200 Jahre unter dem Joch: Die Eroberung Russlands durch die Mongolen

Episode aus dem Leben Russlands in der Zeit des Tatarenjochs, 1962.

Episode aus dem Leben Russlands in der Zeit des Tatarenjochs, 1962.

Nikolai Kulandin, / Russian Look
Eine unglaublich große, gut ausgebildete und brutale Armee aus dem Osten verwüstete nicht nur das ganze Land, sondern versetzte auch das russische Volk jahrhundertelang in Angst und Schrecken.

„Wegen unserer Sünden kamen unbekannte Völker, gottlose Moabiter, von denen niemand genau weiß, wer sie sind und woher sie kommen, welche Sprache sie sprechen, welchem Stamm sie angehören und welchen Glauben sie haben“, so beschrieb ein Chronist das erste Auftauchen der mongolischen Heere an den russischen Grenzen im Jahr 1223. Die Mongolen planten zu dieser Zeit jedoch keine Invasion Russlands. Der Feldzug der Generäle Subutai und Jebe in der osteuropäischen Ebene hatte eher Erkundungs- als Eroberungscharakter.

Die 30.000 Mann starke mongolische Armee überquerte das Kaukasusgebirge, erreichte die Steppen an der nördlichen Schwarzmeerküste und griff die nomadischen Stämme der turksprachigen Kumanen (Polowzer) an, auf deren Gebiet sich die russischen Fürstentümer befanden. Obwohl die Beziehungen zu diesen Nachbarn alles andere als ideal waren, beschlossen die Fürsten, dem Hilferuf des Kumanen Khan Köten zu folgen und die Mongolen mit einer gemeinsamen Front anzugreifen.

Die Schlacht an der Kalka (einem Fluss auf dem Territorium der Ostukraine, der heute Kaltschyk heißt) am 31. Mai 1223 endete für die russisch-polowzer Armeen mit einer Niederlage: Nur jeder zehnte Soldat blieb am Leben, nicht weniger als neun Fürsten und auch eine beträchtliche Anzahl von Bojaren fielen. Die Gründe für das Desaster waren die Fehleinschätzung des Feindes, das Fehlen eines einheitlichen Kommandos und die mangelnde Absprache zwischen den Befehlshabern.

Dschingis Khan.

Nach dem Sieg marschierten die Mongolen nach Osten, und im Laufe der Jahre verblasste der Schrecken des Erlebnisses langsam. Im Jahr 1237 brachte das mächtige Reich sich wieder in Erinnerung. 14 Dschingisiden (direkte Nachfahren Dschingis Khans) nahmen an einem groß angelegten Westfeldzug unter dem Kommando von Dschingis Khans Enkel Batu und dem Heerführer Subutai (der die Region bereits gut erkundet hatte) teil, die jeweils einen Tumen (10.000 Mann zu Pferd) befehligten. Nach einer anderen Version belief sich die Zahl der mongolischen Truppen auf nicht mehr als 40.000 Mann.

Ein riesiges Heer von Soldaten, die das Reiten und Bogenschießen in Perfektion beherrschten, unterstützt durch ein vielfältiges Arsenal von Belagerungswaffen aus dem unterworfenen China, zog nach Westen. Ihm standen die ungleichen Kräfte der ständig streitenden russischen Fürstentümer gegenüber, die sich selbst angesichts dieser Gefahr nicht vereinigen konnten.

Kalka, 1996.

Das Fürstentum Rjasan stellte sich den Mongolen in den Weg und bat seine Nachbarn, die Fürstentümer Wladimir-Susdal und Tschernigow, um Hilfe. Erstere zögerte jedoch die Entsendung von Truppen hinaus und letztere weigerte sich, weil Rjasan die Teilnahme am Konflikt mit den Mongolen im Jahr 1223 vermieden hatten.

Trotz der mangelnden Unterstützung beschlossen die Rjasaner, Widerstand zu leisten. Auf das Ultimatum der Mongolen, ihnen ein Zehntel ihres gesamten Reichtums zu geben, antworteten sie: „Wenn wir alle weg sind, wir das alles euch gehören!“ Die Stadt fiel am 21. Dezember 1237 nach einer fünftägigen Belagerung.

