Von Schokolade bis zum Auto: Deutsche Hoflieferanten der Romanow-Dynastie (TEIL 1)

Russia Beyond (Photo: Public domain)
Monarchistische Herrscherhäuser mit seinen Waren zu beliefern, galt als eine sehr prestigeträchtige Stellung. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert war der Titel „Hoflieferant Seiner Kaiserlichen Majestät“ für viele Kaufleute ein erstrebenswertes Ziel. Wer von den Deutschen im Russischen Reich und im Ausland erreichte diesen Status?

Wer den Titel eines „Hoflieferanten seiner kaiserlichen Majestät“ trug, konnte für eine Weile alle Sorgen vergessen. Die Belieferung von Angehörigen der Herrscherhäuser mit Waren und Dienstleistungen war recht lukrativ: Einige Historiker behaupten, dass für solche Käufe beträchtliche Summen ausgegeben wurden, und wenn sie sich bewährten, eine stabile und langlebige Zusammenarbeit versprachen. Aber auch jene Hersteller, deren Verträge nicht viel Geld einbrachten, zogen einen Nutzen aus dem Geschäft: Die für den Zarenhof bestimmten Marken galten als „die Besten der Besten“. Diese Auszeichnung berechtigte dazu, das nationale Wappen auf Verpackungen, Schildern, Visitenkarten und Anzeigen zu verwenden. Manche „Lieferanten seiner kaiserlichen Majestät“ versorgten auch Königshäuser anderer Länder.

Doch so begehrt der Titel des Lieferanten auch war, so schwierig war es, ihn zu erwerben. Ein Händler oder Handwerker musste dafür eine Reihe strenger Anforderungen erfüllen. Zunächst einmal musste er 8-10 Jahre lang ununterbrochen Waren liefern oder für die Zarenfamilie arbeiten. Wenn es Beschwerden über die Qualität oder den Service gab, konnte die Zusammenarbeit beendet werden. Das Handelshaus Meltzer F. & Co. beging einst einen fatalen Fehler bei der Einrichtung von Zimmern im Anitschkow-Palais. Er stellte dasselbe Projekt zweimal in Rechnung - und der Zar verbot daraufhin, Melzer mit weiteren Aufträgen zu betrauen.

Auch die Erfüllung aller Anforderungen bot leider keine Garantie dafür, seinen Status zu behalten. Da der Titel häufig vom Inhaber eines Unternehmens gehalten wurde, musste dieser lange Weg noch einmal zurückgelegt werden, wenn der Inhaber wechselte, etwa im Falle seines Todes. Unter diesen Bedingungen gelang es nur wirklich herausragenden Persönlichkeiten, den Status eines Hoflieferanten zu erreichen. In den 1910er Jahren waren mehr als 20 % von ihnen Ausländer, darunter auch Deutsche.

Klingen von Schaaf

Der Kilidsch von Schaaf.

Die Waffenschmiedefamilie Schaaf geht auf Wilhelm Nicolaus Schaaf zurück, der in Solingen Meister in der Herstellung verzierter Klingenwaffen war. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts kam Schaf mit seinen Söhnen in die russische Stadt Slatoust, wo er sein Wissen und seine Fähigkeiten, Klingen mit Gold- und Silbermustern und Inschriften zu verzieren, an die örtlichen Handwerker weitergab.

Messer von Schaaf

Nach einiger Zeit übertrug er diesen Waffenbetrieb seinen Lehrlingen und zog nach St. Petersburg, wo er eine eigene Produktion aufbaute. Zunächst produzierte die Familie hauptsächlich Metallwaren und -geräte, doch Mitte des 19. Jahrhunderts spezialisierte sie sich ganz auf die Herstellung von Stichwaffen für Offiziere. Die Schaafs eröffneten eine Werkstatt, ein Geschäft und später eine Fabrik - vermutlich das größte private Unternehmen für die Herstellung von Klingenwaffen in Russland zu jener Zeit. Die Klingen der Schaafs wurden an alle russischen Zaren von Alexander I. bis Nikolaus II. geliefert und werden noch heute in heimischen Museen aufbewahrt.

Süßigkeiten von Einem

Ferdinand Theodor von Einem

Der Deutsche Ferdinand Theodor von Einem kam im Alter von etwa 20 Jahren nach Moskau und hatte den Traum, im Russischen Reich ein Süßwarengeschäft zu eröffnen. Fjodor Karlowitsch (wie sich der Geschäftsmann in seiner neuen Heimat nannte) begann mit einem kleinen Unternehmen für Süßigkeiten und Schokolade. Als er die Produktion ausweitete, gewann Einem einen Partner, einen jungen Konditor namens Julius Ferdinand Geis. Gemeinsam eröffneten sie ein Geschäft im Zentrum von Moskau sowie eine dreistöckige Fabrik.

