Heute ist in Russland der wichtigste, mit Weihnachtsbaum und Geschenken verbundene Feiertag des Jahres nicht Weihnachten, sondern Neujahr. Diese kulturelle Besonderheit geht auf das sowjetische Regime zurück, das für eine Abschaffung des christlichen Weihnachtsfestes sorgte und an dessen Stelle ein großes Neujahrsfest setzte.
Vor der Revolution hatte das Weihnachtsfest in Russland eine große Bedeutung und wurde ausgiebig begangen. Während die russisch-orthodoxe Kirche diesen Tag heute am 7. Januar feiert, fiel Weihnachten bis 1918 wie bei anderen Christen auf den 25. Dezember. Auch die Familie des Zaren machte diesen Tag zu einem besonderen Tag. Die Kinder und Angehörigen des Hauses wurden großzügig beschenkt.
Im 16. und 17. Jahrhundert legten die Zaren großen Wert auf einen kirchlichen Feiertag, der jedoch keinen eigenen familiären Charakter hatte. Am Heiligabend taten die Zaren gottgefällige Dinge - sie gingen in Krankenhäuser und Waisenhäuser, um reiche Almosen zu verteilen, besuchten Gefängnisse und begnadeten sogar Verurteilte. Anschließend besuchten die Zaren die Christmette in der Kirche, die das wichtigste Ereignis des Abends war.
Nach den Gottesdiensten am frühen Morgen wurden die Kirchenoberhäupter und der Chor in die Gemächer des Zaren im Kreml eingeladen, wo sie besondere Lieder zur Ehre Christi und des Zaren sangen. Die Zaren verköstigten Sie mit dem Festtagsgetränk „Met“ und überreichten ihnen kostbare Schöpfkellen.
Erst danach erhielten die Zarenkinder ihre Geschenke, etwa kunstvoll bestickte, teure Stoffe (Seide und Brokat) und kostbare Schalen mit Halbedelsteinen. Die Zarewitsche bekamen Spielzeugsäbel und die Zarentöchter Schmuck aller Art.
Bis zum 19. Jahrhundert war es nur in reichen und adligen Familien üblich, einander zu beschenken.
Auch die Tradition, einen Weihnachtsbaum zu schmücken, kam vergleichsweise spät nach Russland. Eigentlich wurden Tannenbäume eher mit den Toten in Verbindung gebracht - so streute man bei Beerdigungen Tannenzweige auf den Friedhofsweg, um symbolisch den Weg der Seele des Verstorbenen zu weisen. Peter I. ordnete erstmals an, die Häuser mit Tannenbäumen zu schmücken, als er 1700 das Neujahrsfest einführte. Auch die deutsche Katharina II. pflegte die Neujahrstradition.
Erstmals wurde ein Weihnachtsbaum im Jahr 1817 im Kreml geschmückt. In den 1820er Jahren setzte sich diese Tradition auch in den zaristischen Palästen in St. Petersburg durch. Unter Nikolaus I. begann man, Geschenke unter dem Baum zu verstecken. Es wird vermutet, dass diese häusliche Weihnachtsfeier mit Weihnachtsbaum und Geschenken von der Zarengattin Alexandra Fiodorowna in der Zarenfamilie eingeführt wurde. Sie war Deutsche, die Tochter des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III., und in ihrer Familie wurde Weihnachten immer sehr groß gefeiert - mit einem üppigen Weihnachtsbaum und Geschenken.
Die Ehefrau von Nikolaus I., Alexandra Fjodorowna.
George Dawe, 1826 / Public Domain„Während der Herrschaft von Zar Nikolaus I. nahm das Weihnachtsfest in der aristokratischen und später auch in der städtischen Kultur den Charakter eines häuslichen Familienfestes an, für das gründliche Vorbereitungen getroffen wurden, wobei weder Zeit noch Geld gespart wurden", schreibt Julia Uwarowa in ihrem Buch „Weihnachten und Neujahr in Russland im 16. bis 20. Jahrhundert“.
Manchmal gab es so viele Geschenke, dass sie nicht unter den Weihnachtsbaum passten. Im Jahr 1847 listete Nikolaus‘ Sohn, Großfürst Konstantin, in seinem Tagebuch die zahlreichen Geschenke auf, die ihm gemacht wurden: ein Säbel, ein Dolch, ein Kettenhemd,tscherkessische Pistolen und Bücher.
Blick auf die Rotunde im Winterpalast, wo der Weihnachtsbaum aufgestellt wurde.
Edward Gau / Public DomainOlga, die Tochter von Nikolaus I., erinnerte sich, dass sie 1837 einen Schreibtisch mit Stuhl und 1843 einen „wunderbaren Flügel der Marke Wirth, Bilder, elegante Kleider und von Papa ein Armband mit einem Saphir, seinem Lieblingsstein“ geschenkt bekam.
Einer der beliebtesten Orte, an denen der Zar Geschenke bestellte, war das „englische Geschäft“ der Firma Nicholls & Plinke in St. Petersburg. Dort wurden edle Kronleuchter und Schmuckstücke, teure und schöne Waffen, erlesene Weine und vieles mehr verkauft.
Ein solches Teeservice aus dem Geschäft war 1839 ein Weihnachtsgeschenk für eine andere Tochter von Nikolaus I, Maria. Und 1850 schenkte ihr der Zar eine Reihe von Möbeln - edle Sofas, Sessel und Konsolen.