Mongolische Truppen in der Nähe des Katapults. Miniatur aus der Chronik von Rashid al-Din, 1307.

Am 1. Januar 1238 besiegten die Mongolen in einer Schlacht in der Nähe der Stadt Kolomna jenes Heer aus Wladimir, das zur Rettung von Rjasan aufmarschiert war. An diesem Tag fiel jedoch der Kriegsherr Külkan – er war einer der Söhne Dschingis Khans und der einzige Dschingiside, der auf dem Feldzug nach Russland ums Leben kam.

Während des Weitermarsches wurden die Mongolen plötzlich von einem „kleinen Trupp“ des Rjasaner Adligen Jewpatij Kolowrat angegriffen, der erst eintraf, als seine Heimatstadt bereits belagert wurde. Mit der kleinen Truppe gelang es Kolowrat, der feindlichen Armee schmerzhafte Schläge zu versetzen. Batu Khan bemerkte diesen tapferen Kämpfer und nachdem Kolowrat in der Schlacht gefallen war, ordnete der beeindruckte Khan an, seinen Leichnam den gefangenen Rjasanern zu übergeben und diese freizulassen.

Belagerung von Rjasan.

Die Mongolen zogen mit Feuer und Schwert durch die Länder des Fürstentums Wladimir-Susdal und verwüsteten Dörfer und Städte, darunter auch Moskau. Am 7. Februar fiel auch Wladimir, die Hauptstadt des Fürstentums, und die Familie des Herrschers Juri Wsewolodowitsch kam bei dem Brand ums Leben. Der Großfürst selbst war zu diesem Zeitpunkt nicht in der Stadt. Er sammelte seine Truppen am Fluss Sit, wo fast seine gesamte Armee am 4. März unterging. So wurde der gesamte Nordosten Russlands von den Mongolen unterworfen.

Der Kampf gegen den mächtigen Wladimir hat die Eindringlinge ausgezehrt. Batu Khan ging dem Risiko aus dem Weg und griff das große Handelszentrum Nowogorod nicht an. Das kleine Kosjolsk belagerte er mehr als 50 Tage lang. Als die Stadt endlich eingenommen war, befahl der wütende Khan, alle Einwohner zu töten und die Stadt dem Erdboden gleichzumachen.

Jewpatij Kolowrat.

Die Mongolen brauchten eine Verschnaufpause und griffen erst im Jahr darauf erneut die russischen Gebiete an. Diesmal wurden die südlichen Fürstentümer erobert. Am 3. März 1239 wurde das als uneinnehmbar geltende Pereslawl und am 18. Oktober Tschernigow eingenommen. Am 6. Dezember fiel das alte Kiew. „Diese Stadt war früher sehr groß und sehr bevölkert, aber jetzt ist sie so gut wie zerstört: Es gibt dort nicht mehr als zweihundert Häuser…“, schrieb der italienische Franziskaner Johannes de Plano Carpini, der die ehemalige Hauptstadt der Kiewer Rus 1245 besuchte. Nachdem die Mongolen die galizischen und wolynischen Gebiete verwüstet hatten, fielen sie in Ungarn und Polen ein.

Enthauptete Leiche von Fürst Juri Wsewolodowitsch auf dem Schlachtfeld.

Russland erlitt eine schreckliche Niederlage: Viele Menschen starben oder wurden gefangen genommen, 49 von 74 bekannten Städten wurden zerstört, 14 von ihnen nie wiederaufgebaut, 15 weitere schrumpften auf die Größe eines Dorfes. Wirtschaft und Kultur erlitten einen schweren Schlag – viele wertvolle Manuskripte wurden verbrannt, viele Gotteshäuser in Ruinen verwandelt.

Der mächtige mongolische Staat der Goldenen Horde, der sich von der Krim bis nach Sibirien erstreckte, begann nicht, die russischen Gebiete zu besetzen, sondern baute dort eine eigene politische und wirtschaftliche Macht auf. Nun entschieden die Khane, wer und wie in Russland regieren würde, und die Fürsten waren gezwungen, bei ihnen Jarligs (Beglaubigungsschreiben) zu beantragen, um in ihren eigenen Ländern zu regieren.

Basqaq (mongolischer Beamter, der für die Steuern und die Verwaltung in einer bestimmten Provinz zuständig war), 1909.

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