisch-niederländische und niederländisch-russische Wörterbücher zusammen, schrieb das erste russische Geometrielehrbuch und eröffnete die erste Sternwarte Russlands.

Diese letzte Tatsache scheint sehr zu Bruces Ruhm als Hexendoktor und Zauberer beigetragen zu haben. Das von ihm eröffnete Observatorium befand sich im Sucharew-Turm in Moskau (der 1934 abgerissen wurde). In Moskauer Überlieferungen ist dieser Ort mit vielen dunklen Legenden verbunden: Angeblich traf sich dort ein Geheimbund von Ketzern, und am Fuße des Turms sollte das „schwarze Buch“ von Bruce versteckt sein, das angeblich unbegrenzte Macht verleihen konnte.

Sucharew-Turm.

Als Peter I. starb, wurde James Bruce der Titel des Generalfeldzeugmeisters der so genannten Trauerkommission verliehen (er führte den Abschieds- und Trauerzug an). Er leitete auch die Einbalsamierung des Zaren. Das Verschieben der Beerdigung wurde mit Bruces angeblich mystischen Aktivitäten und seinen „teuflischen Experimenten“ in Verbindung gebracht. Und je mehr Zeit verging, desto mehr Menschen waren davon überzeugt, dass der „Hexenmeister des Zaren“ hinter all dem steckte.

Die Wahrheit war jedoch viel prosaischer.

Das Grab des Zaren

Der letzte Akt der Beerdigung – das Herablassen des Sarges in die Erde – wurde verschoben, um das Grabmal für den Zaren und die gesamte Peter-und-Paul-Kathedrale fertig zu stellen. Sie befindet sich in der Peter-und-Paul-Festung, einem besonderen Ort für den verstorbenen Zaren. Der 16. Mai 1703, an dem mit dem Bau der Festung begonnen wurde, ist das Gründungsdatum von St. Petersburg, der Stadt, die Peter errichten ließ.

Peter-und-Paul-Kathedrale.

Als Peter starb, wurde sein Sarg in einer provisorischen Holzkapelle in der im Bau befindlichen Peter-und-Paul-Kathedrale aufgestellt. Im Jahr 1731 ordnete Anna Iwanowna, Peters Nichte, die 1730 den Thron bestiegen hatte, an, dass die Leichname von Peter und Katharina endgültig bestattet werden sollten. Die Gebeine wurden in der Nähe der Südwand vor dem Altar der Peter-und-Paul-Kathedrale beigesetzt. Interessant ist, dass Peter so begraben wurde, dass es unmöglich ist, ihn zu exhumieren, denn dazu müsste man die gesamte Peter-und-Paul-Kathedrale abreißen.

Vor Peter dem Großen wurden die russischen Monarchen an verschiedenen Orten beigesetzt: in der Erzengel-Kathedrale, im Auferstehungsklosters, in der Erlöser-Kathedrale im Tann und im Nowodewitschi-Kloster. Doch mit der Verlegung der Hauptstadt nach St. Petersburg wurde die Peter-und-Paul-Kathedrale zur königlichen Begräbnisstätte.

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