Die erste Frau, die in der alten Kiewer Rus als Heilige verehrt wurde, war zunächst eine Heidin und wurde durch ihre schreckliche Rache für den Tod ihres Mannes berühmt. Aber sie brachte auch das Christentum in das russische Land und erzog ihren Enkel Prinz Wladimir, der später die ganze Rus taufte.
Olga erscheint auf der historischen Bühne nach dem Tod ihres Mannes Igor, des Fürsten von Kiew, im Jahr 945 (laut der russischen Nestorchronik „Powest wremennych let“). Er wurde brutal ermordet, als er einen Tribut von Drewljanen, einem Stamm aus den Kiew unterstellten Gebieten, eintrieb. Man hatte ihn an zwei gebogenen Espen festgebunden, die ihn, als sie in die Senkrechte schnellten, in zwei Teile rissen.
Heilige Olga, Fürstin von Kiew.
Fine Art Images/ Heritage Images /Getty ImagesNachdem sie den Kiewer Fürsten getötet hatten, beschlossen die Drewljanen, auch seinen Thron zu erobern. Zu diesem Zweck wollten sie ihren Fürsten Mal mit der jungen Witwe Igors verheiraten und schickten Heiratsvermittler zu ihr.
Als die Drewljaner vollkommen betrunken waren, töteten Olgas Gefolgsleute sie.
Die Drewljanen hielten verbissen stand, und ein ganzes Jahr lang konnten die Kiewer sie nicht besiegen. Dann schickte Olga Boten mit dem Angebot, die Belagerung zu beenden und Frieden zu schließen. Dafür forderte sie von den Drewljanen einen sehr geringen Tribut: drei Tauben und drei Spatzen pro Haus. Der nichtsahnende Feind kam ihrer Aufforderung nach, doch als die Nacht hereinbrach, befahl Olga, jedem Vogel eine Zündschnur (einen Stock aus brennbarem Material) umzubinden, sie anzuzünden und fliegen zu lassen. Sie flogen alle auf ihre Dächer, die damals noch mit Stroh gedeckt waren, und die ganze Stadt fing über Nacht Feuer. Die Drewljanen stürmten entsetzt aus der Stadt und wurden von der Kiewer Armee empfangen. Die Stadt fiel und die Drewljanen wurden mit einem hohen Tribut belegt.
Olgas Rache an den Drewljanen von Fjodor Bruni, 1839.
Public domainTrotz dieser raffinierten Rache war Olga keineswegs eine von Leidenschaften besessene Autokratin. Die Vergeltung an den Drewljanenn in jenen brutalen heidnischen Zeiten war eine klare Antwort auf jeden, der es für möglich gehalten hätte, den Thron von Kiew, das seines Fürsten beraubt worden war, zu erobern. Außerdem verschafften ihr solche Schritte Unterstützung aus dem Inneren des Reiches: Sowohl ihr Gefolge als auch der lokale Adel sahen in ihr eine entschlossene und politisch reife Herrscherin.
Olga besuchte auch die Kiew unterstellten Gebiete und legte dort Verwaltungszentren und Abgaben fest: die genaue Höhe des Tributs und die Orte, in denen er erhoben werden sollte. Sie erkannte, dass der Tod ihres Mannes vor allem darauf zurückzuführen war, dass die Regeln für die Einziehung und die Höhe der Abgabe nicht klar festgelegt waren. Nun waren die Vertreter des Fürstenstandes nicht nur für die Einziehung des Tributs zuständig, sondern überwachten auch die Ordnung und lösten rechtliche Streitigkeiten, der Fürst selbst brauchte den Tribut nicht mehr selbst einzuziehen. Olga gründete die erste Verwaltungsbehörde, die es ihr ermöglichte, über ihre Untergebenen Tribute und Informationen einzuholen, ohne die Hauptstadt verlassen zu müssen.
So erhielt Olga bereits in jungen Jahren den Beinamen „die Weiseste“.