Tee- und Kaffeeservice von Nicholls & Plinke, 1839.
Russian MuseumDie Fürstinnen bekamen nicht nur Gemälde, Schmuck und Juwelen, hübsche Kleider und Schmuck ( z. B. eine Überraschungsuhr), sondern auch verschiedenste nützliche Gegenstände wie Schlittschuhe, Skier, Schlitten und auch Bücher. Die Kinder konnten auch eine Wunschliste“ zusammenstellen und auf diese Weise ihre „Bestellungen“ aufgeben. Der Bruder von Alexander III., Wladimir, wünschte sich als Kind, wie man weiß, Austern zu Weihnachten, die er gerne aß. Der Zarewitsch Alexander war auch sehr originell: Er wünschte sich eine Spielzeugküche und einen Schornsteinfegeranzug.
1883 beauftragte Alexander III. die Kaiserliche Porzellanmanufaktur mit der Herstellung eines feierlichen Raphael-Services für 50 Personen. Die Erledigung dieses Auftrags beanspruchte 20 Jahre. Die Manufaktur schickte jedes Jahr pünktlich zu Weihnachten einen Teil des gefertigten Services.
Teller, Kaviarschale und Tasse aus dem Raphael-Service.
Tsarskoe Selo State Museum-PreserveMilitärische Gegenstände waren ein traditionelles Geschenk für männliche Angehörige der Zarenfamilie. Es ist bekannt, dass der Thronfolger, der Großfürst Alexander (der spätere Alexander II.), von seiner Mutter die Uniform des Kavallerie-Garderegiments, einen türkischen Degen oder Porzellanteller mit Abbildungen verschiedener russischer Truppenarten geschenkt bekam. Sie schenkte ihm auch ein Teeservice. Aber von seinem Vater, dem Zaren, erhielt Alexander zum Beispiel eine Kiste mit Pistolen, eine Büste von Peter I. und Bücher über die russische Geschichte.
Einen solchen Yatagan, der 1803 im Osmanischen Reich hergestellt wurde, schenkte Maria Alexandrowna ihrem Mann, dem zukünftigen Alexander II., im Jahr 1849 zu Weihnachten.
Jatagan mit Schwertscheide. Türkei. 1803 aus der Sammlung des Museums „Zarskoje Selo“.
Tsarskoe Selo State Museum-PreserveZar Alexander III. wurde im Jahr 1881 von seiner Frau mit einem Revolver von „Smith & Wesson“ mit Patronen und einem Holster beschenkt.
Süßigkeiten wurden in der Regel nur an Kinder verschenkt, aber auch Erwachsene konnten mit Leckereien bedacht werden, etwa mit teuren Pflaumen oder Aprikosen sowie Mandarinen.
Aquarell der Großfürstin Olga, Tochter von Alexander III.
Private collection / Public DomainZu Weihnachten veranstaltete die Zarenfamilie regelmäßig eine Lotterie mit Geschenken für den Hof. Es wurden Porzellanlampen, Vasen, Teeservice und sogar Fabergé-Arbeiten verlost. Auch die Kinder der Zarenfamilie halfen bei der Organisation dieser Lotterie - sie verbrachten Stunden damit, nummerierte Etiketten auf die Geschenke zu kleben, bevor die Verlosung startete.
Die Mitglieder der Zarenfamilie beschenkten zum Fest auch die Dienerschaft und das sonstige Personal des Hofes. Dabei waren sie nicht knauserig. Eine Gouvernante konnte durchaus eine teure Schatulle oder ein Silberbesteck erhalten, und es wurden Perlen und anderer „Schnickschnack“ verschenkt.
Ein Weihnachtsbaum für die Kinder der Zarendienerschaft.
Public domainNikolaus II. feierte Weihnachten auf überraschend bescheidene Weise. Vor allem, als das Land zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine schwere Zeit durchlebte - Revolutionen und Kriege ...
Im Palast von Zarskoje Selo, wo die Zarenfamilie lebte, wurden drei Tannenbäume geschmückt - ein eigener für die Kinder und ein weiterer für die Bediensteten. Nikolaus II. machte in seinem Tagebuch Notizen zu Weihnachten. Er schrieb, dass die Eheleute nach den lärmenden und überladenen Weihnachtsbäumen immer ihren eigenen hatten, wo sie stundenlang Geschenke sortierten. „Dann hatten wir bei Alix unseren Weihnachtsbaum zu zweit.“
Während Nikolaus seiner Frau jedes Jahr zu Ostern ein wertvolles Fabergé-Osterei schenkte, waren die Weihnachtsgeschenke eher bescheiden. So schenkte er der Zarin nur zweimal Schmuck - ein Diamanthalsband im Jahr ihrer Hochzeit und einen Jadeanhänger zu Weihnachten nach der Geburt ihres erstgeborenen Kindes, Großfürstin Olga.
Das letzte Zarenpaar machte auch seinen Kindern bescheidene Geschenke. So schenkte die Zarin dem Thronfolger Alexej sein erstes Tagebuch.
Zu Weihnachten 1917, bereits im sibirischen Exil, strickte Zarin Alexandra selbst Wollwesten für ihre Kinder. Sie schickte dem Hoffräulein und ihrer Freundin Anna Wyrubowa ein Päckchen mit einem Schal und Strümpfen, die sie selbst gestrickt hatte (und das Mehl, Nudeln und Wurst enthielt, ein echter Luxus in der nachrevolutionären Zeit).
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