„Wir brauchen normale, gesunde, russische Kinder“: Wer erzog die Kinder der Zaren?

Franz Krüger / Ermitage / Public Domain
Die Thronfolger mussten vor allem lernen, wie man den Staat regiert. Sie lernten auch militärische Disziplinen, Sprachen, Wissenschaft und Philosophie. Aber sie vergaßen auch nicht, die Arbeit auf dem Land und in den Werkstätten zu erlernen.

Peter der Große

Unbekannter Künstler. Porträt von Zarewitsch Pjotr Alexejewitsch. К. 17. - 18. Jahrhundert; Stück aus den Notizbüchern Peters des Großen zur Arithmetik, 1688-1689.

Der künftige Zar wurde mit Bildung vertraut gemacht, sobald er die ersten Schritte getan hatte. Schon im Alter von einem Jahr hatte er neben Spielzeug ein „lustiges Buch“ mit Bildern zu alltäglichen Themen.

Als der Zarewitsch fünf Jahre alt war, wurde er der Obhut des Diakons Pjotr Sotow anvertraut: Bevor dieser zum Unterricht zugelassen wurde, prüfte der Theologe Simeon Polozkij die Kenntnisse des zukünftigen Lehrers. Während des Unterrichts lernte der Thronerbe Lesen und Schreiben und wurde in den Psalter, das Evangelium und das Stundenbuch eingeführt. Da sich Peter für Präzisionsmessinstrumente interessierte, bat er, ihm ein Astrolabium zu besorgen und ihm dessen Handhabung beizubringen. So lernte er den holländischen Kaufmann Franz Timmermann kennen, der ihn in die Grundlagen der Mathematik, der Geometrie, des Festungsbaus und des Schiffbaus einführte. Im Jahr 1688 entdeckten sie in Ismailowo ein altes Schiff, dessen Restaurierung der erste Schritt zum Aufbau der russischen Flotte war. Einige Jahre später organisierte Timmerman für Peter I. eine Reise zu den Amsterdamer Werften, und danach war er am Bau von Schiffen beteiligt.

Nikita Sotov unterrichtet Peter den Großen in verschiedenen Wissenschaften. Miniatur aus der Geschichte von Peter dem Großen von P. Krekschin.

Der Schotte Patrick Gordon und der Schweizer Franz Lefort lehrten Peter I. Militärtechnik, der theoretische Unterricht wurde mit Manövern abgeschlossen.

Paul I.

Porträt des Großfürsten Pawel Petrovitsch als Kind, 1761, von Fjodor Rokotow.

Die Ausbildung der Erbfolger erfolgte bei den Romanows erst ab dem 18. Jahrhundert nach einem System. Der Diplomat Nikita Panin wurde zum Erzieher des Großfürsten Pawel Petrowitsch (dem Sohn Katharinas der Großen) und beschloss, einen aufgeklärten Monarchen zu erziehen, dem Politik und Wirtschaft, Kunst, Sprachen, Geschichte und Philosophie nicht fremd sein würden. Er wählte die Lehrer selbst aus. So lehrte Metropolit Platon von Moskau und Kolomna dem Thronfolger das Gesetz Gottes. Geometrie und Arithmetik wurden von Semjon Poroschin gelehrt, und der italienische Komponist Vincenzo Manfredini unterrichtete die Erbfolger im Cembalospiel. Der Hof würdigte die umfassenden Kenntnisse des Großfürsten in Geschichte, Geografie und Mathematik sowie seine fließenden Sprachkenntnisse in Französisch, Deutsch, Slawisch und Latein. Paul verfügte auch über eine große Bibliothek, die die Zarin für ihn erworben hatte, um ihm die Liebe zu den Werken von Voltaire, Diderot und Montesquieu zu vermitteln.

Alexander I.

Porträt der Großfürsten Alexander Pawlowitsch und Konstantin Pawlowitsch, 1764, Richard Brompton ; Porträt von Iwan Iwanowitsch Betsky im Morgenmantel, 1776.

Katharina II. überwachte persönlich die Erziehung ihrer Enkelkinder – des späteren Zaren Alexander I. und des Großfürsten Konstantin Pawlowitsch. Sie teilte die Ansichten des englischen Philosophen John Locke, der glaubte, dass die Umgebung, in der ein Kind aufwächst, seine Bildung beeinflusst. Alexander und Konstantin wurden durch „Großmutters ABC“ unterrichtet: Darin vermittelte die Zarin nicht nur ihre Vorstellung von den Wissenschaften, sondern auch von moralischen Werten – Fleiß, Ehrlichkeit und viele andere. Sie unterstützte ihre Geschichten mit Sprichwörtern und Zitaten antiker Philosophen. Iwan Bezkoj, der persönliche Sekretär Katharinas II., war für den Lehrplan verantwortlich. Die Kommunikation mit den Lehrern beschränkte sich nicht auf das Klassenzimmer: Zu seinem Mentor Frédéric-César de La Harpe entwickelte Alexander eine sehr herzliche Beziehung. Der Lehrer kam aus der Schweiz, um ihm Französisch zu lehren, aber schon bald entwickelte er einen allgemeinen Lehrplan, den Katharina unterstützte. Zehn Jahre lang war er für die Ausbildung der jungen Männer verantwortlich und unterrichtete sie in Geografie, Geschichte, Recht und Literatur. De La Harpe widmete der Geschichte, den antiken Philosophen und den Denkern der Aufklärung besondere Aufmerksamkeit und versuchte, seinen Schülern hohe moralische Grundsätze zu vermitteln.

