Wer war der erste sowjetische Massenmörder?

Kira Lisitskaya (Photo: Sputnik; Public domain)
Wassilij Komarow war einer der grausamsten Mörder in der Geschichte der UdSSR. Er ermordete unschuldige Menschen und vernahm sogar sein eigenes Todesurteil mit „teuflischer Gleichgültigkeit“.

1921 wurden in Moskau in den Ruinen von Häusern und auf verlassenen Baustellen graue Säcke mit den Leichen nackter Männer entdeckt. Alle Morde hatten die gleiche Handschrift: Die Köpfe der Opfer waren mit einem schweren Schlag zertrümmert und ihre Hände und Füße fest an den Bauch gefesselt worden. Die Hauptstadt Sowjetrusslands atmete erleichtert auf, als sich herausstellte, dass in dem jungen sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat der erste Massenmörder gefasst worden war.

Dem Täter auf der Spur

Die Miliz ging davon aus, dass der Mörder irgendwo im Stadtteil Samoskworetschije wohnte, da dort die schrecklichen Funde gemacht wurden. Außerdem war er irgendwie mit dem Pferdemarkt verbunden. Sieben der zweiundzwanzig ermordeten Personen konnten identifiziert werden – sie alle waren Wanderbauern, die nach Moskau gefahren waren, um ein Pferd zu kaufen, und dann spurlos verschwunden.

Moskauer Pferdemarkt.

Die Ermittlungsbehörde wies auf die äußerst geschickte Art und Weise hin, mit der die Säcke zugeschnürt waren – wie von einem Menschen, der es gewohnt war, Pferde anzuspannen. In einigen Säcken wurden Spuren von Hafer gefunden. Die wahrscheinlichste Version war, dass es sich bei dem Massenmörder um einen Kutscher handelte.

Es gab viele Männer dieses Berufs in der Stadt, aber der Kreis der Verdächtigen wurde schnell eingegrenzt, als eine Leiche gefunden wurde, die in Baby-Windeln gewickelt war. Später stellte sich heraus, dass der mysteriöse Mörder vor kurzem Vater geworden war.

Die Miliz patrouillierte ständig durch die Stadt und befragte die Händler auf dem Pferdemarkt und die Gastwirte. Diese lenkten die Aufmerksamkeit der Ordnungshüter auf einen gewissen Wassilij Komarow, der durch sein für einen Kutscher äußerst seltsames Verhalten auffiel. Er rannte nie einem Kunden hinterher, wie es seine Kollegen taten, sondern stand einfach nur da, als ob er auf jemanden warten würde. Gleichzeitig hatte er immer Geld in Hülle und Fülle.

Schabolowka-Straße.

In der Nacht des 18. Mai 1923 kam die Miliz zum Haus des 55-jährigen Komarow in der Schabolowka-Straße unter dem Vorwand, nach einer Schnapsbrenn-Apparatur zu suchen. Der Hausherr blieb ganz ruhig, aber als die Milizionäre zum Schrank kamen, sprang er plötzlich aus dem Fenster und verschwand. Im Schrank wurde die – noch warme – Leiche eines weiteren Opfers gefunden.

Das erbarmungslose Böse

Der Massenmörder wurde noch in derselben Nacht in einem Dorf bei Moskau gefasst. Schon bald kannte die Miliz alle Einzelheiten seiner grausamen Taten.

Wassilij Komarow (mit eigentlichem Nachnamen Petrow) wurde in eine große Eisenbahnerfamilie hineingeboren und wanderte viele Jahre lang durch das Reich, um sich mit Gelegenheitsarbeiten seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Nach dem Bürgerkrieg, in dem er zum Zugführer der Roten Armee aufstieg und sich durch die Hinrichtung gefangener weißer Offiziere auszeichnete, ließ sich Komarow in Moskau nieder und eröffnete ein privates Fuhrunternehmen.

Wassilij Komarow.

Doch schon bald war der Massenmörder von seiner neuen Beschäftigung gelangweilt. Er wollte alles sofort und auf einmal haben und fand schließlich einen Weg, dies in die Tat umzusetzen.

Komarow kam auf den Pferdemarkt, suchte unter den potentiellen Käufern einen einsamen Bauern (der nicht sofort gefunden werden würde) und bot an, ihm sein Pferd zu einem sehr niedrigen Preis zu kaufen, da er dringend Geld benötige. Der „Verkäufer“ lud den begeisterten Käufer zu sich nach Hause ein, um alle Einzelheiten zu besprechen und den Geschäftsabschluss zu feiern. Dort machte er den unglücklichen Mann betrunken und ermordete ihn kaltblütig, nahm dessen Geld und sogar dessen blutigen Kleidung mit.

„Er tötete akkurat und ungewöhnlich professionell: immer mit der gleichen Technik, einem einzigen Hammerschlag auf die Stirn, ohne Lärm oder Eile, mitten in der Unterhaltung“, schrieb der Schriftsteller Michail Bulgakow, der als Korrespondent an dem Prozess teilnahm: „So wird das Vieh erschlagen. Ohne Bedauern, aber auch ohne jeden Hass. Er hatte zwar jedes Mal eine Beute, die aber war nicht übermäßig groß. Der Betrag, den der Käufer in der Tasche hatte, entsprach in etwa dem Preis eines Pferdes.“

Im Haus von Komarow wurden keine Reichtümer gefunden. Der alkoholabhängige Kutscher hatte die Beute komplett versoffen.

Die Bestie

Komarows Waffe.

Insgesamt wurde der Wolf von Moskau des Mordes an 29 Menschen angeklagt, obwohl er selbst 33 Opfer für sich reklamierte. Komarow empfand keine Reue für seine Taten und sagte, er sei bereit, noch mehr Menschen zu töten.

Als die Gegend um sein Haus immer mehr einem Friedhof glich, begann die Bestie (wie ihn die Presse nannte), Säcke mit Leichen in den Ruinen von Häusern zu verstecken oder sie in den Fluss Moskwa zu werfen.

Bevor er ein Verbrechen beging, schickte Komarow seine Frau Sofia und die Kinder unter einem glaubhaften Vorwand aus dem Haus. Eines Tages kam Sofia etwas früher zurück und sah die blutige Szene. Anstatt zur Miliz zu laufen, wurde sie seine treue Assistentin, die nach jedem Massaker das Zimmer putzte und den Boden wischte.

Wassilij Komarow und seine Frau.

Während des Prozesses verhielt sich der Massenmörder mit „teuflischer Gleichgültigkeit“ und sprach monoton über seine Verbrechen. Er war völlig emotionslos gegenüber seinem Schicksal und erklärte: „Wir werden alle verrecken“.

Gerichtsmediziner diagnostizierten bei Wassilij Komarow eine impulsive Psychopathie mit Anzeichen einer alkoholischen Degeneration, befanden ihn aber für zurechnungsfähig. Am 18. Juni 1923 wurde er zusammen mit seiner Frau erschossen. Ihre Kinder wurden in die Obhut des Staates gegeben.

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