Das erste Treffen von Fürst Igor mit Olga von Wassili Sazonow, 1824.
State Tretyakov Gallery / Public domainDieser Titel wird durch die Legende über ihre Herkunft und ihre Bekanntschaft mit Fürst Igor untermauert. Auf der Jagd in der Nähe von Pskow soll Fürst Igor einen Fährmann gebeten haben, ihn über den Fluss zu bringen, und schon im Boot sah er, dass es ein Mädchen war, und zwar ein sehr schönes. Nach den Gepflogenheiten jener Jahre war er sich sicher, dass ein einfaches Mädchen über die Aufmerksamkeit des Fürsten erfreut wäre, aber das Mädchen wies ihn energisch zurück und drohte nach einer Variante der Überlieferung, sich in den Fluss zu stürzen, und nach einer anderen, den Fürsten selbst in den Fluss zu werfen. Der Fürst war von der Schönheit, dem Charakter und der Intelligenz des Mädchens so beeindruckt, dass er, als er beschlossen hatte zu heiraten, nach Olga suchen ließ.
Olgas Weisheit zeigte sich auch darin, dass ihr der heidnische Glaube ihres Volkes nicht mehr genügte. Sie entwickelte ein Interesse für das Christentum, das sich in Kiew immer mehr ausbreitete. Historiker sind sich uneins darüber, ob Olga sich aus einem persönlichen spirituellen Motiv zum Christentum hingezogen fühlte oder ob sie vielmehr von politischen Interessen und der Erkenntnis geleitet war, dass der Staat für seine Entwicklung eines „moderneren“ Glaubens bedarf. Wie dem auch sei - Olga beschloss, zum Christentum zu konvertieren und reist zu diesem Zweck in die byzantinische Hauptstadt Konstantinopel.
Die Taufe von Olga von Iwan Akimow, 1792.
Public domainUm diese Reise Olgas ranken sich, wie um ihre gesamte Regentschaft, eine Vielzahl von Legenden. Es gibt eine Version, nach der Kaiser Konstantin VII., genannt Porphyrogenitus, der später Olgas Taufpate wurde, versuchte, ihr einen Heiratsantrag zu machen, Olga sich aber geschickt entzog.
Nach der Rückkehr in ihre Heimat wurde Olga die erste Christin in der Kiewer Rus (zumindest von adliger Geburt). Ihr Beispiel hatte keine Wirkung auf ihren Sohn Swjatoslaw, der als Heide starb. Olgas Enkel Fürst Wladimir aber, den die Fürstin der Legende nach erzogen hatte, konvertierte später nicht nur selbst zum Christentum, sondern taufte auch die ganze Rus.
Außerdem wurden nach Olgas Rückkehr nach Kiew christliche Kirchen errichtet (Olga gilt als Pionierin des Steinbaus in der Rus im Allgemeinen), Gottesdienste abgehalten und es entwickelte sich ein eigener Priesterstand. Der christliche Glaube erschien den Bewohnern der Rus nicht mehr ungewöhnlich und fremdartig, und immer mehr Menschen nahmen das Christentum an.
Olga starb im Jahr 969 und wurde zwischen 972 und 978 heiliggesprochen. Sie wurde als erste Christin in der Rus und „die weiseste aller Menschen“ kanonisiert. Ihre heidnische Rache an den Drewljanen stand dem nicht entgegen, da diese Taten in ihrem vergangenen Leben - vor ihrer Taufe - stattgefunden hatten. In ihrer Heiligenlegende heißt es: „Fürstin Olga herrschte über die Regionen des russischen Landes nicht als Frau, sondern als starker und kluger Mann“. Die Verehrung Olgas war so groß, dass sie 1547 nicht nur als Heilige, sondern als eine apostelgleiche Heilige anerkannt wurde. Weltweit gibt es nur fünf weitere Frauen dieser Art, darunter zum Beispiel Maria Magdalena.
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