Als Anna Petrowna, die zweite Tochter Peters des Großen, geboren wurde, galt sie als uneheliches Kind – ihre Mutter, Marta Skawronskaja (die spätere Katharina I.), und ihr Vater waren nicht miteinander vermählt. Nach 1712, als Peter und Katharina verheiratet waren, wurden ihre Töchter Anna und Elisabeth zu Zarjewnas ernannt, was bedeutet, dass die kleinen Mädchen Paläste und Ländereien geschenkt bekamen.
Heirat mit einem streunenden Herzog
Anna und Elisabeth wurden auf zeitgemäße Weise erzogen, wobei besonderer Wert auf Fremdsprachen und gehobene Umgangsformen gelegt wurde. Bereits im Alter von zwölf Jahren nahmen die Mädchen an höfischen Zeremonien teil und konnten eine formelle Unterhaltung auf Französisch führen. Um die Beziehungen zwischen Russland und Europa zu stärken, beabsichtigte Peter, seine Töchter mit europäischen Fürsten und Königen zu verheiraten.
Im Gegensatz zu ihrer Schwester Elisabeth, die ihr Leben lang unverheiratet bleiben sollte, heiratete Anna tatsächlich einen europäischen Prinzen, wenn auch einen sehr armen. Ihr Ehemann, Karl Friedrich, war der Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorp – einem kleinen Herzogtum von etwa 9.000 Quadratkilometern an der Grenze zwischen dem heutigen Deutschland und Dänemark.
Karl Friedrich kam 1720 nach St. Petersburg, weil die Ländereien seines Herzogtums von König Friedrich IV. von Dänemark unterworfen worden waren, der sich zum Herrscher von Schleswig-Holstein-Gottorp erklärte und Karl Friedrich dazu brachte, in Russland Hilfe zu suchen.
Peter der Große weigerte sich jedoch, militärische Hilfe zu leisten. Karl Friedrich war der Enkel des schwedischen Königs Karl XII., Peters Erzfeind, den der russische Zar im Großen Nordischen Krieg (1700-1721) besiegt hatte. Peter erlaubte Karl Friedrich jedoch, in Russland zu bleiben, und zeichnete ihn sogar mit dem St.-Andreas-Orden, der höchsten Auszeichnung Russlands, aus. In St. Petersburg verliebte sich Karl Friedrich in die Zarentochter Anna.
Kurz vor seinem Tod gab Peter sein Einverständnis für die Heirat. Im November 1724 wurde ein Ehevertrag unterzeichnet. Anna Petrowna behielt den orthodoxen Glauben und konnte ihre Töchter orthodox erziehen, während die Söhne im Glauben des Vaters erzogen werden mussten. Anna und ihrem Ehemann wurde die Möglichkeit verwehrt, den russischen Thron zu beanspruchen, aber der Vertrag enthielt eine geheime Klausel, derzufolge ein Sohn, der aus dieser Ehe hervorging, Anspruch auf den russischen Thron haben würde.
Ein kurzes, glorreiches Leben
Als Karl Friedrich und Anna Petrowna im Juni 1725 heirateten, war Peter der Große bereits gestorben. Während Annas Mutter Katharina zur Kaiserin Katharina I. gekürt wurde, bekleidete ihr Ehemann Herzog Karl Friedrich eine wichtige Position als eines von nur sieben Mitgliedern des Obersten Geheimen Rates – das war die russische Regierung, die das Land anstelle der Zarin regierte, die ihre Tage mit der Trauer um ihren verstorbenen Mann Peter verbrachte.
Im Obersten Geheimen Rat hatte Karl Friedrich großen Einfluss auf die russische Politik. Doch 1727, nach Katharinas Tod, vertrieb Alexander Menschikow, der Vorsitzende des Geheimen Rates, Karl Friedrich und Anna aus Russland. Sie gingen nach Schleswig-Holstein, wo Anna im Februar 1728 in der Stadt Kiel einen Jungen namens Karl Peter Ulrich zur Welt brachte – den späteren russischen Kaiser Peter III.
Kurz nach der Entbindung starb Anna Petrowna. Die Umstände ihres Todes sind jedoch unklar. Die Legende, die der Wissenschaftler Jacob von Staehlin in seinen Memoiren erzählt, lautet wie folgt: Anna Petrowna, die sich kaum von der Geburt erholt hatte, ging zum offenen Fenster, um das bunte Feuerwerk zur Geburt ihres Sohnes besser sehen zu können. Die feuchte und kalte Ostsee-Luft strömte in den Raum, aber Anna, die ihre russische Herkunft zur Schau stellte, erklärte, dass sie keine Angst vor der Kälte habe. Anna Petrowna erkältete sich jedoch und starb im Alter von nur 20 Jahren an einer Fieberkrankheit.
Das Problem ist jedoch, dass Jacob von Staehlin 1735 nach Russland kam und wahrscheinlich die Legende eines anderen nacherzählt hat. Denn aus Annas Briefen geht hervor, dass sie im Mai 1728, drei Monate nach der Geburt, starb. Könnte sie vergiftet worden sein? Oder waren es die Folgen des Kindbettfiebers, das damals sehr häufig auftrat? Wir werden es wahrscheinlich nie erfahren. Ihr Ehemann Karl Friedrich war mit der Erziehung des gemeinsamen Sohnes betraut, bis er 1739 starb.
Das Erbe
Im Jahr 1741 ging der 13-jährige Sohn von Karl Friedrich und Anna Petrowna, Herzog Karl Peter Ulrich, nach Russland. Elisabeth Petrowna, Annas Schwester, wurde russische Kaiserin und sie wollte, dass der Sohn ihrer Schwester den russischen Thron erbte.
Wie wir wissen, wurde aus Karl Peter Ulrich Peter III. ein unglücklicher russischer Zar, der von seiner Frau Katharina II. gestürzt und später ermordet wurde. Peter III. war der erste Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorp, der den russischen Thron bestieg. Er gilt als Begründer des Hauses Romanow-Holstein-Gottorp. Sein Sohn, Paul von Russland, und seine Frau, die Zarin Maria Fjodorowna, hatten vier Söhne und sechs Töchter – aus diesem Grund hatten sie einen sehr umfangreichen Stammbaum von Nachkommen, der auch Mitglieder des britischen Königshauses umfasste.