Das breit gefächerte Sortiment und die schillernde Werbung wurden zum Markenzeichen des Unternehmens: In Pralinenschachteln von Einem fanden die Kunden Postkarten und Notenblätter, Bilder berühmter Künstler schmückten die Verpackungen, und der Name des Herstellers erschien auf den ersten Zeppelinen.

Einem-Süßwarenfabrik in Moskau

Im Jahr 1882, als das Unternehmen an der Allrussischen Kunst- und Industrieausstellung teilnahm, überreichte Einem der Zarin Maria Fjodorowna ein noch nie dagewesenes Geschenk: einen Blumenstrauß aus Pralinen. Den Titel „Hoflieferant“ erhielt das Unternehmen jedoch erst nach dem Tod seines Gründers im Jahr 1913. Das Unternehmen ging damals vollständig an Julius Geis über, der den alten Namen beibehielt.

>>> Wie ein Deutscher im 19. Jahrhundert Russlands beliebteste Schokoladenfabrik gründete

Musikinstrumente von Jacob Becker

Jakob Becker

„Gab es viele Konzerte in der letzten Saison, die ohne einen Becker-Flügel gespielt wurden?“  „Wenn wir uns nicht irren, spielten alle einheimischen und ausländischen Klaviervirtuosen in ihren Konzerten auf einem Becker-Flügel, und in jedem Konzert von gewisser Bedeutung, für das man einen Flügel brauchte, erschien auf der Bühne mit Gewissheit ein Instrument von Becker“, schrieb die Zeitung „Sankt Peterburgskije Wedomosti“ im Jahr 1855.

Der Becker-Flügel, der Pjotr Tschaikowsky gehörte.

Die Tasteninstrumente des aus der Pfalz stammenden Klavierbauers, der eine kleine Werkstatt und später eine Fabrik in St. Petersburg gründete, erfreuten sich im Russischen Reich und jenseits seiner Grenzen großer Beliebtheit. Jakow Dawidowitsch Becker war nicht nur ein hervorragender Handwerker, sondern auch ein mutiger Innovator, der seinen Flügeln und Klavieren die höchste Klangqualität verlieh.

Werbung für die Becker-Flügel

Viele berühmte Pianisten wie Franz Liszt, Anton und Nikolaus Rubinstein, Pjotr Tschaikowski, Emil von Sauer, Alfred Grünfeld, Hans von Bülow und Sofie Menter spielten auf seinen Instrumenten. Anton Rubinstein behauptete sogar, in seinen 30 Jahren in Russland nur an Becker-Flügeln aufgetreten zu sein. Zu den angesehenen Kunden des Unternehmens gehörten der dänische König, der österreichische Kaiser und natürlich die Mitglieder der Familie Romanow - der Zar von Russland selbst und die Großfürsten Wladimir Alexandrowitsch, Konstantin Nikolajewitsch und Nikolaj Nikolajewitsch.

Fahrzeuge der Daimler-Motoren-Gesellschaft

Daimler-Vertretung in Odessa

Bei einem Besuch bei den Verwandten seiner Frau in Darmstadt fuhr Nikolaus II. in einem Auto. Als hervorragender Reiter zählte er bis dahin nicht zu den begeisterten Fürsprechern des neuen Verkehrsmittels. Nach dieser Reise besuchte er jedoch mehrmals Fürst Wladimir Orlow, mit dem er fast jeden Tag Autofahrten unternahm - bis er eines Tages beschloss, mehrere eigene Autos zu erwerben.

Zwei Mercedes-Autos aus der Garage der Zarenfamilie

Im Jahr 1905 trafen bereits sieben Autos der Marke Mercedes für Nikolaus II. in St. Petersburg ein. Sie waren schon damals für ihre Schnelligkeit bekannt. Von diesem Zeitpunkt setzte sich die private Flotte des Zaren hauptsächlich aus Autos deutscher Produktion zusammen. Zwei davon waren Kleintransporter auf Mercedes-LKW-Fahrgestellen, beladen mit Zubehör für Landpartien, die dem Kronprinzen vom deutschen Kaiser Wilhelm II. geschenkt worden waren. Im Jahr 1912 wurde die Daimler Motoren Gesellschaft „Lieferant am Hof Seiner Kaiserlichen Majestät“. Kein Wunder, denn im darauf folgenden Frühjahr waren 11 der 29 Autos in der Garage von Nikolaus II. Mercedes-Modelle.

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