Die Erbfolger studierten unter anderem nicht nur die Wissenschaften, sondern erlernten auch einfache Arbeiten im Garten und in den Werkstätten: Alexander, zum Beispiel, arbeitete in der Landwirtschaft und erlernte das Tischlerhandwerk.

Nikolaus I.

Einzug der russischen Truppen in Paris. 31. März 1814

Die Söhne von Paul I., Nikolaus und Michael, wurden für eine militärische Laufbahn ausgebildet und standen daher überwiegend unter der Obhut von Majoren, Generälen und Obersten. An der Spitze des Ersten Kadettenkorps stand Matthias Jakob Freiherr von der Wenge Graf Lambsdorff. Die blaublütigen Zöglinge wurden nicht mit Samthandschuhen anfassen – sie wurden für das geringste Vergehen bestraft und es wurde nicht gezögert, sie mit der Rute zu züchtigen. Die brutale Schinderei wurde durch die anderen Lehrer etwas gemildert. Der Gelehrte Wassili Kukolnik führte die Großfürsten in das römische und das Zivilrecht ein. Andrej Storch, der Lehrer der Großfürstinnen, wurde eingeladen, einen Kurs über Volkswirtschaftslehre zu halten. Einige Jahre später erstellte er aus diesen Vorlesungen ein Lehrbuch. Um ihren Horizont zu erweitern, reisten Nikolaus und Michael: 1814 gingen sie nach Paris, um zu sehen, wie die russischen Truppen empfangen wurden. Einige Jahre später begaben sie sich auf eine Reise durch ihr Heimatland.

Alexander II.

Großfürst Alexander Nikolajewitsch zu Pferd, 1832, Franz Krüger; Porträt von Wassili Schukowski, 1837, Ivan Reimers.

Nikolaus I. erinnerte sich an die harte Ausbildung und wählte den Dichter Wassili Schukowski als Mentor für seinen Sohn. Dieser ging gründlich vor: Er reiste ins Ausland, um die europäischen Erfahrungen zu studieren, und erarbeitete ein spezielles Lehrprogramm. Der Zarewitsch Alexander absolviertes es vom 8. bis zum 20. Lebensjahr, und zwar nicht allein, sondern mit zwei anderen Kindern – Joseph Wielhorski und Alexander von Patkul. Unter der Leitung von Schukowski studierten sie Russisch, Chemie und Physik. Als Lehrer für die Großfürsten lud der Mentor die Besten auf ihrem Gebiet ein. Der Jurist Michail Speranski unterrichtete sie in Recht und Politik, Konstantin Arsenjew führte sie in Statistik, Geschichte und Geografie ein, und der Finanzier Georg Cancrin erläuterte ihnen wirtschaftliche Zusammenhänge. Die Feinheiten diplomatischer Fragen erklärte Philipp von Brunnow, der viele Jahre lang das Amt des russischen Gesandten in Großbritannien innehatte.

Nikolaus II.

Der Zar im Alter von 15 Jahren mit seinem Bruder.

Der Thronfolger wurde zwölf Jahre lang unterrichtet: Der Unterricht fand von 9 bis 17 Uhr statt, mit Pausen für Gymnastik, Mittagessen und Spaziergänge. Sein Vater Alexander III. verfolgte einen ganz einfachen Grundsatz: „Ich brauche kein Porzellan. Ich brauche normale, gesunde, russische Kinder.“ Und hier leistete der Englischlehrer Charles Heath unerwartete Hilfe. Er unterrichtete nicht nur die Fremdsprache, sondern gab auch Sportunterricht und schaffte es, seinen Schülern die Liebe zum Sport zu vermitteln. Reiten, Schwimmen, Schießen, Jagen und Fischen – Nikolaus und seine Brüder waren leidenschaftlich bei allen möglichen Aktivitäten dabei. Natürlich wurden auch die Wissenschaften nicht vergessen: Finanzminister Nikolai Bunge war für die wirtschaftliche Bildung zuständig, während César Cui, Professor für Festungsbau und Autor von Romanen und Opern, die Theorie der militärischen Befestigungen unterrichtete.

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